Habeck wird verhört: AKW-Betreiber haben klare Positionen zum Atom-Aus

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

Kommentare

Im U-Ausschuss zum Atomausstieg soll Wirtschaftsminister Robert Habeck sein Vorgehen vor dem Abschalten der AKW in Deutschland verteidigen. Hat er etwas zu verbergen?

Berlin – Am Donnerstag (16. Januar) werden viele Menschen in Deutschland gespannt den Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Atomausstieg verfolgen. Denn wenn der U-Ausschuss diesmal zusammenkommt, sind Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und der Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als Zeugen geladen. Besonders im Rampenlicht steht jedoch Habeck: Hat er unvoreingenommen – also unabhängig seiner eigenen politischen Positionen – die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke geprüft?

Atomausstieg wurde verschoben: Lindner-Vorwürfe an Habeck und Scholz

Vor dem Hintergrund der Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine liefen die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland ein paar Monate länger als ursprünglich geplant – der Atomausstieg verschob sich vom 31. Dezember 2022 auf den 15. April 2023. Davor lag nach einem Streit innerhalb der damaligen Ampel-Koalition ein Machtwort von Kanzler Scholz im Herbst 2022. Ex-Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte in seiner Befragung im U-Ausschuss am Mittwoch, der Entscheidung von Scholz seien intensive Beratungen mit ihm und Habeck vorausgegangen.

Im März 2022 hatte eine gemeinsame Prüfung von Wirtschafts- und Umweltministerium ergeben, dass eine Verlängerung der Laufzeiten der noch verbliebenen Atomkraftwerke nur einen „sehr begrenzten Beitrag zur Lösung des Problems leisten könnte, und dies zu sehr hohen wirtschaftlichen Kosten, verfassungsrechtlichen und sicherheitstechnischen Risiken“. Vor allem die Union wirft Habeck und der Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) vor, den Weiterbetrieb von Kernkraftwerken nicht „ergebnisoffen“ und „unvoreingenommen“ geprüft, sondern aus ideologischen Gründen entschieden zu haben. Lemke wies den Vorwurf entschieden zurück.

Robert Habeck im Dezember 2024 in einer Bundestagssitzung
Robert Habeck (Archivbild) © dts Nachrichtenagentur/Imago

Mit Blick auf den Herbst 2022 und die Grünen-Ministerien sagte Lindner, im Finanzministerium seien die Zweifel gewachsen, dass es sich um eine vollumfängliche ergebnisoffene Prüfung handle. Aus seiner Sicht wäre maximaler Pragmatismus notwendig gewesen, um angesichts der stark steigenden Preise für zusätzliches Stromangebot zu sorgen. Seine Haltung sei gewesen, dass alle drei Kernkraftwerke mindestens bis und über den Winter 2023/24 weiterlaufen sollten, so Lindner. Außerdem habe er auch als Option gesehen, 2021 abgeschaltete Kernkraftwerke zurück ans Netz zu holen, falls möglich. Diese Positionen Lindners waren bekannt.

Atom-Aus verfolgt die Ampel-Koalition seit 2022: Interne Unterlagen aus dem Habeck-Haus

Das Thema Laufzeitverlängerung verfolgt die Ampel-Koalition, seitdem die Entscheidung gefällt wurde. Habeck hatte immer wieder betont, er habe schon zu Beginn des Ukraine-Kriegs das Gespräch mit Energieunternehmen gesucht, um über die Laufzeitverlängerung zu sprechen. Das belegen auch interne Unterlagen, die 2024 ans Licht geraten sind. Wie die Akten zeigen, hatten sich Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Staatssekretär Patrick Graichen noch am Tag des russischen Einmarschs mit dem Vorsitzenden von RWE zusammengefunden, um über die Hürden für eine Laufzeitverlängerung zu sprechen.

Die Einschätzung von RWE lautete damals: „Ein ununterbrochener Weiterbetrieb der am 31.12.2022 außer Betrieb gehenden Anlagen ist nicht mehr möglich, ein späterer Weiterbetrieb würde mit erheblichen Anstrengungen verbunden sein“. Es seien außerdem „Personalressourcen nicht mehr vorhanden“ und es sei auch mit „erheblichen juristischen und ökonomischen Risiken“ verbunden, die AKWs kurzfristig weiterzubetreiben.

EnBW und PreussenElektra teilen gegen Habeck aus: AKWs hätten länger laufen können

Die beiden Energieunternehmen EnBW und PreussenElektra hätten aber, auch das zeigen interne Unterlagen, durchaus Möglichkeiten zum Weiterbetrieb gesehen. Dazu hätte es aber relativ bald nach Einmarsch Russlands in die Ukraine eine schnelle Entscheidung geben müssen, damit die nötigen Brennelemente noch beschafft werden könnten. Im Gespräch war wohl auch, Frankreich nach Brennelementen zu fragen.

„Wir haben in der gesamten Debatte klargemacht, dass wir einen Weiterbetrieb des Kraftwerks technisch und logistisch ermöglichen könnten, sofern die Bundesregierung dies wünscht“, hatte PreussenElektra in einem Statement gegenüber der Bild-Zeitung vergangenes Jahr mitgeteilt.

Habeck und sein Ministerium meinten sich aber anders zu erinnern. Eine Sprecherin hatte gegenüber der Bild als Reaktion auf den Vorwurf von PreussenElektra, deren Mutterkonzern Eon ist, mitgeteilt: „Ende Februar/Anfang März 2022 lautete die Aussage von EnBW, Eon und RWE, dass ein Streckbetrieb keine zusätzlichen Strommengen bringen würde.“ Demnach hätten die Atomkraftwerke entweder die Stromproduktion 2022 reduzieren oder die Anlagen hätten abgeschaltet werden müssen, um im Winter 2022/23 zur Verfügung zu stehen.

Atomkraft in Deutschland ist vorbei: AKWs können wohl nicht mehr ans Netz geholt werden

Wo sich die Energieunternehmen jetzt aber einig sind: Die Wiederinbetriebnahme der Atomkraftwerke ist nicht mehr möglich. EnBW sagte im Dezember 2024 zur Augsburger Allgemeinen: „Der Rückbau-Status unserer fünf Kernkraftwerke ist praktisch gesehen irreversibel“. Das Unternehmen glaube auch nicht, dass die Atomkraft die Lösung zur Energiewende in Zukunft darstellen würde. Der Neubau würde mehr als zehn Jahre dauern – und wäre außerdem sehr teuer.

Auch führende Energieökonomen wie Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung ist klar gegen den Wiedereinstieg gegen die Atomenergie. „Atomenergie ist energiewirtschaftlicher Wahnsinn, wir sollten das Kapitel endlich abschließen“, erklärt Kemfert und verweist auf die Kosten für die Instandhaltung und den Neubau der Atommeiler. „All unsere Prognosen sind genauso eingetreten: weder ist der Strompreis gestiegen, noch gab es Versorgungsengpässe und auch die Emissionen sind nicht gestiegen“, sagte die Expertin IPPEN.MEDIA. Die Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt des DIW ist Vize-Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen, der als Beratungsgremium für die die Bundesregierung fungiert.

Auch interessant

Kommentare