MdL Joachim Konrad im Kreisboten-Interview über konservative Haltung in der Zeit großer Umbrüche

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Joachim Konrad im Gespräch mit Josef Mayr. © Anna-Maria Schneider

Kempten/Allgäu – Seit Oktober letzten Jahres vertritt Joachim Konrad (CSU) als direkt gewählter Landtagsabgeordneter die Interessen der Menschen aus Kempten und dem nördlichen Oberallgäu im Maximilianeum.

Der ehemalige Altusrieder Bürgermeister kam in einer Zeit in dieses Amt, in der konservativen Parteien bei der Bewahrung der Demokratie eine besondere Rolle und damit eine große Verantwortung zufällt. Auch deshalb hat der Kreisbote den gelernten Bankkaufmann und studierten Verwaltungswissenschaftler in die Redaktion eingeladen und nach seinen politischen Werten und Einstellungen gefragt.

Herr Konrad, würden Sie sich als „konservativ“ bezeichnen?

Definitiv ja, sonst wäre ich nicht in der CSU. Sie ist meine politische Heimat.

Konservative Politik braucht immer den Spagat zwischen Tradition und Wandel, zwischen Bewahren und Gestalten. Was bedeuten die beiden Seiten für Sie konkret?

Franz Josef Strauß sagte, konservativ sein heißt, an der Spitze des Fortschritts zu marschieren. Das Bewährte erhalten, trotzdem offen sein für alles, damit Gesellschaft und Wirtschaft sich weiterentwickeln können. Unbedingt bewahren müssen wir die Institutionen, zuallererst den Rechtsstaat, die Verfassungsorgane, aber auch die Verbände, die Vereine, das Ehrenamt. Kirchliche Institutionen sind mir besonders wichtig, vor allem auf dem Land. Traditionen müssen erhalten bleiben. Dazu gehören kirchliche Feiertage und Rituale. Eine Fronleichnamsprozession darf einmal im Jahr den Verkehr verhindern! Ich bin dafür, dass Funkenfeuer stattfinden, dass am ersten Mai ein Maibaum aufgestellt wird. Die Freiwilligen, die dafür sorgen, müssen wir unterstützen.

Vorantreiben müssen wir die Digitalisierung und damit einhergehend die Künstliche Intelligenz, die für den Wirtschaftsstandort Deutschland wichtig ist. Sie kann zukünftig in allen möglichen Bereichen Fachkräfte ersetzen. Davon bin ich überzeugt. Wir haben die Menschen nicht mehr. Genauso wichtig ist die Transformation vom fossilen Zeitalter in das Zeitalter erneuerbarer Energien. Eine konservative Zielsetzung, weil sie die Bewahrung der Schöpfung bedeutet.

Werte bekommen in einer Zeit radikaler Unsicherheit eine besondere Bedeutung. Welche sind für Sie die wichtigsten?

Die Grundregeln des Miteinanders, die von uns jeden Tag gelebt werden, beispielsweise dass man sich an Absprachen hält. Ganz wichtig ist die Familie, deren Wert der Staat und die Gesellschaft anerkennen müssen. Im Gegensatz zu den autoritären Staaten wie Russland und China, wo das Kollektiv zählt und nicht der Mensch, steht für uns das Individuum im Mittelpunkt. Zentral für mich sind die Werte des christlichen Erbes, wir sollten anerkennen, dass es über uns eine höhere Instanz gibt, dass der Mensch nicht das Maß aller Dinge ist. Hoch schätze ich die Errungenschaften der Aufklärung: Gleichheit vor dem Gesetz, Gleichheit von Mann und Frau, Toleranz.

Wie definieren Sie eine Familie?

Familie ist immer da, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen.

Das Kollektiv der Konservativen ist oft der Nationalismus.

Wir haben gesehen, was ein übersteigender Nationalismus anrichten kann. Deswegen ist es mir wichtig zu betonen: Nationalstaaten wird es weiterhin geben. Aber unsere Zukunft liegt in Europa, in einem Europa der Regionen.

Der Historiker Paul Nolte, der als Vertreter konservativer Werte gilt, meint, dass die Leitkultur-Debatte ein Indiz dafür sei, dass der CDU/CSU der Konservativismus abhandengekommen sei.

Wir müssen uns versammeln hinter den Grundwerten, die unsere Gesellschaft ausmachen. Die Verfassungsorgane sind zu achten. Es gilt zu akzeptieren, dass in Deutschland Deutsch gesprochen wird. Hier wird nach den allgemeingültigen Regeln gelebt, das heißt nach dem Grundgesetz und nicht nach der Scharia. Ob jemand einen Migrationshintergrund hat oder nicht, spielt hierbei keine Rolle. Allein den Gedanken an „Remigration“ finde ich skandalös und menschenverachtend.

Gehören Sie als eher junger Abgeordneter mit 45 Jahren im Landtag innerhalb der CSU zu den progressiveren?

Politik heißt immer ein Ringen um Positionen, eine allgemeingültige Antwort wird es nie geben. Das passiert beispielsweise unter den schwäbischen Abgeordneten, die ein gutes Miteinander haben, oder in der Gruppe junger CSU-Abgeordneter, die sich regelmäßig trifft. Ich liege mit meinen Positionen eher in der Mitte und stehe zum Beispiel dazu, dass unsere Gesellschaft so viele Menschen, die zu uns kommen, nicht verkraften kann. Für die Integration von mehr als 200.000 Personen fehlen die Wohnungen, die Kindergartenplätze.

Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung braucht die deutsche Wirtschaft eine Nettozuwanderung von 400.000 Menschen im Jahr, um stabil zu bleiben. Wenn die „Boomer“ in Rente gehen, noch mehr.

Wir brauchen qualifizierte Kräfte, Leute, die uns weiterbringen. Zum Beispiel Pflegekräfte, die in ihrem Heimatland ausgebildet wurden und über gute Deutschkenntnisse verfügen, aber keine Zuwanderung in die Sozialsysteme. Der Unterschied muss klar definiert werden.

Das heißt, man nimmt Tote im Mittelmeer und illegale Pushbacks billigend in Kauf. Ist das mit christlichen Werten vereinbar?

Man muss so schnell wie möglich entscheiden, ob ein Asylgrund vorliegt. Die Verfahren sind zu beschleunigen. Wir brauchen dringend eine europäische Lösung bei der Verteilung der Schutzsuchenden. Aber vor allem: Wir müssen den Menschen dort helfen, wo sie daheim sind, damit möglichst wenige sich auf den Weg machen. Das sind christliche Werte!

Wie ist im Landtag die Zusammenarbeit mit den Freien Wählern?

Es kommt auf die Person an. Mit unserem Koalitionspartner arbeiten wir vernünftig zusammen. Es ist wie in einer Fußballmannschaft: Nicht alle elf sind miteinander befreundet, aber sie kämpfen zusammen für den Erfolg.

Und mit der Opposition?

Mit der SPD und Grünen führen wir ganz normale demokratische Diskurse, in denen verschiedene Meinungskämpfe offen ausgetragen werden. Mit der AfD ist der Diskurs nicht möglich. Sie sind nur am Provozieren. Inzwischen bin ich der Überzeugung, dass sie den Staat, wie wir ihn kennen, ablehnen. Mit SPD und Grünen streiten wir leidenschaftlich, aber mit gegenseitiger Achtung. Die AfD verachtet die Institutionen und die anderen Fraktionen.

Gibt es Politiker, die für Sie als Vorbild gelten?

Franz Josef Strauß, weil er immer eine unglaubliche Standhaftigkeit bewiesen hat und keinem Konflikt aus dem Weg gegangen ist. Er hatte die Kraft, den Freistaat vom Agrarland zum wichtigsten Industriestandort in Europa zu machen.

Welche Bedeutung hat für Sie Erinnerungspolitik?

Sie ist sehr wichtig. In unseren unruhigen Zeiten, wo alles infrage gestellt wird, müssen wir wissen, was war. Die Erinnerungskultur sollte insbesondere in der Schule einen großen Raum einnehmen. Es gilt auch, vorhandene Traditionen wie den Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus oder den Volkstrauertag sehr gut zu pflegen.

Die Liebe zur Demokratie in der Bevölkerung schwindet. Was kann man dagegen tun?

Gute Politik für die Menschen machen. Ihre Sorgen und Nöte aufnehmen und diese lösen. Das ist das beste Mittel gegen Demokratieverdrossenheit.

Klingt das nicht ein bisschen paternalistisch?

Nein. Als Politiker kriegen wir Verantwortung. Und die Menschen wollen, dass wir diese ausüben. Um ein Beispiel zu nennen: Ich bin Mitglied im Bauausschuss, wir sprechen dort über die jetzige Wohnungsnot. Damit mehr sozialer Wohnungsbau passiert, müssen die Programme angepasst werden. Wir müssen den Bau von Sozialwohnungen so fördern, dass er attraktiv wird. Damit sie nach 25 Jahren abgezahlt sind, und trotzdem den Quadratmeterpreis von sieben bis neun Euro auf dem Land halten können.

Konservative beschreiben sich oft als bürgerlich. Was bedeutet dieses Adjektiv für Sie?

Wir vertreten Menschen, die für sich und ihre Familie Verantwortung übernehmen, hart arbeiten, sich an Gesetze halten und im Ehrenamt Verantwortung übernehmen.

Besteht die Gefahr, dass sich Parteien auch in Deutschland „trumpisieren“?

Was in Amerika unter Trump passiert ist, kann hier nicht passieren. Unsere Demokratie ist gefestigt. Die Basis dafür ist die Bewahrung der Institutionen. Die CSU wird mit der Macht weiterhin verantwortlich umgehen. Für das Regieren brauchen wir einen Koalitionspartner und eine Koalition mit der AfD kommt nicht in Frage. In den letzten Wochen haben die Menschen auf der Straße bewiesen, dass das Grundvertrauen in die Demokratie da ist. Neue Antriebskräfte wurden mobilisiert, die zeigen: Die AfD ist nicht die Lösung, sondern das eigentliche Problem.

Welche Verbindung haben Sie zu Ihrem Wahlkreis?

Ich bin ein direkt gewählter Abgeordneter und dadurch ein bisschen unabhängiger als die, die durch Parteilisten gewählt werden. Ich möchte mich für alle Menschen in Kempten und im nördlichen Oberallgäu einsetzen. Mein Büro befindet sich in Kempten: Man kann jederzeit vertrauensvoll auf mich zukommen. Wenn ich helfen soll und kann, tue ich es gerne.

Herr Konrad, danke für das Gespräch.

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