Orban warnt vor Zerfall der EU – jetzt stellt er sein eigenes "Rettungsmodell" vor

Die Europäische Union läuft aus Sicht von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban Gefahr "auseinanderzufallen". Nur ein Modell der verschiedenen Geschwindigkeiten könne die EU retten, sagte Orban am Samstag in Rumänien, wo er eine Rede vor der ungarischen Minderheit hielt. Der rechtsnationalistische Regierungschef betonte, in einem solchen Modell der verschiedenen Geschwindigkeiten bei der Integration bestehe "die einzige Möglichkeit, die EU zu retten". Er fügte hinzu: "Andernfalls wird sie auseinanderfallen, sich auflösen und anfangen, sich an externe Bezugspunkte wie die Briten zu binden."

Das steckt hinter Orbans "EU-Rettungsmodell"

Dem Modell eines Europas der verschiedenen Geschwindigkeiten liegt ein Konzept der flexiblen Integration zugrunde. Es besagt, dass die unterschiedlichen Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, sich bei bestimmten Bereichen und Themen unterschiedlich schnell in die EU integrieren. Zudem sind dabei verschiedene Stufen der Zusammenarbeit vorgesehen. 

Orban äußerte sich nach einer Rede bei der Sommeruniversität in der von vielen Angehörigen der ungarischen Minderheit bewohnten rumänischen Stadt Baile Tusnad. Auf die Frage, was er tun würde, wenn er EU-Kommissionspräsident wäre, sagte Orban, er würde den Nationalstaaten ihre Rechte zurückgeben und ein "Europa der konzentrischen Kreise" aufbauen.

Vier "konzentrische Kreise" der Zusammenarbeit

Der erste dieser Kreise würde sich auf die Sicherheit konzentrieren, erläuterte Orban. Dieser Kreis könnte die Türkei und die Ukraine umfassen, die beide EU-Beitrittsambitionen hätten. 

Der zweite Kreis beträfe die wirtschaftliche Integration und den Schengen-Raum für den freien Personenverkehr, in dem Ungarn Orbans Ansicht nach verbleiben sollte. Der dritte Kreis wäre die derzeitige Eurozone, der vierte wäre ein Kreis von "konstitutionellen Institutionen" für die Mitgliedstaaten, die die Integration der Gemeinschaft immer weiter vertiefen wollen.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen.
Die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen. dpa

Als Themen-Beispiel für das Modell der verschiedenen Geschwindigkeiten nannte Orban die Migration. In diesem Bereich streben Ungarn und einige weitere Mitgliedstaaten eine Ausnahmeregelung von der gemeinsamen EU-Asylpolitik an.

Veto-Drohung gegen den EU-Haushalt

Orban drohte zudem erneut, den nächsten mehrjährigen EU-Haushalt per Veto zu blockieren, sollte Brüssel die für Ungarn bestimmten, aber eingefrorenen Gelder in Milliardenhöhe nicht freigeben. Die Annahme des neuen Haushalts für sieben Jahre erfordere Einstimmigkeit, sagte Orban. "Solange wir unsere ausstehenden Gelder nicht zurückerhalten, wird es keinen neuen EU-Haushalt geben", sagte er. Zugleich kündigte er an, dass Ungarn "keine Zugeständnisse bei unserer Souveränität" machen werde.

Die EU-Kommission hatte kürzlich einen Haushaltsentwurf über zwei Billionen Euro für den Zeitraum von 2028 bis 2034 vorgelegt. Mit dem nächsten sogenannten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) sollen die Wettbewerbsfähigkeit und die Verteidigungsfähigkeiten der EU gestärkt werden. 

Spannungen zwischen Budapest und Brüssel halten an

Die Gelder sollen ressortübergreifend weiter an Rechtsstaatskriterien gekoppelt sein. Auf dieser Grundlage hatte Brüssel in den vergangenen Jahren EU-Gelder für die Regionalförderung in Ungarn eingefroren. Wegen Grundrechtsverstößen sind bereits rund 18 Milliarden Euro an EU-Finanzmitteln für Ungarn eingefroren.

Unter Ministerpräsident Orban gerät Budapest regelmäßig in Konflikt mit Brüssel, unter anderem wegen der Behandlung von Asylbewerbern und queerer Menschen sowie mutmaßlicher Korruption. Der ungarische Regierungschef blockierte in der Vergangenheit wiederholt Entscheidungen der EU, die einstimmig von allen Mitgliedsländern gefällt werden müssen - etwa Sanktionen gegen Russland wegen dessen Angriffskriegs in der Ukraine.