Erich Kurtz: Von Durach tausend Kilometer im Segelflug
Erich Kurtz legt mit seinem Segelflugzeug in zehn Stunden über tausend Kilometer zurück.
Nach dem Auszug der Westallgäuer Luftsportgruppe vom Flugplatz Durach startet dort nur noch selten ein Segelflugzeug. Vereinsmitglied Erik Kurtz aus Altusried nutzt dort gelegentlich die Möglichkeit zu einem Start für einen schönen Alpenflug. Dazu könnte man sagen: „wenn schon – dann richtig“. Denn bei einem dieser Starts katapultierte sich Kurtz mit einem Streckenflug von exakt 1009 Kilometern und rund zehnstündiger Flugdauer in die Spitzenklasse der deutschen Segelflug-Piloten. Erstmals wurde diese Leistung vom Flugplatz Durach aus erbracht. Dazu Kurtz: „Sehr wichtig ist die mentale Vorbereitung auf so einen Flug. Man muss es in der Vorstellung mehrfach durchgespielt haben. Vor Jahren schien mir diese Leistung unerreichbar, doch mit jedem guten Flug wird es mehr und mehr vorstellbar, dass es geht.“
Tausend Kilometer Segelflug: Rekordstrecke im Jojoflug
Die Strecke entspricht der Distanz von Durach bis Kopenhagen, die als Streckenflug mit einem Segelflieger natürlich utopisch ist. Die meteorologischen Bedingungen und damit die thermischen Verhältnisse, die für die notwendigen Aufwinde sorgen, wären zu unterschiedlich und die Luftraumbeschränkungen für den Segelflug zu umfangreich. Der Rücktransport des Fluggerätes zum Ausgangspunkt wäre noch das geringste Problem. Der Segelflug-Pilot muss also für eine solche Höchstleistung eine besondere Taktik wählen, den sogenannten Dreiecks- oder Jojoflug. Das ermöglicht ihm, den ganzen Tag über in einem thermisch stabilen Gebiet, in diesem Fall den Alpen, zu fliegen. Je nach Tageszeit treffen die Sonnenstrahlen mehr oder weniger senkrecht auf die zugewandten Bergflanken, wodurch sich die Umgebungsluft in dem betreffenden Gebiet stärker erwärmt als im Flachland und die vom Segelflieger erwünschte aufsteigende Warmluft erzeugt wird. Einfach gesagt, müssen in den Morgenstunden die Ostflanken, in der Nachmittagssonne bevorzugt die Westflanken der Berge angeflogen werden.
Rekordsegelflug: Ein kleines Wunder hilft
Kurtz flog also an diesem Morgen vom Wertacher Hörnle den ersten Schenkel des Jojos in östlicher Richtung über das Karwendelgebirge und erreichte gegen Mittag seinen ersten Wendepunkt östlich der Dachsteingruppe über dem Ennstal. (Bei unserem gedanklichen Flug in die dänische Hauptstadt hätten wir Würzburg passiert.) Über fünf Stunden dauerte dann der Rückflug in westlicher Richtung über die Luftraum-Beschränkungszone von Innsbruck, über die der Pilot berichtet: „Zur Querung der Kontrollzone muss man sich vom Fluglotsen den Durchflug genehmigen lassen. Der achtet akribisch darauf, dass sich Segelflieger und Airliner, von uns auch liebevoll ,fliegende Milchlaster’ genannt, nicht zu nahe kommen.“ Bad Ragaz in der Schweiz war dann der zweite Wendepunkt. (In Richtung Kopenhagen hätten wir schon Hannover überflogen.)
Jetzt wurde dem Piloten klar, dass der magische Tausender heute erreichbar war, aber dann musste er den dritten Schenkel verlängern, also ging es über das Ziel Durach hinaus bis in die Gegend von Kiefersfelden. Von dort heimwärts ließ am Spätnachmittag die Kraft der Sonne logischerweise nach, die Thermik ebbte ab. Der Erfolg war, dass am Fernpass die Höhe gerade noch reichte um Durach zu erreichen, aber nicht die magische 1000-Kilometer-Marke. Hoffnung keimte auf, als letzte spärliche Aufwinde am Immenstädter Hörnle noch einen Umweg über Oberstaufen gestatteten, aber der Rückweg schien dann doch bei rund 980 Kilometer auf dem Flugplatz Agathazell zu enden. (Bei unserem virtuellen Flug nach Kopenhagen könnte das – wenig einladend – in der Ostsee enden!) Das kleine Wunder bescherte bei Immenstadt ein kleiner Höhengewinn von 250 Meter und damit die Rückkehr nach Durach und die ersehnten tausend Kilometer, genau 1009.
Unabdingbar: Mentale Stärke des Piloten
In einem Segelflugzeug sitzt der Pilot fest angeschnallt in seinem engen Cockpit und hat so gut wie keine Bewegungsfreiheit. Es ist deshalb schwer vorstellbar, welchen physischen und mentalen Herausforderungen sich der Pilot während eines zehnstündigen Fluges gegenüber sieht. Unablässige Konzentration ist überlebenswichtig, denn der Kampf um die sichere Flughöhe lässt keine Ruhepause zu. Bei einem Absinken auf rund 500 Meter über Grund muss die Ausschau nach einem möglichen Landeplatz Vorrang vor der Suche nach einem Aufwind erhalten und diesem Problem kommt bei einem Flug im Gebirge noch viel dramatischere Bedeutung zu. Dazu der Erfolgspilot: „Die mental anspruchvollsten Momente sind, wenn das Ziel zum Greifen nahe, aber doch nicht sicher ist. So eben, als ich den letzten Wendepunkt bei Oberstaufen umrundet hatte, aber die Chancen 50:50 standen, zu so fortgeschrittener Tageszeit noch den rettenden letzten Aufwind für den Heimflug zu finden.“ Alles in allem: Hut ab vor dieser fliegerischen Leistung und herzlichen Glückwunsch, Erik!
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Willi Diet
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