„In die Mülltonne“: Rechtsextreme verteilen Flugblätter an Münchner Schule

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. München

Kommentare

Flugblätter der Identitären Bewegung tauchen an einem Münchner Gymnasium auf. Die Schule informiert Eltern und bespricht das Thema im Unterricht.

München – Das Willi-Graf-Gymnasium am Scheidplatz in München macht sofort klar: Rechtes Gedankengut hat hier keinen Platz. Ein großes Plakat mit der Figur „Uncle Sam“ begrüßt die Besucher im Treppenhaus vor dem Sekretariat und fordert zu einem respektvollen Umgang miteinander auf. Die Buchstaben sind in den Farben verschiedener Pride-Flaggen der LGBTQ+ Community gestaltet. Umso erschütternder waren die Aktionen der rechtsextremen Identitären Bewegung für die Schule.

Identitäre Bewegung hängt rechtsextremes Transparent gegenüber Schule auf

Am Mittwochnachmittag, dem 14. Mai, gegen 13 Uhr, hängten Mitglieder der als „rechtsextremistisch“ eingestuften Identitären Bewegung ein Transparent gegenüber der Schule auf. Sie zündeten Pyrotechnik mit blauem Rauch und riefen rechte Parolen. Der Schulleiter des Willi-Graf-Gymnasiums, Dominik Blanz, berichtete unserer Redakteurin von dem Vorfall.

In Fahrradkörben und in der Sporthalle des Willi-Graf-Gymnasiums wurden Flugblätter der rechtsextremen Identitären Bewegung gefunden.
In Fahrradkörben und in der Sporthalle des Willi-Graf-Gymnasiums wurden Flugblätter der rechtsextremen Identitären Bewegung gefunden. © Imke Rauhut

Nachdem eine Gruppe von Achtklässlern die Rechtsextremen konfrontiert und die Schulleitung informiert hatte, rief Blanz sofort die Polizei. Die Täter flohen daraufhin in den nahegelegenen Luitpoldpark. Die Pressestelle des Polizeipräsidiums München bestätigte: „Unser Kommissariat 44 hat Ermittlungen wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz und das Sprengstoffgesetz aufgenommen“, erklärte Polizeihauptkommissar Sven Müller.

Blanz erzählte weiter: „Zum Glück haben einige Schülerinnen und Schüler die Aktion von ihren Fenstern aus gefilmt.“ In einem der Videos ist zu hören, wie ein Schüler laut „Verpisst euch!“ ruft. Der Schulleiter betonte: „Die Schülerinnen und Schüler positionieren sich da klar dagegen. Das ist angewandte Demokratieverteidigung.“

Schulleiter steht für Demokratie an seinem Gymnasium ein

Die Verteidigung der Demokratie sieht Blanz als zentrale Aufgabe des Gymnasiums. „Wir sind explizit eine Schule der Vielfalt. Wir setzen uns ein für Toleranz, Menschlichkeit und Demokratie“, unterstrich er. Die Aktionen der Rechtsextremen belasten den Schulleiter sichtlich.

Erst vor einer Woche wurden an mehreren Schulen in Deutschland Flugblätter der Identitären Bewegung verteilt, auch am Willi-Graf-Gymnasium. Blanz berichtete: „In der Früh kam eine Lehrkraft aus dem Sportbereich und hat mir ein Flugblatt gebracht. Die wurden in der Sporthalle verteilt, was zeigt, dass sie das Schulgelände betreten haben müssen.“ Später brachten auch Schülerinnen und Schüler die Flugblätter. „Wir haben sie dann dorthin entsorgt, wo sie hingehören: in die Mülltonne.“ Auf den Flugblättern prangte der Slogan „Lehrer hassen diese Fragen“, begleitet von ausländerfeindlichen Aussagen und der Aufforderung, sich der rechtsextremen Bewegung anzuschließen.

(Unser München-Newsletter informiert Sie regelmäßig über alle wichtigen Geschichten aus der Isar-Metropole. Melden Sie sich hier an.)

Eltern der Kinder informiert: Rechtsextreme Flugblätter in Unterricht thematisiert

Blanz informierte die Eltern und bat sie, die Inhalte der Flugblätter mit ihren Kindern zu besprechen. Auch das Kollegium wurde aufgefordert, die Flugblätter im Unterricht zu thematisieren. Zudem meldete er den Vorfall der Fachstelle für Demokratie und erstattete bei der Polizei München Anzeige wegen Hausfriedensbruchs. „Es war völlig klar, deswegen Anzeige zu erstatten. Gut möglich, dass nichts weiter geschehen wird, aber es geht auch um die Botschaft.“

Für Blanz ist der Hintergrund der Aktionen eindeutig: „Die Identitäre Bewegung will die Grenzen verschieben und das Unsagbare sagbar machen. Sie wollen den Kindern in die Köpfe kriechen.“ Die Schule hingegen ist in ihrem Wertesystem ganz anders ausgerichtet. Blanz wies auf das Wort „hassen“ auf dem Flugblatt hin: „Hier sieht man es ganz deutlich. Die sind von Hass dominiert. Wir aber behandeln unsere Schülerinnen und Schüler mit Liebe. Vielleicht hat das denen damals gefehlt in ihrer Erziehung.”

Willi-Graf-Gymnasium ist nach Widerstandskämpfer aus der NS-Zeit benannt

Das Willi-Graf-Gymnasium trägt den Namen eines Mitglieds der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“. Die Schulwerte sind stark von dessen antinationalistischer Haltung geprägt. Blanz erklärte: „In der fünften Klasse lernen die Kinder bei uns schon über das Leben, Wirken und Schicksal von Willi Graf. Unsere Abiturienten erhalten zum Abiturzeugnis eine weiße Rose. Bei der Abiturfeier wird seine Büste immer rührend geschmückt.“ Er fügte hinzu: „Ich sage immer: Er ist unser wichtigster Lehrer.“

Blanz betonte die Notwendigkeit des Zusammenhalts: „Man kann dem sogar etwa positives abgewinnen. Solche Vorfälle lassen uns als Schulfamilie nur noch enger zusammenrücken. Wir lassen uns nicht einschüchtern.“ Dennoch äußerte er auch Bedenken: „Es könnte natürlich zur Folge haben, dass sich das Ganze aufschaukelt.“

Bayerische Kultusministerin äußert sich

Auch Kultusministerin Anna Stolz von den Freien Wählern äußerte sich nach der Flugblattaktion deutlich: „Flugblätter der Identitären Bewegung haben an unseren Schulen nichts verloren. Wir müssen unsere Demokratie vor ihren Feinden schützen“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. „Und deswegen müssen wir auch unsere Kinder stark machen. So stark, dass sie auch gezielte Desinformation erkennen und menschenfeindlicher Propaganda entgegentreten.“

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter von der SPD lobte die Schüler und Lehrer, die die Täter gestört und vertrieben hatten, für ihre Zivilcourage.

Auch interessant

Kommentare