Lesung über den „Riesen vom Tegernsee“: Die Geschichte fasziniert bis heute

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Das Leben des größten Bayers und seiner Familie beschrieb Professor Andreas Nerlich bei der Lesung im Gmunder Jagerhaus. © Stefan Schweihofer

Die Geschichte rund um den „Riesen vom Tegernsee“ fasziniert die Menschen bis heute. Bei einer Lesung in Gmund ließ der Autor des Buchs „Der größte Bayer“ die 150 Jahre zurückliegenden Ereignisse lebendig werden.

Gmund - Zweimal binnen weniger Wochen hat der Münchner Pathologe Professor Andreas Nerlich sein neues Buch über Thomas Hasler, den „Riesen vom Tegernsee“, im Tegernseer Tal präsentiert. Dass zur Vorstellung am Samstagvormittag (26. April) im Gmunder Jagerhaus lediglich 15 Interessierte fanden, wohingegen die Veranstaltung Anfang April dem Museum Tegernseer Tal ein volles Haus beschert hatte, war – so vermuteten die Gmunder Heimatfreunde als Veranstalter – wohl den Beerdigungsfeierlichkeiten von Papst Franziskus geschuldet. Nichtsdestotrotz erwies sich der Stoff über das „Leben und Leiden von Thomas Hasler, dem Riesen vom Tegernsee“ – so der Untertitel des Buchs „Der größte Bayer – und seine Familie“ – als enorm spannend.

Der 2,35 Meter große Thomas Hasler starb mit nur 25 Jahren

Das lag in erster Linie an der Aufbereitung der 150 Jahre zurückliegenden Geschehnisse durch Professor Nerlich. Er erinnerte nicht allein an den jungen, 2,35 Meter großen Mann, der 1876 mit nur 25 Jahren starb. Der Autor schuf ein ganzes Sittengemälde, indem er die gesamte Familiengeschichte der Haslers vom Grundnerhof in Holz und ihre Verflechtungen im ganzen Oberland bis nach Bayrischzell und Oberaudorf darlegte.

Da war von Anzeigen wegen „liederlicher Gesellschaft“, Umhervagabundieren, Gerichtsverfahren, Zuchthausaufenthalten und finanziellen Nöten die Rede. Aber auch von bis heute erfolgreichen Unterfangen. Es gab Verbindungen zum Gmunder Viehzüchter Max Obermaier, zum Bankier Heinrich Johann Merck, zum Physiker Max Planck und zum Industriellen Ernst Sachs.

Heimatpfleger Beni Eisenburg half bei der Entstehung des Buchs

All das ordnete Andreas Nerlich „unter der tatkräftigen Mithilfe von Benno Eisenburg“ – wie es auf dem Deckblatt des Buches heißt – souverän ein. Nerlich lässt die Hasler-Geschichte in den vielen Abbildungen von Dokumenten und Zeitungsberichten, historischen und aktuellen Fotografien im Buch wie auch im Vortrag aufleben. Heimatforscher Eisenburg trug seine Ergebnisse und das Gedicht „Das Leben ist wie ein Kegelspiel“ bei. Zusammen nahmen sie die Zuhörer gleichsam mit auf eine historische Zeitreise wie auch zu den zahllosen Recherchefahrten ins Oberland.

Buch zeigt: Wissenschaftliche Recherche kann spannend sein

Aber auch das macht den Charme der Arbeit aus: Nerlich zeigt, wie spannend wissenschaftliche Recherche sein kann. Sein Buch ist das beste Beispiel dafür, dass Pathologie und Medizin-Geschichte mitreißend sein können wie ein Krimi. Thomas Hasler, der mit neun Jahren von einem Pferd gegen den Kopf getreten wurde und daraufhin explosionsartig wuchs, sodass er mit elf Jahren die Schule verlassen musste, weil er nicht mehr in die Schulbank passte, trug Filzpantoffeln in Größe 52,5. Als er etwa 14 Jahre alt war, stürzte er und brach sich den Schenkelhals und das Wadenbein.

„Entdeckt“ wurde der menschenscheue Hasler mit den „Bärenkräften“, der monströsen Wucherung am Kopf, der fahlen Hautfarbe und dem schlechten Sehvermögen durch die Ärzte Paul Gschwändler, Sohn des „Baderwastls“ aus Gmund, dem Tegernseer Bezirksarzt Aloys Rosner und Dr. Carl Theodor Herzog in Bayern. Erforscht wurde er vom damaligen Leiter des Münchner Pathologischen Universitätsinstituts, Ludwig Buhl.

Thomas Hasler hatte sich als Taglöhner durchgeschlagen

Aus einem Zeitungsbericht einer Anny Schaefer von 1945 geht hervor, dass Hasler 500 Gulden dafür erhielt, dass er seinen Körper nach dem Tod der Wissenschaft überließ. Das Geld verlebte er. Bis zu seinem plötzlichen Tod 1876 aufgrund einer „Gehirnlähmung“ arbeitete er als Taglöhner. Dass er, wie 1906 in den Münchner Neuesten Nachrichten berichtet, auf dem Oktoberfest wie andere „Riesen“ ausgestellt wurde, bezweifelt Nerlich. Er glaubt vielmehr, dass Thomas Hasler zu Gast auf der Wiesn war, wo seine Taufpatin eine Wirtsbude betrieb.

Bis heute beschäftigt der „größte Bayer“ die Menschen und die Wissenschaft, die 1997 offenbarte, dass Hasler aufgrund eines genetischen Defekts einen hormonbildenden Tumor an der Hypophyse hatte, der für das enorme Knochenwachstum verantwortlich war. Und mahnend erinnerte Andreas Nerlich mehrmals: „Alles, was nicht aufgeschrieben wird, ist irgendwann weg.“

ak

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