500 Funde an Baugrundstück am westlichen Ammersee – Über 2.000 Jahre alt sind die Funde um eine junge Frau

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Nicht alle Tage stößt Archäologe Stefan Mühlemeier auf einen solchen Fund: Das Baugrundstück in Herrsching an der Nikolauskirche ist übersät mit archäologischen Überresten aus der Römerzeit, dem Frühmittelalter und der Keltenzeit. Zusammen mit seinem Team stellt er an fast 500 Stellen Zeugnisse vergangener Zeit sicher. Manche sind über 2.000 Jahre alt. Derzeit werden sie aufbereitet.

Herrsching - Die Gemeinde Herrsching will auf einem zentralen Grundstück nördlich der Nikolauskirche einen Gebäudekomplex mit 26 Wohnungen schaffen. Vor dem Bau beauftragte sie das Unternehmen Phoinix in Pöcking am Starnberger See damit, das Gelände auf Bestände aus der Vergangenheit zu untersuchen. Dass dabei derart besondere Funde aus der Zeit um 400 vor Christus entdeckt wurden, damit hatte Firmenchef Mühlemeier nicht gerechnet: „Die Funde stammen aus einer Zeitepoche, die wir in Herrsching noch nicht hatten“, erklärt er. Gemeint ist etwa ein Grab aus der Keltenzeit, was im Vergleich zu Siedlungsfunden „deutlich seltener“ vorkomme.

Zeichnung des Keltengrabs in Herrsching.
Zeichnung des Keltengrabs in Herrsching. © Phoinix

500 Funde an Baugrundstück am westlichen Ammersee – Archäologen finden in Herrsching ein Keltengrab

Besiedelt ist Herrsching nachweislich seit der Römerzeit. Durch das aufgefundene Grab weiß man nun, dass sich an dem hübschen Fleckchen auf der Ostseite des Ammersees davor auch schon die Kelten wohlfühlten.

Kurz vor Weihnachten wurden die Grabungen abgeschlossen, die bereits im November 2023 begonnen hatten. Und schon in wenigen Wochen soll am Grabungsort mit der Bebauung begonnen werden, die im Herbst 2027 fertiggestellt werden soll.

„Es musste stark mit Funden gerechnet werden“, erklärt Mühlemeier im Nachhinein. Die Kommune ist durch das Landesamt für Denkmalpflege vorgewarnt worden. Denn es wurde in der Vergangenheit in Herrsching bereits ein frühmittelalterliches Grab sichergestellt und Herrschings ältestes Gotteshaus, die Adelskirche aus dem Jahr 739.

Münzen waren ebenfalls unter den Fundstücken in Herrsching
Münzen waren ebenfalls unter den Fundstücken in Herrsching © Phoinix

Rund 500 Funde auf 3.000 Quadratmetern

Die Denkmalbehörde behielt recht: Die Dichte mit rund 500 verschiedenen Funden war enorm auf dem 3.000 Quadratmeter großen Gelände. Der beeindruckendste Fund: ein Grab mit Skelett einer 20 bis 40 Jahre alten Frau, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Pfarrkirche befand. Das Skelett lässt auf eine 1,52 Meter große Frau schließen, die einen Halsring, zwei Armreifen, einen Fingerring und vier Fibeln (Gewandspangen) trug. Abgelesene Daten einer Anthropologin vor Ort ergaben, dass sie Karies hatte („Ihr waren einige Zähne ausgefallen“). Der Auffindungsort der Grabstätte sei nicht verwunderlich, denn wo sich einst Siedlungen befanden, haben sich auch nachfolgende Generationen niedergelassen, erklärt Mühlemeier. Beeindruckend seien jedoch die Knochen- und Schmuck-Funde im Grab, die über 2.000 Jahre alt sind. Diese Tatsache hat zur Folge, dass Herrschings Siedlungsgeschichte älter ist als bisher angenommen – und sie ergänzt werden muss. Darüber hinaus sind die Funde wertvoll für die Erforschung der frühen Besiedelung Bayerns.

Diesen Ring trug die beerdigte Frau um den Hals
Diesen Ring trug die beerdigte Frau um den Hals © Phoinix

Im kommenden Jahr feiert Herrsching 1.250-jähriges Bestehen. Dann wird der ersten urkundlichen Erwähnung des Ortes gedacht. Das war im Jahr 776, als Herrsching als Fischersiedlung im Besitz des Klosters Schlehdorf genannt wurde.

Gleich zu Beginn der Grabungen in Herrsching wurden römische Münzen gefunden, das keltische Grab kam erst zum Schluss zum Vorschein, „in der letzten Phase der Hauptgrabung“ im Juni vergangenen Jahres, freut sich Mühlemeier über den großartigen Fund bei der letzten Etappe der Arbeit. Aufgrund der geplanten Tiefgarage mit speziellem Verbau in tiefen Lagen mussten die Archäologen kurz vor Weihnachten noch einmal zu den Werkzeugen greifen und das Gelände unter der Kirchhofmauer untersuchen. Dabei kam noch ein Tuffsteinmäuerchen zum Vorschein.

Der Fingerring ist aus Bronzedraht gefertigt
Der Fingerring ist aus Bronzedraht gefertigt © Phoinix

Aktuell läuft die Nachbearbeitung der Fundsachen. Sie werden gereinigt und getrocknet, mit Fundzetteln versehen und in Material- und Denkmallisten eingetragen. Darunter sind Münzen, Keramikscherben und Bilder von Pfostengruben, die auf Behausungen hinweisen. Und was passiert danach mit dem historischen „Schatz“? Das müssen Landesamt für Denkmalpflege und Kommune vereinbaren, sagt Mühlemeier. Denn durch eine neue Gesetzgebung kann Herrsching Anspruch erheben und die Fundstücke ausstellen.

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