Streit mit Habeck: Merz platzt bei Illner der Kragen – „Fahren Karren richtig in den Dreck“

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Zwei Stühle, zwei Meinungen: Robert Habeck (l.) und Friedrich Merz kommen in der Diskussion bei Maybrit Illner beim Thema Wirtschaft nicht auf einen Nenner. © Screenshot ZDF

Die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, zählt zu den größten Herausforderungen der Ampel-Regierung. Friedrich Merz hat da große Bedenken.

Berlin – Über eine Stunde lang ging es höchst diszipliniert zu zwischen den beiden Gästen von ZDF-Moderatorin Maybrit Illner. Vizekanzler Robert Habeck und Oppositionsführer Friedrich Merz hörten sich fast durchgehend geduldig zu. Doch als am Ende der schnellste Weg aus der Wirtschaftskrise zur Sprache kam, war es vorbei mit der Höflichkeit.

Der Wirtschaftsminister warf der Union angesichts einer Aufschwung-Rechnung von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann ein „Ammenmärchen“ und „reine Oppositionsberechnung“ vor, der CDU-Chef kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. Und dann redeten beide durcheinander, sodass Illner dazwischenfahren musste, um den Vorhang offiziell fallen zu lassen.

Merz und Habeck bei Illner: Oppositionsführer und Wirtschaftsminister diskutieren über Deutschland

„Ich hätte nicht gedacht, dass das am Ende nötig ist, aber hier muss ich dazwischen und sagen: Jetzt müssen wir stoppen“, bremste Illner den in Fahrt kommenden Disput abrupt aus. Sicher war da schon längst: Bei der titelgebenden Frage „Was braucht Deutschland jetzt?“ sind sich Habeck und Merz nicht wirklich grün.

Zuvor hatten sich beide bei Themen wie der Sicherheitslage und der langjährigen Abhängigkeit von Wladimir Putins Gas beharkt, aber dabei stets Contenance gewahrt. Mit Blick auf den tödlichen Messerrangriff auf einen Polizisten im Zuge einer islamkritischen Kundgebung in Mannheim kamen schnellere Abschiebungen auch nach Afghanistan auf den Tisch.

Robert Habeck (l.) und Friedrich Merz diskutieren
Einer redet, der andere hört zu: So gesittet lief es zwischen Robert Habeck (l.) und Friedrich Merz bei Maybrit Illner nur bis kurz vor dem Abspann ab. © Screenshot ZDF

Merz geht Habeck an: „Sie fahren den Karren erst richtig in den Dreck“

Hitziger ging es bei der Frage zu, wer für Deutschlands Wirtschaftssorgen verantwortlich ist. Habeck verwies auch auf Nord Stream 2. Doch so einfach wollte Merz den einstigen Grünen-Chef nicht von einer Mitschuld an der misslichen Lage der Industrie freisprechen: „Sie sagen, diese Regierung fängt an, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Sie fahren ihn gerade richtig rein.“

Der mögliche nächste Kanzler, der mit seiner Partei in Umfragen stabil auf Platz eins landet, redete sich regelrecht in Rage: „Die Lage ist dramatisch schlecht. Dem Bundesfinanzminister ist das peinlich. Und der Bundeskanzler sagt, es ist alles prima.“ Einmal die komplette Ampel-Führungsriege abgewatscht – Opposition in Reinform.

Merz über die deutsche Wirtschaft: „Ende nächsten Jahres Schlusslicht in ganz Europa“

Weiter stellte Merz „eine massive Investitionsschwäche unserer Wirtschaft“ fest. Es sei dringend geboten, gegenzusteuern: „Wenn Sie so weitermachen, Herr Habeck, dann ist dieses Land Ende nächsten Jahres, wenn Sie abtreten in dieser Bundesregierung, wirtschaftspolitisch endgültig das Schlusslicht in ganz Europa.“

Und weiter im Text: „Was Sie in der Wirtschaftspolitik machen – wenn man überhaupt von Wirtschaftspolitik sprechen kann –, ist ein einziges Desaster.“ In jedem Satz wird offensichtlich: Der 68-Jährige hält sein Gegenüber für eine Fehlbesetzung, auch wegen des Heizungsgesetzes.

Video: Die entmerkelte CDU ist Merz‘ Erfolg

Habeck reagiert auf Merz-Vorwurf: „Tut so, als ob es eine Wirtschaftspolitik gibt“

Habecks Reaktion? Er betonte, dass die Wurzeln allen Übels bereits länger zurückliegen. „Die Fachkräftelücke haben wir geerbt, und dass sie größer geworden ist auch“, schimpfte der 54-Jährige in Richtung Vorgängerregierungen unter Angela Merkel: „Es ist an keiner Stelle ausreichend dagegen angearbeitet worden.“

Als Beispiele erwähnte er die Zuwanderung, das Rentensystem und auch die Schwierigkeit für Frauen, Kinder und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Auch marode Brücken und das nicht unbedingt vorzeigbare Internet, das in Deutschland Mut zur Lücke beweist, kam zur Sprache.

Direkt an den CDU-Vorsitzenden gewandt, fuhr Habeck fort: „Herr Merz tut so, als ob es eine Wirtschaftspolitik gibt, und die kann man besser oder schlechter machen. Das ist aber ein fundamentaler Fehler. Ich würde sagen, ein Fehler, der die Realität ausblendet.“ Die Lage am Markt habe sich gewandelt, China sei als „systematischer Rivale“ anzusehen.

Merz contra Habeck: Industriepolitik der Ampel-Regierung „am Ende“

Merz aber legte noch einmal nach und befand, Habecks Industriepolitik sei „am Ende“. Sein Vorwurf zielte auch darauf ab, dass die Unternehmen nicht alle gleich mitgenommen werden.

Ziel müsse aber sein, „dass wir für die gesamte Industrie in Deutschland Wettbewerbsbedingungen schaffen, die unabhängig vom politischen Willen einer Regierung in Berlin in Deutschland produzieren können. Sie meinen, dass Sie sich die politischen Industrien aussuchen können, nach ihren politischen Vorstellungen.“ Die Aufgabe der Politik liege darin, „Rahmenbedingungen zu schaffen, die möglichst der gesamten Industrie in Deutschland eine Perspektive geben“.

Offensichtlich ein Hinweis darauf, dass Habeck Unternehmen zu umweltfreundlicherem Wirtschaften bewegen will und dies entsprechend fördert. Es wird in der Diskussion auf jeden Fall deutlich, dass zwischen den wirtschaftspolitischen Vorstellungen von Habeck und Merz eine größere Lücke klafft als in vielen Fragen innerhalb der Ampel-Regierung. (mg)

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