Blühwiesen im Landkreis Ebersberg: Sag mir, wo die Blumen sind
„Ebersberg summt“, hieß es vor Jahren, als sich 53 Landwirte im Landkreis zusammentaten, um Blühstreifen an ihren Äckern anzulegen. Augenscheinlich ist von der Aktion kaum etwas übrig.
Landkreis – Blühende Landschaften versprach sich nicht nur Wiedervereinigungskanzler Helmut Kohl. Im Landkreis ging 2018 unter dem Titel „Ebersberg summt“ ein Blühwiesenprojekt an den Start. 53 hiesige Bauern beteiligten sich an der freiwilligen Initiative von Unterer Naturschutzbehörde (UNB), Landwirtschaftsamt, Landeschaftspflegeverband, Maschinenring und Bauernverband. Tatsächlich erblühten kurz darauf auf einer Gesamtlänge von rund 16 Kilometern die Feldränder mit violetter Phacelia, blauer Kornblume, rotem Mohn und weißem Buchweizen. Wer heute jene Streifen besucht, stellt allerdings fest: Von den bunten Bienenweiden von damals ist heute nicht mehr viel übrig.

Ein Jahr später fand im Freistaat das „Volksbegehren Artenvielfalt“ statt; 1,7 Millionen Menschen unterschrieben für den Slogan „Rettet die Bienen!“. Josef Rüegg vom Landschaftspflegeverband (LPV) sagt: „Für unsere Initiative war das ein Nackenschlag.“ Viele der teilnehmenden Bauern seien angefressen gewesen, fühlten sich trotz ihres freiwilligen Engagements als Sündenböcke am Artensterben hingestellt.

Das bestätigt auch Martin Kandler aus Anzing, der damals zu den aktivsten Landwirten bei „Ebersberg summt“ zählte. Der Blühstreifenschwund sei unmittelbar auf das Volksbegehren gefolgt. „Wir haben gemeint, wir tun was und haben uns verschaukelt gefühlt“, sagt Kandler. „Deswegen hat es keiner mehr gemacht.“ Selber habe er nach drei Jahren mit den Blühflächen aufgehört, auch, weil er gesehen habe, dass die bunten Streifen am Feldrand von Passanten regelrecht abgeräumt wurden, die sich daraus wohl Blumensträuße gepflückt hätten. Für Kandler Symptom einer Doppelmoral, die sich auch beim Blick in kahl geschorene Privatgärten beobachten lasse.

Trotzdem gibt es sie noch, die Bienenweiden. Etwa auf einem Feld nahe dem Ebersberger Weiler Englmeng, das sein Besitzer, der Grafinger Norbert Grünleitner (56), mit Unterstützung der UNB von einer Wiese in eine Blühfläche verwandelt hat. Nicht nur stellte die UNB das Saatgut, sondern beteiligte sich auch an den Arbeitskosten. Dafür gibt es ein Budget im niedrigen fünfstelligen Bereich, erklärt Roswitha Holzmann, die als stellvertretende Sachgebietsleiterin für Artenvielfalt im Grünland zuständig ist. Sie lobt die Fläche bei Englmeng als Vorzeigeprojekt. Und Norbert Grünleitner, Imker, der den nicht ganz hektargroße Blühstreifen nicht zuletzt für seine eigenen Honigbienenvölker angelegt hat, ist froh um die Unterstützung. „Da ist mir ganz schwindlig geworden“, sagt er über den Blick auf die Preise für Blühflächensaatgut.

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Insgesamt rund 30 solcher Flecken zwischen 1000 Quadratmetern und einem Hektar unterstützt die UNB in Zusammenarbeit mit dem Maschinenring, dafür verpflichten sich die Besitzer, sie mindestens fünf Jahre lang nicht anderweitig zu nutzen. Oft seien es verwinkelte Ecken, die ohnehin kaum wirtschaftlich zu bebauen seien, so Holzmann. Die Insekten stört das nicht. „Eine tolle Lösung“, wirbt sie für das Modell, an dem auch die teilnehmenden Landwirte dem Vernehmen nach ihre Freude hätten. Und LPV-Geschäftsführer Rüegg konstatiert: „Jede Fläche ist ein Gewinn für die Natur.“

Eine Zahl, die die EZ beim Ebersberger Amt für Landwirtschaft und Forsten (AELF) überrascht schließlich selbst den Naturschutz-Profi Rüegg. Rund 33,5 Hektar landwirtschaftliche Fläche sind demnach heuer als „Brachen mit Einsaat von ein- oder mehrjährigen Blühmischungen“ im Rahmen von entsprechenden Unterstützungsprogrammen gemeldet, so Andreas Geigenberger, Abteilungsleiter Förderung am AELF.

„Sehr ordentlich“, findet das Rüegg. „Allerdings ist der tatsächliche Umfang von Blühstreifen und -flächen im Landkreis Ebersberg höher“, ergänzt Geigenberger vom AELF. Nicht nur, weil dabei die öffentlichen Flächen, die etwa Gemeinden und Landkreis selbst pflegen, nicht mitgezählt sind. Es gebe schließlich auch Bauern, die Blühflächen ohne Förderung anlegten, die dementsprechend auch nicht statistisch erfasst seien. „Es gibt viele Landwirte, denen das einfach ein Anliegen ist“, sagt Rüegg.
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Er sagt aber auch: „Das Artensterben macht keine Pause.“ Deswegen will das Landratsamt Ebersberg 2025 die Initiative „Ebersberg summt“ wiederauferstehen lassen, wenn auch ressourcenbedingt nicht mehr als „Jahr der Biene“, also in kleinerem Umfang als 2018. Ziel soll aber wie damals sein, mehr Nahrungsangebot für Wildbienen und andere wichtige Insektenarten zu schaffen, natürlich auch wieder Landwirte zum (erneuten) Mitmachen zu motivieren, aber auch Kommunen, Unternehmen und Privatleute anzusprechen. Im Rahmen von Themenwochen von Ende April bis Anfang Juni plant die UNB gemeinsam mit den möglichen Projektträgern aus Landwirtschaft, Naturschutz, Gartenbauvereinen, Bildungsträgern und Behörden ein Programm mit Workshops, Vorträgen und Exkursionen.