Mit einem etwas bitteren Humor fasste Kreisvorsitzende Daniela Busse das Besondere am diesjährigen FDP-Mittelstandsbrunch in der Fasshalle zusammen: „Wir sind im Bildungsurlaub vom Bundestag“. Aber die Liberalen seien Optimisten, fügte sie hinzu.
Kempten – Busse hoffe darauf, dass die Deutschen im Sinne ihrer Partei wieder mehr Lust bekommen, ihr Leben eigenverantwortlich in die Hand zu nehmen und von der Vollkaskomentalität wegzukommen. Sie kritisierte, dass das größte Schuldenpaket in der Geschichte der Bundesrepublik, verabschiedet von der Schwarz-Roten-Regierung, zu Lasten der jungen Generation gehe.
Nicole Rauscher, stellvertretende Landesvorsitzende des Liberalen Mittelstandes Bayern, rief zu mehr Mut zur Freiheit auf, um den Unternehmerinnen und Unternehmern die Bürokratielasten zu nehmen. Das zentrale Thema, das ihre Organisation derzeit beschäftige, sei die Zukunft der Arbeit. Dabei gehe es um moderne Arbeitsformen, Fachkräftesicherung, Unternehmenskultur und Digitalisierung.
Steht die FDP vor dem Aus?
„Manche Leute gehen, wenn es schwierig wird. Manche kommen, wenn es schwierig wird“, lobte Stephan Thomae, in der vergangenen Legislaturperiode parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, die anwesenden Mittelständler und Parteifreunde in seiner Begrüßungsrede. Bei einigen komme das Gefühl auf, die FDP stehe kurz vor dem Aus. Sie sei jedoch weiterhin im EU-Parlament, in Landtagen, in Kreis- und Stadträten vertreten. Als Bezirksvorsitzender in Schwaben habe er das Ziel, bei den Kommunalwahlen im nächsten März mindestens die Zahl der Mandate zu halten.
Am 100. Tag der Regierung Merz sei es eine schlechte Nachricht, dass die AfD in den Umfragen sich vor die Union geschoben habe. In der jetzigen Zeit der Bedrohung wünsche er der Bundesregierung selbstverständlich viel Erfolg. Trotzdem habe er Zweifel, vor allem in der Innenpolitik. Der Bundeskanzler habe in der Außenpolitik positive Bilder geliefert und gute Intuition bewiesen, von einer Orientierungslosigkeit in der Israel-Politik abgesehen. Innenpolitisch merke Merz aber, dass das Regieren doch nicht so einfach sei. Er bleibe in diesem Bereich hinter den geweckten Erwartungen zurück. „Wir müssen den Menschen und den Unternehmern mehr zutrauen“, sagte Thomae. Der Staat dürfe nicht alle Details regeln. Wenn die FDP an diesem Alleinstellungsmerkmal in der politischen Landschaft festhalte, werde die Nachfrage nach ihr bald wieder größer.
Ullrich Kremser: „Miteinander mit Respekt umgehen, ist mir wichtig“
Zu zweit unter 44 Stadträten sei es nicht immer einfach, seine Vorstellungen einzubringen, sagte Stadtrat Ullrich Kremser. Er wünscht sich, dass im nächsten Stadtrat die FDP die Fraktionsstärke erreiche. Stolz sei er darauf, dass die Partei mit 44 Kandidatinnen und Kandidaten eine vollständige Liste aufstellen könne. Er lobte die Kämmerei, dass sie sich gegen die Erhöhung der Gewerbesteuer ausgesprochen habe und freute sich darüber, dass man sich im Stadtrat über die Priorisierung im Haushalt einig geworden sei und dass der Landkreis die Erweiterung der Gymnasien mitfinanziere. Die FDP habe bereits vor sechs/sieben Jahren ein Leerstandkonzept in der Innenstadt gefordert, erst jetzt werde es verwirklicht. Ihm sei es wichtig, dass man miteinander mit Respekt umgehe.
Die bayerische Regierung habe durch die Liberalisierung der Bauordnung den Kommunen Freiheiten gegeben, sagte Stadtrat Dr. Dominik Spitzer. Die Verwaltung gehe damit zu unkritisch um und versuche durch kommunale Regelungen den Menschen noch mehr Bürokratie aufzubürden. Die FDP sei leider im Verkehrsausschuss nicht vertreten. Dort gehe man in Richtung autofreie Innenstadt, erklärte Spitzer. Zu einer attraktiven Innenstadt gehöre aber der Individualverkehr dazu. Die Einzelhändler verkauften nicht nur kleine Sachen. Man sollte eine emissionsfreie Stadt werden, indem man abgasfreie Autos in die Stadt bringe. Zum Schluss rief er alle demokratischen Parteien auf, sich zusammenzusetzen, um dann gemeinsam gegen Extreme, ob rechts oder links, zu handeln. Man müsse in Brennpunkten Hand in Hand präsent sein und Zusammenhalt zeigen. Freiheit braucht jeder, betonte er und fragte: „Wer soll die Stimme der Freiheit sein, wenn nicht die FDP?“
Wie wichtig sind Traditionen?
Als Gastredner begrüßte Busse den neuen Landesvorsitzenden Michael Ruoff. Er sei in einer Chiemgauer Tracht gekommen, um auf die Wichtigkeit von Traditionen hinzuweisen, sagte er. Als Freier Demokrat finde er Traditionen gut, wenn sie Freiheitsgefühl vermitteln und Lebensfreude ausdrücken. Weniger gut sei es, wenn sie Menschen einschränken. Traditionen spielten in der Union eine größere Rolle als in der FDP. Aber die Union habe jetzt mit der Tradition solider Finanzen gebrochen. Deswegen würden künftige Regierungen und künftige Generationen über keine Spielräume mehr verfügen. Deswegen sagte er: „Von der Schwarz-Roten Regierung ist jeder Tag zu viel.“ Bei der Mütterrente sei die Regierung genauso auf dem Holzweg wie bei dem gesamten Rentensystem. Da sie die Änderung des Rentenniveaus und die des Beitrittsalters ausgeschlossen habe, bleibe nur der Weg von steigenden Beitragssätzen. Die Liberalen schlagen einen anderen Weg vor: Weniger Staat und mehr private Altersvorsorge. Ruoff wertete es als „fatales Zeichen“, dass die Bundesregierung überhaupt über Enteignungen im Wohnungsbereich nachdenke und dadurch die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes verletze.
Was die FDP zurzeit mache, außer Newsletter zu verschicken, fragte ein Herr aus dem Publikum. Zunächst sei man mit der Wahlanalyse beschäftigt, um dann mit dem Prozess eines neuen Grundsatzprogramms zu starten, so Ruoff. Sein Fazit stehe bereits jetzt fest: „Wir haben uns zu klein gemacht in der Ampelkoalition.“
Feste, Konzerte, Ausstellungen: Was man in Kempten und Umgebung unternehmen kann, lesen Sie im Veranstaltungskalender.
Mit dem Kreisbote-Newsletter täglich zum Feierabend oder mit der neuen „Kreisbote“-App immer aktuell über die wichtigsten Geschichten informiert.