Habecks Atom-Akten: Beamte verhinderten Laufzeitverlängerung mit gezielter Täuschung
Das Ministerium von Wirtschaftsminister Robert Habeck hat sich neuen Enthüllungen zufolge stärker gegen eine AKW-Laufzeitverlängerung gestellt, als bisher vermutet.
Berlin - Wie sehr haben sich Beamte im Hause von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gegen die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken gewehrt - und dabei wichtige Informationen der Öffentlichkeit vorenthalten? Das ist die Frage, mit der sich seit den Enthüllungen des Magazins Cicero viele Menschen fragen. Das Magazin hatte die Dokumente, die zur Abschaltung der Atomkraftwerke während der Energiekrise geführt haben, erfolgreich eingeklagt und nun in einer Serie von Artikeln über deren Inhalt berichtet. Im jüngsten Bericht, der am Dienstag (30. April) veröffentlicht wurde, geht es um den Mailverkehr zwischen Beamten des Wirtschaftsministeriums.
Debatte um AKW-Aus: Beschaffung der Brennelemente war zentrale Frage
In dem Mailverkehr, der auch dieser Redaktion vorliegt, geht es um die Frage nach der Lieferung von Brennelementen für die deutschen Atomkraftwerke. Das Wirtschaftsministerium hatte direkt nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs die Frage in den Raum geworfen, ob die drei verbleibenden AKWs noch weiterlaufen sollen oder können, um die Energieversorgung abzusichern. Wie die Akten zeigen, hatten sich Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Staatssekretär Patrick Graichen noch am Tag des russischen Einmarschs mit dem Vorsitzenden von RWE zusammengefunden, um über die Hürden für eine Laufzeitverlängerung zu sprechen.
Die Einschätzung von RWE lautete damals: „Ein ununterbrochener Weiterbetrieb der am 31.12.2022 außer Betrieb gehenden Anlagen ist nicht mehr möglich, ein späterer Weiterbetrieb würde mit erheblichen Anstrengungen verbunden sein“. Es seien außerdem „Personalressourcen nicht mehr vorhanden“ und es sei auch mit „erheblichen juristischen und ökonomischen Risiken“ verbunden, die AKWs jetzt kurzfristig weiterzubetreiben.
Zentrales Problem für die Laufzeitverlängerung war von vornherein die Beschaffung der Brennelemente, die nur noch bis Ende 2022 ausgereicht hätten, hieß es. Neue zu importieren wäre nicht mehr kurzfristig möglich, war das Argument gegen die Verlängerung, die immer wieder aus dem Haus von Habeck zu hören war.
Habecks Akten: Atomausstieg hätte verschoben werden können
Die Akten aus dem Ministerium sprechen da nun eine andere Sprache. So schickte einer der Betreiber, EnBW, am 2. März 2022 einen Brief mit ihrer Einschätzung zur Verlängerung. So sei es durchaus möglich, weitere Brennelemente zu beschaffen und die AKWs für gut anderthalb Jahre weiterzubetreiben. Dazu müssten aber „sehr zeitnah einige zentrale Entscheidungen getroffen“ werden, so EnBW.
Eine Idee, wie man schnell Brennelemente beschaffen könnte, nannte wohl auch eine fachkundige Person gegenüber dem grünen Beamten Christian Maaß, der das Referat Kernenergie II A 6 geleitet hat. So schrieb er am 9. März 2022: „Denkbar ist natürlich auch, dass man mal bei den Franzosen nachfragt.“ Diese müssten für ihre Kraftwerke schließlich „eine gewisse Reserve an fertigen Brennelementen“ haben. „Vielleicht könnten wir die auch in den deutschen AKW einsetzen“, heißt es weiter. Der Beamte ergänzt aber auch, dass er noch mit keinem anderen über diese Idee gesprochen habe. Als Antwort schreibt Christian Maaß: „Bitte abschließend regeln, keine weiteren Aktivitäten in Richtung Brennelementebeschaffung aus unserem Haus nötig.“

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Ob Habeck persönlich auch diese Informationen hatte, ist unklar. In anderen Berichten des Cicero wird nahegelegt, dass Patrick Graichen sowie andere Beamte im BMWK dafür gesorgt haben, dass er bestimmte Informationen nicht bekam. Möglich ist aber auch, dass er sehr wohl wusste, dass die Brennelemente noch rechtzeitig beschafft werden könnten, und ein Weiterbetrieb der Atomkraftwerke über 2022 hinaus problemlos möglich gewesen. Unklar ist auch, ob die Idee mit den französischen Brennelementen weiterverfolgt wurde.
Atomausstieg: AKWs hätten ertüchtigt werden müssen
Allerdings wäre die Debatte zum Atomausstieg damit nur verschoben worden, denn keiner der Betreiber scheint den Akten zufolge der Auffassung zu sein, dass die AKWs ohne Auslaufdatum hätten weiterlaufen können. Es fehle dafür Personal und Ersatzteile, die AKWs müssten zudem ertüchtigt und geprüft werden.
Am 15. April 2023 hatte Deutschland den Atomausstieg endgültig vollzogen und die letzten drei Meiler Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland abgeschaltet. Der Rückbau ist eingeleitet und kann bis zu 15 Jahre dauern. Die Kraftwerke hätten ursprünglich bereits zum Jahreswechsel davor vom Netz gehen sollen, der Betrieb war aber zur Sicherung der Stromversorgung verlängert worden. Die Grünen hatten sich lange gegen einen solchen Schritt gewehrt, schließlich aber Habecks Idee einer vorübergehenden Einsatzreserve für die letzten deutschen Atomkraftwerke unterstützt. Am Ende sprach Kanzler Olaf Scholz (SPD) ein Machtwort für den Weiterbetrieb.