Viehscheid im Allgäu: So bringen die „Cowboys“ im September ihre Tiere zurück ins Tal
Für rund 30.000 Rindviecher ist jetzt Schluss mit lustig: Nach vier Monaten Wellness und Freiheit oben auf den Bergen zwischen Buching und Oberstaufen müssen die Tiere wieder hinunter in ihre Ställe und auf die Wiesen im Tal. „Viehscheid“ nennt sich der Alpabtrieb im Allgäu (Termine weiter unten), mancherorts ein touristisches Spektakel, da und dort noch familiär, aber immer und überall mit Schwerstarbeit für Hirten und Treiber verbunden.
Allgäu – Lukas Steurer ist einer dieser Allgäuer „Cowboys“. Schon im Alter von sieben, acht Jahren hat er die Milchkühe und „Schumpen“ (das Jungvieh) von der Alpe Mittelberg hinab nach Immenstadt getrieben. „Du musst laufen können“, erzählt er lachend, „schnell und viel und ausdauernd laufen!“. Nur so kann er als Treiber mit den Rindviechern mithalten, die am Ende des Alpsommers aufgeregt Richtung Tal drängen.
„Und du musst spüren, erahnen, wenn ein Schumpen aus der bergab stürmenden Herde ausbrechen will. Nur so hältst du sie in der Spur.“ Mit etwa acht Hirtinnen und Treibern geleitet er die tierische Masse auf schmalen Alpwegen aus etwa 1.300 Metern Höhe über eine Strecke von acht Kilometern bis zum Scheidplatz unten in Immenstadt.
Kranzkuh führt den Abtrieb im Allgäu an
Seit 19. Mai hat Lukas etwa 30 Milchkühe und 40 Stück Jungvieh auf den meist saftigen Bergwiesen gesömmert. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Sommer, aufgrund des wechselhaften Wetters gab‘s immer genug Gras zu fressen und passiert ist den Tieren auch nichts.“ Das heißt: Beim Viehscheid darf eine festlich geschmückte „Kranzkuh“ die Herde anführen, als sichtbares Zeichen für einen unfall- und verlustfreien Alpsommer 2025.
Lukas und seine Partnerin Alina, dazu Papa Pius, mit 74 der Senior der Alp-Crew von Mittelberg, und weitere Verwandte und Freunde freuen sich auf den Abtrieb am 20. September. „Nach so vielen Wochen hier oben ist man schon froh, dass alles gut gelaufen ist und man wieder ein bissle Alltag hat.“

Alphirte und Senner zu sein, ist eine Herausforderung. Tag und Nacht treibt einen die Sorge um die Tiere um, die fünf Bauern der Obhut der Familie Steurer anvertraut haben. Schon frühmorgens dreht Lukas seine Runde über die Alpwiesen, schaut nach, ob seine „Schäfchen“ die Nacht heil allesamt überstanden haben, ob ein Tier abgängig ist und es allen gut geht. Wie viele Kilometer Zaundraht er um das etwa 45 Hektar große Weideareal spannen und immer wieder ausbessern muss, das hat der 33-Jährige nicht gezählt. Auf seiner Alp nimmt die Käseherstellung kürzeste Wege: von der Kuh direkt in die Käsküche. „Deshalb schmeckt unser Käs‘ auch besonders gut“, grinst Lukas.
Er kennt die Tiere alle mit Namen, ihre Launen und ihre Vorlieben, und er weiß: „Wenn der Älpler ruhig bleibt, bleibt auch das Vieh ruhig.“ Eine Gewissheit, die für den Weg nach Hause wichtig ist. Der ist an manchen Stellen nämlich unangenehm steil, das macht die Tiere unsicher und nervös.
Schaulaufen wird zum Gänsehautmoment
Unten angekommen, wird der Abtrieb zum Schaulaufen: „Wenn wir in Immenstadt quer durch die Stadt laufen dürfen, wenn uns die Zuschauer feiern, das ist wie am Ziel bei der Tour de France, dann kriegst du Gänsehaut und bist einfach nur glücklich!“ Adrenalin für Älpler, der Lohn für einen arbeitsreichen Sommer oben in den Allgäuer Bergen.
Viehscheid im Allgäu: Hier findest Du die Termine der sechs „schönsten“ Alpabtriebe.