Deutsche Rüstungsindustrie: „Made in Germany“ plötzlich ein Makel – „German-free“ wird bevorzugt

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Die deutsche Rüstungsindustrie hat aufgrund diverser Kriege Hochkonjunktur. Jedoch scheint das Qualitätsmerkmal „Made in Germany“ international Kratzer zu erleiden.

Berlin/München - Globale Konflikte führen dazu, dass die Auftragsbücher der Rüstungsindustrie gut gefüllt sind. Das deutsche Beispiel verdeutlicht den Trend: Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs erteilte die Bundesregierung im Jahr 2023 Genehmigungen für Rüstungsexporte in Rekordhöhe

Von den insgesamt etwa 12,2 Milliarden Euro entfallen alleine auf die Unterstützung der Ukraine etwa 4,4 Mrd. Euro, also mehr als ein Drittel. So profitieren auch hiesige Rüstungsunternehmen von der bedrohlicher gewordenen Sicherheitslage, die einen größeren Fokus auf die Landesverteidigung nach sich zieht.

Rüstungsgüter „made in Germany“: Deutscher Standort geschwächt?

Obwohl Erzeugnisse aus deutscher Produktion traditionell einen guten Ruf vorweisen, scheint der Begriff „Made in Germany“ Einbußen zu erleiden. Das suggeriert ein Bericht der Welt, welcher sich mit den Problemen des hiesigen Wirtschaftsstandortes im Bereich Waffenproduktion beschäftigt. 

Demnach werden Rüstungsgüter aus der Bundesrepublik international zunehmend skeptisch betrachtet. Das betreffe auch Geräte, an deren Fertigung Deutschland lediglich beteiligt ist, wie zum Beispiel der Eurofighter. Der Kampfjet taugt als Paradebeispiel für die Kritik, die vom Chef von Airbus Helicopters Deutschland geäußert wird. 

„Bei Kunden und in bestimmten Märkten wird mehr und mehr darüber nachgedacht, ob sie sich bei der Auswahl ihrer Produkte in die Abhängigkeit der Entscheidungshoheit Deutschlands begeben wollen“, erklärt Stefan Thomé. Ihm zufolge gebe es immer mehr potenzielle Abnehmer, die sich für ein Militärprodukt interessieren, dieses aber „German free“ sein müsse - „unabhängig von deutschen Entscheidungsprozessen“.

Rüstungsindustrie: „alarmierende“ Probleme mit deutscher Bürokratie

Die Zweifel basieren weniger auf der mangelnden Qualität der Rüstungsgüter, als vielmehr den bürokratischen Umständen in Deutschland, zum Beispiel durch langwierige Entscheidungsprozesse. Für den Standort sei dies nach Angaben von Thomé eine bedenkliche Entwicklung: „Märkte fangen an zu reagieren. Wir sind dadurch bereits erheblich behindert und ich bin alarmiert.“

Rüstungsgüter „made in Germany“: Der Ruf deutscher Erzeugnisse hat international offenbar gelitten
Rüstungsgüter „made in Germany“: Der Ruf deutscher Erzeugnisse hat international offenbar gelitten. © Norbert Fellechner/Imago

Der Welt zufolge gehören mitunter die am Eurofighter Typhoon beteiligten Unternehmen zur Sorgenfraktion: Sowohl die Türkei als auch Saudi-Arabien beabsichtigen den Kauf zahlreicher Kampfjets, die Bundesregierung verweigert jedoch die Freigabe an den Deals, welche dem Hersteller-Konsortium (neben Airbus sind BAE Systems und Leonardo beteiligt) Milliarden-Einnahmen bescheren würden. 

Bei Saudi-Arabien sei die Einbindung in den Jemen-Konflikt der ausschlaggebende Faktor, bei Nato-Partner Türkei wird mitunter über die Hängepartie im Hinblick auf den Nato-Beitritt Schwedens spekuliert. Ein Treffen zwischen Präsident Recep Tayyip Erdoğan und Scholz im November brachte bezüglich Eurofighter-Deal offenbar kein Ergebnis.

Waffenproduktion „made in Germany“: Bei Rheinmetall rollt der Rubel - Airbus äußert Kritik

Inwieweit die von Airbus-Manager Thomé geäußerte Kritik auf andere Hersteller zutrifft, ist unklar. Beim deutschen Konkurrenten Rheinmetall floriert das Geschäft mit Rüstungsexporten. Zum einen stehen Aufträge im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg zu buche, zum anderen ist Deutschlands Nato-Verbündeter Ungarn ein dankbarer Abnehmer für Rüstungsgüter „made in Germany“. Unsere Anfrage zu diesem Thema hat der Rüstungskonzern Stand jetzt noch nicht beantwortet. 

Laut Thomé von Airbus Helicopters gebe es bestimmte Regionen der Erde, in denen Rüstungsgüter „made in Germany“ zunehmend kritisch betrachtet werden: Dazu gehören den Angaben zufolge der Mittlere und Nahe Osten sowie Nordafrika und Mittel- sowie Südamerika. Konkret befürchtet der 51-Jährige, dass internationale Kooperationspartner Wege suchen, deutsche Anteile an einer Produktion zu drosseln: „Der Dominoeffekt auf den Wirtschaftsstandort Deutschland und die Glaubwürdigkeit des Bündnispartners Deutschland wäre gravierend.“

Rapid Viking 2023
An der Bundesregierung scheitert derzeit die Genehmigung für lukrative Eurofighter-Deals mit Saudi-Arabien und der Türkei. © Britta Pedersen/dpa

Die Türkei machte laut heimischen Medien derweil klar, dass man im Falle eines Scheiterns der geplanten Eurofighter-Übernahme Alternativen in der Tasche habe. Dabei kursiert auch der Name des russischen Kampfjet-Pendants Sukhoi Su-35.

Rüstungsexporte aus Deutschland: Airbus kritisiert „unwägbare Prozesse“

Nicht nur schleppende Bewilligungsverfahren und drohende Ausfuhrstopps seitens des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) seien ausschlaggebend für die Bedenken von potenziellen Abnehmerländern. Dazu würden „unwägbare Prozesse“ kommen, führt der Airbus-Manager aus. Das betreffe die Produkte selbst, aber auch Alltagsabläufe wie Wartungsarbeiten, Ersatzteile oder Software.

Vor wenigen Monaten äußerte bereits der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) Kritik an der teils zögerlichen Haltung der Bundesregierung im Hinblick auf Rüstungsexporte. Während andere Länder „alles in ihren Möglichkeiten Stehende tun, um diese Industrie zu stärken und im internationalen Wettbewerb nach vorne zu bringen“, würde der Standort „made in Germany“ von einer „restriktiven Rüstungsexportpolitik“ geschwächt werden. Das wirke sich negativ auf die Auftragslage und damit die Konjunktur aus. (PF)

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