Wie lässt sich der ÖPNV in Kempten finanzieren? Zusätzliche Einnahmemöglichkeiten Thema im Finanzausschuss

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Damit das ÖPNV-Angebot erhalten bleibt, wird im Stadtrat über alternative Finanzierungsquellen nachgedacht. © Lajos Fischer

Traditionell wird der ÖPNV aus zwei Quellen finanziert: Aus den ­Ticket-­Einnahmen sowie aus öffentlichen Zuschüssen von Bund, Ländern und Kommunen. Der Haupt- und Finanzausschuss Kempten hörte nun Informationen über zusätzliche Einnahmemöglichkeiten.

Kempten – Da die Haushaltslage der Stadt Kempten keine großen Sprünge mehr zulässt, hatte Stadtrat Julius Bernhardt (FfK) beantragt, sich über alternative Finanzierungsmöglichkeiten Gedanken zu machen. Felicia Baumgartner vom Amt für Wirtschaft und Stadtentwicklung gab einen Überblick über verschiedene Optionen. Sie nannte folgende Gruppen, die man an der Finanzierung beteiligen könnte:

ÖPNV-Finanzierung über Bürgerinnen und Bürger

Hier sind zwei Modelle vorstellbar: 1. Ein ÖPNV-Beitrag, praktisch ein Solidaritätsbeitrag, den jeder Bürger zahlen muss, unabhängig davon, ob er die Angebote wahrnimmt. In diesem Fall müssen die Nutzer weiterhin Fahrausweise kaufen. Bernhardt schlug in der Sitzung allerdings vor, als Gegenleistung ein ÖPNV-Guthaben zu gewähren, das die Menschen zusätzlich motiviere, in den Bus zu steigen.

Die andere Möglichkeit wäre ein Bürgerticket. In diesem Fall bräuchte man keine Fahrkarten mehr, für seinen Beitrag dürfte jeder das Angebot nutzen. Zur Einführung beider zusätzlicher Finanzierungsquellen bräuchte man jedoch eine rechtliche Regelung auf der Landesebene, erklärte Baumgartner. Kempten habe bereits eine Art Bürger­ticket in der Form des Semestertickets an der Hochschule, sagte Helmut Berchtold (CSU) in der Diskussion, aber leider nur für 6.500 Menschen und nicht für 72.000. Die Grundlage dafür bilde ein Vertrag mit dem Studentenwerk.

Bernhardt erwähnte in seinem Antrag den Mobilitätspass in Baden-Württemberg. Es handelt sich dort um ein im März 2025 durch ein Landesgesetz ermöglichtes freiwilliges Instrument der Kommunen, erläuterte Baumgartner. Sie haben die Möglichkeit, entweder pro Einwohner ab 18 Jahren oder pro Kfz-Halter eine Pflichtabgabe einzuführen. Ausnahmen sind in öffentlichem Interesse oder aus sozialen Gründen möglich. Jeder bekommt für den geleisteten Beitrag ein ÖPNV-Guthaben in der gleichen Höhe. „Manchmal würde ich mir wünschen, dass Bayern in gewissem Rahmen Baden-Württemberg wäre“, meinte Bernhardt.

ÖPNV-Finanzierung über Arbeitgeber

Das Land Bayern könnte ebenfalls die rechtlichen Rahmen für einen Arbeitgeberbeitrag schaffen. Bei diesem Modell zahlen die Firmen nach der Zahl ihrer Beschäftigten einen Pauschalbetrag. Gerechtfertigt ist dieser durch den wirtschaftlichen Vorteil, der dadurch entsteht, dass die Mitarbeiter und die Kunden dank der ÖPNV-Anbindung das Unternehmen gut erreichen können. Bernhardt wies in seinem Antrag darauf hin, dass diese Arbeitgeberabgabe in Frankreich erprobt werde. Seitdem diese Steuer 1971 in Paris eingeführt wurde, werde dort deren Geltungsbereich kontinuierlich ausgeweitet, erklärte Baumgartner. Ortsansässige private und öffentliche Arbeitgeber sind dazu ab elf Beschäftigten verpflichtet. Die Summe richtet sich nach deren Lohnsumme. Die Stadt Wien gehe einen ähnlichen Weg.

Kur-/Gästebeitrag heranziehen.

Wenn die rechtlichen Bedingungen auf der Landesebene angepasst werden, könnte man auch einen Teil des Kur-/Gästebeitrags für die ÖPNV-Finanzierung verwenden.

Möglichkeit: Höhere Parkgebühren für den ÖPNV nutzen

Für das Instrument Parkraumbewirtschaftung seien alle gesetzlichen Voraussetzungen vorhanden, erklärte Baumgartner. Hier geht es darum, Parkgebühren zu erhöhen und das Gebiet der Parkraumbewirtschaftung zu vergrößern, um die zusätzlichen Einnahmen zweckgebunden für den ÖPNV zu verwenden. Berchtold bestätigte, dass seit der Einführung der Parkraumbewirtschaftung in Kempten die Zahl der ÖPNV-Nutzer signifikant gestiegen ist.

Ob es für dieses Modell konkrete Beispiele gebe, wollte Andreas Kibler (FW) wissen. Da die Verwaltung sich damit bis jetzt noch nicht konkret beschäftigt habe, bat Bürgermeisterin Erna-Kathrein Groll (Grüne) die Amtsleiterin Dagmar Lazar, sich des Themas anzunehmen, weil es für Kempten interessant sein könnte. In Wien gehe man diesen Weg, kombiniert mit der Arbeitgeberabgabe, wusste Baumgartner.

Es gebe noch viele andere Modelle, erklärte sie, heute habe man eine aus Kemptener Sicht interessante Auswahl präsentieren wollen.

Konkrete Vorschläge für Kempten

Im zweiten Teil des Vortrages ging es um konkrete Anregungen für den Haushalt 2026. Dort sind für den Bereich ÖPNV 1.860.000 Euro an Ausgaben und 391.000 Euro an Einnahmen eingeplant.

Folgende Einsparmöglichkeiten schlägt die Verwaltung vor: 1. Die Rabattierung der Abo-Card von 50 auf 40 Prozent zu senken (17 bis 25 Prozent sind marktüblich); 2. Den 2022 bei der Abschaffung der Zone Kempten 2 eingeführten zusätzlich von der Stadt gezahlten Ausgleich abzuschaffen. 3. Schwach genutzte Buslinien am Wochenende nur im Zwei-Stunden-Takt zu fahren.

Folgende zusätzliche Einnahmequellen könnten erschlossen werden: 1. Mit den Gemeinden Waltenhofen und Lauben über eine finanzielle Beteiligung sprechen, 2. Sponsoring für die Spätbusse während der Allgäuer Festwoche einführen, 3. Werbung auf den DFI-Anlagen (Digitale Fahrgastinformation) platzieren.

Über die Vorschläge und Möglichkeiten werde man bei der Vorbereitung der Haushaltsaufstellung genau reden, versprach der Oberbürgermeister.

Feste, Konzerte, Ausstellungen: Was man in Kempten und Umgebung unternehmen kann, lesen Sie im Veranstaltungskalender.

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