„Verrat“ an der Ukraine: Europa empört über Trumps Friedensplan wegen falscher Zugeständnisse
Die USA verstärken die Diplomatie, um den Ukraine-Krieg zu beenden. Trumps Gespräch mit Putin stößt auf Kritik. Vorwürfe eines „Verrats“ werden abgelehnt.
Washington D.C. – Schon vor seinem Wahlsieg hieß es von US-Präsident Donald Trump, er werde den Ukraine-Krieg sehr schnell beenden, sollte er ins Weiße Haus einziehen. Sein Versprechen, den Krieg in 24 Stunden zu beenden, konnte er nicht einlösen. Doch das jüngste Telefongespräch mit Kreml-Chef Wladimir Putin scheint das Ziel näher gerückt zu haben. Europa ist allerdings besorgt: Die Zugeständnisse an Putin führen zu Kritik.
Trump spricht mit Putin: US-Verteidigungsminister sieht kein „Verrat“
US-Verteidigungsminister Pete Hegseth ist jedenfalls überzeugt, dass die USA richtig verfahren. Er hat Präsident Trumps geplante Verhandlungen mit Putin über ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine verteidigt. „Das ist kein Verrat“, sagte er am Rande eines Nato-Verteidigungsministertreffens in Brüssel als Antwort auf eine Frage des Senders Sky News. Zuvor hatte der demokratische US-Senator Richard Blumenthal von „Kapitulation und Verrat“ gesprochen. Auch sein Kollege Adam Schiff von den Demokraten hatte den Vorstoß der Trump-Regierung kritisiert.
Hegseth betonte, kein Land habe die Ukraine mehr unterstützt als die USA. Doch auf der ganzen Welt und auch in den USA gebe es Interesse an einem Ende des Konflikts, um das Töten zu beenden, wie Trump es gesagt habe. Dafür müssten beide Seiten Dinge anerkennen, die sie nicht wollten. Trump habe durch seine Telefonate mit Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gezeigt, dass er der Einzige sei, der beide Seiten für einen Frieden zusammenbringen könne, sagte Hegseth weiter.
USA wollen mit Russland verhandeln: Hegseth sieht Europäer in Verantwortung
Am Rande des Treffens in Brüssel dämpfte Hegseth außerdem die ukrainischen Erwartungen an einer Rückkehr an frühere Grenzen und den Beitritt zur Nato. Man müsse anerkennen, dass die Rückkehr zu den Grenzen vor 2014 – also vor der illegalen Annexion der Halbinsel Krim – eine „Illusion“ sei. Dieses Ziel zu verfolgen, warnte er, würde den Krieg und dessen Leid nur noch verlängern. Zudem hieß es, die Ukraine müsse die Hoffnung auf eine Nato-Mitgliedschaft und die Zurückeroberung an Russland verlorener Gebiete aufgeben.
Bei seinen Bemerkungen unterstrich Hegseth zudem, die Verantwortung zur Unterstützung der Ukraine liege hauptsächlich bei Europa. Denn: „Strategische Realitäten“ wie etwa die Bedrohung durch China oder die Debatte um Grenzsicherheit würden die USA daran hindern, sich auf europäische Angelegenheiten zu fokussieren.
Meine News
Aus der Ukraine kam auch schon die erste Reaktion auf Hegseth. Der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerow sagte, die Ukraine wolle und werde eines Tages Mitglied der Nato werden. Gleichzeitig wolle sein Land auch ein europäisches Land werden, zitierte ihn die ukrainische Agentur RBC Ukraine.
Europa in Sorge: Scholz warnt vor Diktatfrieden, Pistorius kritisiert „bedauerliche“ Zugeständnisse
Die Aussagen der Trump-Regierung zu einem Verzicht auf den Nato-Beitritt oder die Unmöglichkeit der Rückkehr früherer Grenzen liegen selbstverständlich ganz im Interesse Russlands und sorgen für Besorgnis in Europa. Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew etwa kommentierte das Telefongespräch zwischen Trump und Putin in einem Post im Kurznachrichtendienst Telegram. So schrieb er: „Die eifrige Jungfer Europa ist verrückt vor Eifersucht und Wut.“ Er sagte, Europa sei weder vor dem Gespräch zwischen Putin und Trump gewarnt noch zu dessen Inhalt beraten worden. Weiter hieß es: „Es zeigt seine wahre Rolle in der Welt. Europas Zeit ist vorbei.“
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warnte am vor einem „Diktatfrieden“ auf Kosten der Ukraine. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) nannte diese US-Zugeständnisse an Putin „bedauerlich“. Er warnte am Rande des Nato-Verteidigungsministertreffens zudem, die Europäer dürften bei den Gesprächen zwischen Trump und Putin „nicht am Katzentisch“ sitzen“. Pistorius bezeichnete es als „naheliegend“, dass Deutschland als größte Volkswirtschaft in Europa dabei eine Rolle spielen müsse.
Nato-Generalsekretär Rutte nannte es „entscheidend“, dass Kiew in alles eingebunden sei, „was die Ukraine betreffen könnte“. Zudem müsse jegliche Friedensvereinbarung „dauerhaft“ sein. Es dürfe kein weiteres „Minsk“ geben, sagte er mit Blick auf das von Deutschland und Frankreich vermittelte Abkommen von 2015, nach dem Putin die Ukraine weiter angegriffen hatte. Trump hatte im Telefonat mit Putin nach eigenen Worten einen „unverzüglichen“ Beginn von Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine vereinbart.
Trump will Ukraine-Krieg beenden: Ex-US-Diplomat kritisiert „große Zugeständnisse“ an Putin
Auch eine erfahrene Stimme aus den USA meldete sich mit Kritik zu Wort: der ehemalige US-Botschafter in Moskau, Michael McFaul. Das Team von Trump habe bereits begonnen, öffentlich zu verhandeln, sagte McFaul in einem Interview des Stern mit Blick auf Aussagen von US-Verteidigungsminister Pete Hegseth – und dabei „große Zugeständnisse“ an Putin gemacht.
Aus eigener Erfahrung wisse er, dass Putin ein sehr hartnäckiger Verhandlungsführer sei, sagte der Politik-Professor an der Universität Stanford. „Alles ist für ihn eine Transaktion. In dieser Hinsicht sind er und Trump sich sehr ähnlich“, sagte McFaul. Deswegen sei er äußerst überrascht, dass Trumps Verhandlungsführer Putin bereits belohnten, bevor die Verhandlungen überhaupt begonnen hätten.
„Das ist nicht die Art und Weise, wie man verhandelt - erst recht nicht mit den Russen.“ Dass die USA keine Soldaten in die Ukraine sendeten, müsse etwa Teil eines Abkommens sein und Washington dafür etwas im Gegenzug bekommen, argumentierte er. Es sei zudem „einfach absurd“, dass Trump denke, er könne mit Putin verhandeln und Selenskyj anschließend informieren. „Das wird nicht funktionieren.“ Der entstandene Eindruck – dass Putin und Trump über die Köpfe der Ukrainer hinweg verhandeln können – sei ein sehr schlechter Start.
Trump spricht mit Putin: Selenskyj äußert sich beruhigt und will Russland zum Frieden „drängen“
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und die Chefdiplomaten aus Frankreich, Polen, Großbritannien, Spanien und Italien erklärten sich am Mittwochabend in Paris grundsätzlich bereit, die „Unterstützung für die Ukraine zu verstärken“. In Verhandlungen müsse die „Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität“ der Ukraine geachtet werden, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung, die auch der Europäische Auswärtige Dienst und die EU-Kommission unterzeichneten.
Trump telefonierte nach seinem Gespräch mit Putin auch mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj. Dieser äußerte sich danach zuversichtlich. In seiner abendlichen Videobotschaft sagte er: „Wir glauben, dass die Stärke Amerikas ausreicht – zusammen mit uns, zusammen mit all unseren Partnern –, um Russland und Putin zum Frieden zu drängen.“ (bb/dpa)