„Verlockende Aussicht“ - Putin hofft auf „schmutzigen“ Ukraine-Deal: Warum Trump jetzt einlenken könnte

Als Donald Trump zum ersten Mal US-Präsident wurde, tagte in der russischen Hauptstadt Moskau gerade die Duma. Die russischen Parlamentarier erhoben sich von ihren Plätzen und jubelten. Besser hätte es aus ihrer Sicht nicht laufen können. So war es 2017.

Im Januar 2024 ist die Gratulation von Wladimir Putin an Trump diplomatisch nüchtern. Dessen erste Amtszeit hatte Moskaus Erwartungen nicht erfüllt, so wurden damals etwa neue US-Sanktionen gegen Russland erlassen.

Jetzt signalisiert der russische Präsident immerhin die Bereitschaft zu Gesprächen über eine Beendigung des Krieges gegen die Ukraine.

Trump hingegen scheint Zweifel an den Worten zu hegen. Im Wahlkampf hatte der Republikaner noch angekündigt, er werde den Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden. Nun droht er, Putin werde Russland zerstören, wenn er nicht verhandele und kündigt für diesen Fall weitere Sanktionen an.

„Es herrscht die weit verbreitete Annahme, dass Putin und Trump eine gute persönliche Beziehung zueinander haben, aber das stimmt nicht so ganz“, sagt Politologe Alexander Gabuev von der Denkfabrik Carnegie Center dem Tagesspiegel.

Gegenseitige Schmeicheleien

Mit dem früheren US-Präsidenten George W. Bush etwa habe der Kremlchef deutlich mehr Zeit verbracht. Mit Blick auf Trump und Putin fügt Gabuev hinzu: „Ihr Wissen übereinander ist ziemlich oberflächlich.“

Zwar habe Trump durchaus einen gewissen Respekt gegenüber Autokraten wie Putin, die nicht an rechtsstaatliche Regeln gebunden seien. Putin wiederum habe Trump im Wahlkampf und nach dem Attentat in Pennsylvania im Juli 2024 für dessen vermeintlich männliches Verhalten gelobt, sagt Gabuev.

Er betont allerdings auch: „Dass sie sich gegenseitig mit Schmeicheleien überhäufen, bedeutet noch lange nicht, dass sie eine Beziehung haben, die für den Verhandlungsprozess genutzt werden kann.“ Und: „Trump will nicht schwach wirken. Seine erste Amtszeit hat gezeigt, dass er seinen Gegnern nichts schenkt.“

Im Kreml blicke man deshalb sehr vorsichtig auf Trump. Unsicherheit in Moskau herrscht, wie überall, auch deshalb, weil ungewiss ist, was von Trumps Erklärungen bloß tönende Rhetorik ist – und was man tatsächlich ernstzunehmen hat.

Moskau setzt Hoffnungen in Trump

Doch es gibt auch Punkte, die beide einen. So zeigte Trump bislang Verständnis für Putins Behauptung, sein Amtsvorgänger Joe Biden sei schuld an diesem Krieg, weil er bei seiner Unterstützung für die Ukraine russische Interessen nicht berücksichtigt habe.

„Der neue US-Präsident hat Putin damit von der Verantwortung freigesprochen“, meinte der im Exil lebende russische Oppositionspolitiker Ilja Jaschin jüngst auf seinem Youtube-Kanal. „Das dürfte ihm gefallen und in seiner Überzeugung bestärkt haben, er bekomme von Trump einen Frieden zu seinen Bedingungen.“

Russland ist nach Ansicht der meisten Experten derzeit zwar die militärisch in der Offensive. Aber: „Putin braucht Trump, um einen Ausweg aus der Sackgasse zu finden, in die er sich hineinmanövriert hat“, glaubt Russland-Experte Alexey Tikhomirov.

„Zwar verkündet Russland derzeit militärische Erfolge, doch zeichnen sich am Horizont zahlreiche Probleme ab: steigende Inflation, Rubel-Absturz, eine eklatante demografische Krise, zunehmende Kriegsmüdigkeit.“

Der einst riesige Staatsfonds mit Hunderten Milliarden an Währungsreserven aus den Öl- und Gasexporten ist zu zwei Dritteln aufgebraucht, Ende 2025 wird er wohl leer sein. Das Wirtschaftswachstum wird allein durch Rüstung erzielt und geht an den Fronten buchstäblich in Flammen auf. Es bringt Russland nicht voran.

Verhandlungen dürften entgegen den Ankündigungen Trumps trotzdem schwierig werden. Als Ausgangspunkt verlangte Russlands Außenminister Sergej Lawrow wiederholt: Die Situation an den Fronten müsse nicht nur vorläufig eingefroren, sondern als unveränderbar anerkannt werden.

Putin hofft auf seinen ,Jalta’-Moment wie am Ende des Zweiten Weltkrieges.

Alexey Tikhomirov, Historiker an der Uni Bielefeld mit Schwerpunkt Russland

Doch damit nicht genug: Die Ukraine soll sich nach Vorstellungen Moskaus auch vollständig aus vier ukrainischen Regionen zurückziehen, die Moskau beansprucht, aber gar nicht vollständig erobert hat: Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson. Russland ist zudem strikt dagegen, dass eine internationale Friedenstruppe an der künftigen Waffenstillstandslinie stationiert wird.

Der ukrainische Präsident stellt sich vor, dass dafür mindestens 200.000 Soldaten benötigt werden. Sie sind Teil der Sicherheitsgarantien, die er fordert. Faktisch würde es die Stationierung von Nato-Soldaten in der Ukraine bedeuten.

„Putin hofft auf seinen ,Jalta’-Moment wie am Ende des Zweiten Weltkrieges“, meint Tikhomirov. „In seiner Vision sollen die Atommächte Russland, USA und China sich die Welt in Einflusszonen teilen.“

Falls Trump einen schnellen und schmutzigen Deal will, dann wäre Putin definitiv bereit, ihn ihm zu geben.

Alexander Gabuev, Direktor des Thinktanks Carnegie Russia Eurasia Center in Berlin

Der Kreml glaubt außerdem nach Ansicht vieler Experten, dass Trump nach einfachen Antworten sucht, um das Thema Ukraine schnell von seiner Tagesordnung zu bekommen.

Dieses Kalkül könnte aufgehen, sagt Tikhomirov: „Getrieben von seinem Streben nach globaler Bewunderung, könnte Trump eine Einigung als historischen Triumph inszenieren. Ein Friedensnobelpreis wäre für ihn sicherlich eine verlockende Aussicht.“

Statt Völkerrecht ein „Deal“

Moskaus Hoffnung wiederum besteht auch darin, sich nicht grundsätzlich und dauerhaft völkerrechtlich binden zu müssen. Putin wolle einen „Deal“ als persönliche Absprache zwischen ihm und Trump – und zwar nur für dessen Amtszeit, erklärt Oppositionspolitiker Jaschin in seinem Youtube-Auftritt.

Langfristig werde Putin von seinem strategischen Ziel – der vollständigen Kontrolle über die Ukraine – sicher nicht abrücken, glaubt auch Alexander Gabuev. Wenn es zu einer Waffenruhe ohne bedeutende Sicherheitsgarantien für die Ukraine komme, „dann hätte Russland die Zeit, aufzurüsten, sich neu aufzustellen – und sich die Ukraine dann zu holen“, sagt er.

Es sei zwar keinesfalls gesagt, dass Trump sich auf Putins Bedingungen einlasse, fügt der Wissenschaftler hinzu. Aber: „Falls Trump einen schnellen und schmutzigen Deal will, dann wäre Putin definitiv bereit, ihm diesen zu geben“, meint Gabuev.

Von Frank Herold, Hannah Wagner