„Man weiß nie, was auf einen zukommt“: Carisma-Möbelmarkt bietet Menschen und Möbeln einen Neustart

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Mitarbeiter im Secondhand-Laden für Möbel: (v. li.) Filialleiter Markus Wendland, Eva-Maria Schatton, Katharina Weißenbacher (beide Fachdienstleiterinnen) und Dirk Reppe vom Logistik-Team. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Im Secondhand-Laden Carisma ist kein Tag wie der andere. Überraschungen und Herausforderungen stehen an der Tagesordnung. Humor ist ein wichtiger Begleiter.

Geretsried – Wer sich von einem alten Möbelstück trennen will, der hat drei Möglichkeiten: Er fährt zur Deponie, er versucht sein Glück über Kleinanzeigen – oder er verschenkt es an den Carisma-Möbelmarkt in Geretsried und tut damit auch noch ein gutes Werk.

Der Gebrauchtmöbelmarkt war ursprünglich an der August-Moralt-Straße in Bad Tölz untergebracht, doch im Januar 2020 lief der Mietvertrag aus. Lange suchte die Caritas nach einer neuen Bleibe und wurde schließlich im Untergeschoss des ehemaligen KC-Möbelhauses an der Geretsrieder Sudentenstraße fündig. Ende des Jahres 2000 zog dann auch noch der Caritas-Kinderladen, der bislang an der Graslitzer Straße untergebracht war, in das Gebäude um (siehe Kasten). Mit 600 Quadratmetern Ladenfläche steht der Caritas nun deutlich mehr Platz zur Verfügung als einst in Bad Tölz, und die Anzahl der Kunden wächst kontinuierlich.

Von Schwimmflossen über Kinderwagen bis hin zu Kleidung: Das Sortiment im Kinderladen der Caritas ist groß.
Von Schwimmflossen über Kinderwagen bis hin zu Kleidung: Das Sortiment im Kinderladen der Caritas ist groß. Geleitet wird er von Melanie Baindl. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Angewiesen auf Verkaufserlöse

Der Möbelmarkt ist längst nicht mehr nur Armutsprojekt: Anders als bei der Gründung vor 25 Jahren, dürfen nun auch zahlungskräftige Kunden dort einkaufen. Die Fixkosten für die drei Fahrzeuge und die Miete würden steigen, die Einnahmen blieben gleich, daher sei man auf die Verkaufserlöse angewiesen, erläutert Fachdienstleiterin Eva-Maria Schatton: „Unser Ziel ist eine schwarze Null.“

Hilfe für bis zu 50 Menschen

Zur Abteilung Beschäftigung-Integration-Qualifizierung“ (BIQ) der Caritas gehören neben dem Möbelmarkt noch einige weitere Bereiche: Ein Menüservice, ein Hausmeisterdienst und der Kleidermarkt, eine Etage über dem Möbelmarkt. Insgesamt arbeiten im Bereich „BIQ“ 13 Festangestellte, die bis zu 50 Hilfsbedürftige betreuen. Eva-Maria Schatton betont: „Das Kinderland soll keine Kleiderkammer sein, sondern ein nettes Geschäft.“ Jeder dürfe dort einkaufen. Es gibt neben Unmengen an Kleidung auch Puzzles, Taucherflossen und manchmal kleine Schlauchboote. Sozial Benachteiligte mit einer Sozialcard erhalten, wie im Möbelmarkt, 25 Prozent Rabatt. Zum Saisonwechsel wird das Sortiment komplett ausgetauscht, vor dem Winter verschwindet die Sommerkleidung in Kartons. Egal, wie voll die Depots sind – kein Kleidungsstück wird weggeworfen: Überschüssige Kleidung erhält die Ukraine-Hilfe.

Eine Prise Humor schadet nicht

Die Arbeit im Möbelmarkt sei sehr abwechslungsreich. „Man weiß nie, was auf einen zukommt. Und man muss immer eine Prise Humor mitbringen.“ So bietet die Caritas beispielsweise den Service, dass Möbelstücke bei den Spendern abgeholt werden. „Kürzlich haben wir ein Fahrerteam bis nach Iffeldorf geschickt“, erinnert sich Schatton. „Als unsere Fahrer angekommen sind, war die Dame nicht zu Hause.“ In solch einem Fall könne man sich natürlich zwei Tage lang aufregen: „Aber ich hab‘ zu den Fahrern gesagt: Wenigstens habt ihr einen schönen Ausflug gehabt.“ Immer wieder seien die Verkäufer auch als Schlichter gefragt, etwa wenn sich zwei Kunden im selben Moment auf den gleichen Gegenstand stürzen: „Man kann da gar nicht schnell genug den Verkauft-Aufkleber drauf machen“, weiß Filialleiter Markus Wendland.

Arbeit in einem geschützten Rahmen

Spannend ist die Arbeit im Möbelmarkt der Caritas aber auch deshalb, weil man nie so ganz genau weiß, welcher Mitarbeiter es bis in die Arbeit schafft. Der Möbelmarkt und der Kinderladen sind schließlich in erster Linie Beschäftigungsunternehmen für Menschen mit Unterstützungsbedarf. Menschen, die lange nicht mehr gearbeitet haben, sollen wieder an den Arbeitsmarkt herangeführt werden. Fachdienstleiterin Katharina Weißenbacher erläutert: „Es geht drum: wie komme ich pünktlich? Wie melde ich mich richtig ab? Wie löse ich Konflikte?“ Manche Mitarbeiter würden sozial völlig zurückgezogen leben und müssten erst wieder Kundenkontakt erlernen. Schatton ergänzt: „Wir bieten hier einen geschützten Rahmen. Wir machen Bewerbungen mit ihnen, führen Gespräche – so können sich die Leute stabilisieren.“ Damit sei man sehr erfolgreich: „Wir haben heuer schon sechs Leute in den ersten Arbeitsmarkt überführt.“

Sprachliche Herausforderungen

Zu den Herausforderungen zählt bisweilen auch das Erlernen der deutschen Sprache. Immer wieder gebe es witzige Zwischenfälle mit dem Übersetzungsdienst von Google. So habe eine Mitarbeiterin einer Kundin per Smartphone mitgeteilt: „Meine Chefin trinkt nur noch schnell ein Bier“, erzählt Schatton lachend. „Da bin ich hingelaufen und hab‘ gesagt: Nein, nein – so stimmt das nicht.“ Eine andere Mitarbeiterin sollte ein Schild schreiben, auf dem steht: „Zu verschenken“. Mit Hilfe von Google wurde daraus ein Plakat mit der Aufschrift: „Schinken.“

Im Möbelmarkt gibt es fast alle Arten von Möbel: Wohnwände, Eckbänke, Stühle, Tische, Gartenmöbel und Sonnenschirme. Und nicht nur das. Zum ständig wechselnden Sortiment zählen bisweilen auch Rollatoren, Fitnesstrainer, Langspielplatten, CDs und Deko-Elemente. Es gibt aber auch Gegenstände, die nicht angenommen werden. Dazu zählen aus Kapazitätsgründen zum Beispiel Einbauküchen. Und Möbel im Stil „Eiche rustikal“ – sie sind quasi unverkäuflich.

Immer wieder kommt es vor, dass Menschen nachts Sperrmüll auf der Rampe abstellen: „Das hat zugenommen, seit die Deponie in Quarzbichl die Gebühren erhöht hat“, sagt Weißenbacher. Die Entsorgung mache „einen Haufen Arbeit“. Manche Menschen hätten wenig Verständnis dafür, dass die Caritas nicht alle Stücke annimmt. „Aber wir können nicht alles verschenken – wir brauchen ein paar Euro, um uns über Wasser halten zu können.“

Ehrenamtliche Helfer gesucht: Die Caritas sucht ehrenamtliche Helfer für den Möbelmarkt: „Es geht darum, einfach mal eine kaputte Schublade zu reparieren oder einen abgebrochenen Fuß anzuleimen“, sagt Markus Wendland. Ebenso sei denkbar, „Oma-Möbelstücke“ im sehr angesagten Vintage-Stil zu gestalten: „Aber dafür braucht man Zeit.“ Ebenso angedacht sei ein ehrenamtlicher Nähdienst.

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