K.-o.-Tropfen: Unsichtbare Gefahr, die jeden treffen kann: Jugendamt mit Warn-Kampagne
K.-o.-Tropfen sind eine geruchslose und unsichtbare Bedrohung, die jeden treffen kann. In Grafing warnt das Jugendamt vor der Droge, die ihre Opfer bis zur Willenlosigkeit betäubt. Sie betonen, dass niemand, unabhängig von Alter oder Geschlecht, davor sicher ist.
Grafing – Erste Stunde, zweiter Stock, zehnte Klasse: So recht ausgeschlafen wirken die 22 Schülerinnen und Schüler in Grafing nicht. Bis der Kurzfilm startet, sitzen sie stumm und reglos auf ihren Stühlen. Der Beamer wirft eine Partyszene an die Wand, dann eine verstohlene Handbewegung an der Bar. Ein paar Tropfen unbeobachtet in die Cola gemischt, und es dauert nicht lang, bis die Welt verschwimmt.
K.-o.-Tropfen: Sogar private Veranstaltungen betroffen
K.-o.-Tropfen sind eine geruchslose, geschmacklose und unsichtbare Gefahr, die jeden treffen kann – so lautete die Botschaft von Ingo Pinkofsky vom Kreisjugendamt und Grafings Jugendpfleger Himo Al-Kas an die Zehntklässler des Max-Mannheimer-Gymnasiums. „Dir geht‘s dann einfach sauschlecht“, fasst Pinkofsky, Jugendschutzbeauftragter des Landkreises, die Wirkung der Droge zusammen, die ihre Opfer bis zur Willenlosigkeit betäubt. Pinkofsky warnt, dass „weder Männlein noch Weiblein, weder Alt noch Jung“ davor gefeit seien.
Das gelte sogar für private Veranstaltungen. Der Mann vom Amt erzählt von einem ihm bekannten Hochzeitspaar, das am Morgen nach dem vermeintlich schönsten Tag des Lebens im Straßengraben aufgewacht sei. Offenkundig auf der eigenen Feier „k.-o.-getropft“.
Immer wieder Verdachtsfälle im Landkreis Ebersberg
K.-o.-Tropfen seien eine Vergewaltigungsdroge, ja. Vieles deute aber zudem darauf hin, dass sie auch von Leuten unters Partyvolk gebracht werde, die sich einen perversen Scherz erlauben wollten. Einen Verdachtsfall kennt der „Spaßverderber“ auch – so nennt sich der Mann vom Landratsamt, weil er neben Präventionsveranstaltungen wie dieser auch dafür zuständig ist, auf Partys nach Mitternacht Minderjährige aus der Menge zu holen: In Schlacht bei Glonn sei vor anderthalb Jahren auf einer Burschenparty mehreren Menschen gleichzeitig schummrig und übel geworden. Das Perfide: K.-o.-Tropfen sind nur wenige Stunden im Blut nachzuweisen, meist würden die Ausfallerscheinungen auf zu viel Alkohol geschoben.
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Zunächst herrscht Teilnahmslosigkeit, als wären im Klassenzimmer schon Betäubungsmittel im Einsatz – es ist halt auch nicht leicht, eine Gruppe 15-, 16-Jähriger am frühen Morgen zur Mitarbeit zu animieren. Dabei sind sie genau die Zielgruppe der Aufklärungskampagne: In dem Alter starten viele ins Partyleben, sammeln Erfahrungen mit Alkohol, Festzelten und der Clubbing-Szene.
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Sich schützen und anderen helfen
Bewegung gerät in die Runde, als es an die Gruppenarbeiten geht. Wie kann man sich gegen K.o.-Tropfen schützen? Was tun, wenn es jemanden aus dem Freundeskreis erwischt? Was, wenn es Fremden auf einer Party plötzlich dreckig geht? Ein Schüler sagt zur letzten Frage: „Ehrliche Antwort? Nicht mein Problem!“ Der Tisch lacht, dann kommt aber noch tatsächlich Hilfreiches heraus: Egal, ob Freund oder Fremder: Hilfe anbieten, Notruf wählen, Veranstalter alarmieren, aufpassen, dass nicht mehr passiert. „Manchmal bieten sich die Täter als Helfer an!“, warnt Pinkofsky. Das sei einer 18-jährigen Studentin in Freiburg passiert, die 2018 k.-o.-getropft und von elf Männern vergewaltigt wurde.
Die entsprechenden Mittel seien frei im Internet bestellbar, würden in Allerweltsprodukten wie etwa Felgenreiniger eingesetzt, weshalb man sie nicht verbieten könne, erklärt Jugendpfleger Al-Kas. Eine Gesetzesinitiative, Bitterstoffe zuzusetzen, sei im Ampel-Aus untergegangen. Der Jugendpfleger appellierte an die Grafinger Schüler, auf ihre Getränke zu achten, sie abzudecken und nicht alleine feiern zu gehen. Neueste Erscheinung, glücklicherweise nicht im Landkreis, sei das „Needle Spiking“, bei dem mit feinen Nadeln die Droge im Vorübergehen durch kaum spürbare Einstiche gespritzt werde. Al-Kas‘ Rat: „Wir leben in einer komischen Zeit. Passt auf euch auf!“