„Ernsthafte Operation auf der Krim“? Kriegsdoku aus der Ukraine schlägt in Russland Wellen

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Die Rückeroberung der Krim-Halbinsel gehört zu den erklärten Kriegszielen der Ukraine. Eine TV-Doku scheint nun russische Staatsmedien zu verunsichern.

Moskau – Eine TV-Doku versetzt im Ukraine-Krieg ein russisches Staatsmedium in Unruhe: Die Nachrichtenagentur Tass warnte am Montag (11. März) vor einem möglichen Angriff der ukrainischen Armee auf die von Russland besetzte Krim-Halbinsel. Dem Vorwurf liegt ein etwa einstündiger Dokumentarfilm zugrunde, der am Sonntag (10. März) in der Ukraine zu sehen war.

In „Krieg um die See: von Dnipro bis zur Krim“ habe Kyrylo Budanow, Chef des Verteidigungsnachrichtendienstes der Ukraine, die laufenden Militäreinsätze im Schwarzen Meer als „vorbereitende Maßnahmen für eine ernsthafte Operation auf der Krim“ bezeichnet, schreibt auch der ukrainische Militärgeheimdienst auf seiner Website. Auch eine Verbindung zu Kämpfen um einen Brückenkopf am Fluss Dnipro zog der Geheimdienst HUR.

Russland hatte unter Machthaber Wladimir Putin die Krim 2014 völkerrechtswidrig annektiert; die Halbinsel befindet sich seither unter russischer Verwaltung. Tass schrieb nun, die Ukraine habe „die Wiedervereinigung“ der Krim mit Russland „noch nicht anerkannt“. Die übliche Argumentation in Moskau lautet: Die Krim gehöre eigentlich ohnehin zu Russland. Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, hat seinerseits die Rückeroberung der Halbinsel und weiterer durch Russland besetzter Gebiet als eines der zentralen Kriegsziele formuliert.

Krim hat symbolische und strategische Relevanz im Ukraine-Krieg

Dass die Rückgabe der Krim an die Ukraine kein Teil möglicher Friedensverhandlungen sei, hat Russland bereits mehrfach betont. Ein Grund dürfte die von Moskau selbst befeuerte symbolische Bedeutung der Krim sein. Ein anderer die militärisch-strategische Bedeutung der Halbinsel.

Bereitet sich Russland auf einen Angriff der Ukraine auf die Krim-Halbinsel vor? Die Rückeroberung gehört zumindest zum erklärten Kriegsziel von Wolodymyr Selenskyj. © SNA/Imago/Patrick Doyle/The Canadian Press/AP/dpa/Montage: IPPEN.MEDIA

Die Krim ist ein zentraler logistischer Knotenpunkt für russische Truppen in der Südukraine. Der Hafen in Sewastopol ist zudem traditionell der Hauptstützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte. Weiterhin sei dort die „Wartung der Flotte, die Reparaturbasis, mehrere Werkstätten und Flugplätze“ angesiedelt, betonte etwa der Befehlshaber der ukrainischen Marine, Oleksij Nejischpapa. Außerdem befinde sich ein medizinisches Versorgungszentrum ebenso wie Ausbildungseinrichtungen im Hafengebiet.

Verlust der Krim als Anlass für Atomschlag Putins?

Die Bedeutung der Krim verdeutlichen indirekt auch Befürchtungen vor einem russischen Atomschlag bei Verlust der Halbinsel. Gegenüber IPPEN.MEDIA betonte Politikwissenschaftler Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck, dass er einen Einsatz von Atomwaffen grundsätzlich für unwahrscheinlich, aber möglich halte. Ein Auslöser könnte die Rückeroberung der Krim sein. „Eine Rückeroberung der Krim würde den Sturz Putins bedeuten“, sagte Mangott im Interview. „Sollte die Krim gefährdet sein, würde ich nicht ausschließen, dass Putin taktische Atomwaffen einsetzt.“

Zu einer ähnlichen Einschätzung kam auch Brigadegeneral a.D. Helmut Ganser im Interview mit der Frankfurter Rundschau. Ein Verlust der Halbinsel könnten einen „möglichen Triggerpunkt“ darstellen und Putin den Eindruck vermitteln, „dass sie mit dem Rücken zur Wand stehen“, so Ganser. Einen möglichen Einsatz von Nuklearwaffen halte er dann nicht für ausgeschlossen.

Auch Krim im Blick: Selenskyj will Flagge „in jeden Winkel der Ukraine zurückbringen“

Wolodymyr Selenskyj scheint sich von solchen Schreckensszenarien nicht abschrecken zu lassen. Im März 2023 betonte er sein Kriegsziel, die „ukrainische Flagge in jeden Winkel der Ukraine“ zurückzubringen. Auch die USA hatten sich in der Frage um eine Rückeroberung der Krim zu Wort gemeldet. So sagte Ned Price, Sprecher des US-Außenministeriums, im vergangenen Jahr: „Die Krim gehört zur Ukraine“.

Ob die Ukraine ihre Vorhersagen aus dem Dokumentarfilm in die Tat umsetzen, bleibt abzuwarten. Selenskyjs Gegenoffensive ist 2023 unter anderem wegen schlechter Wetterbedingungen und der Versorgung mit Waffen gescheitert. Trotzdem scheint Russland die Bedrohung ernstzunehmen.

Aktuell steht Kiew vor dem Problem, dass den ukrainischen Soldaten die Munition ausgeht. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell wandte sich dazu an die EU-Staaten und betonte, dass die Ukraine Munition „dringend und in großen Mengen“ benötige. Diese Schwäche hat auch Russland erkannt. Wegen ausbleibender Hilfslieferungen aus den USA könne nicht der gesamte Bedarf der Ukraine gedeckt werden, schreibt Tass. Um Unterstützung im Krieg gegen Russland zu erhalten, versuche Selenskyj westliche Staaten durch vereinzelte Aktionen davon zu überzeugen, dass eine reale Chance zur Rückeroberung der Krim gegeben sei. (nhi)

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