Zensus 2022: Ebersbergs Gemeinden melden Widerspruch an: Bevölkerungszahlen im Überblick

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Die Einwohnerzahlen, die beim Zensus erhoben worden sind, beeinflussen die Finanzen der Kommunen im Land. (Archivbild) © Daniel Karmann/dpa

Die Zensus-2022-Zahlen verursachen Unmut in den Gemeinden im Landkreis Ebersberg. Die Diskrepanz zwischen den erhobenen Zahlen und den von den Gemeinden gemeldeten Zahlen ist erheblich. Dies könnte finanzielle Auswirkungen haben.

Ziemlich genau um diese Jahreszeit, aber vor mehr als 2000 Jahren, war ein Ehepaar aus Galiläa arg im Stress. Schuld war eine Volkszählung, die es aus Sicht von Maria und Josef wohl nicht gebraucht hätte. Auch wenn sie dem Christentum seine anrührendste Erzählung von der Geburt des Heilands in einem ärmlichen Stall bescherte. Es begibt sich aber zu der heutigen Zeit, dass erneut eine Volkszählung für Unannehmlichkeiten sorgt. Nicht im Heiligen Land, sondern in den hiesigen Rathäusern sowie dem Landratsamt Ebersberg.

Es geht um die turnusgemäße bundesweite Aktualisierung der Bevölkerungsstatistik, zu der zahlreiche Haushalte im Jahr 2022 Besuch von ehrenamtlichen Helfern bekamen. Mittlerweile liegen die ersten Ergebnisse vor – und verursachen Knatsch. Diana Ruth, damals die Zensusbeauftragte des Landratsamts, fasst das heutige Dilemma zusammen: „Die Zahlen, die der Zensus 2022 festgestellt hat, und die Zahlen, die die Gemeinden gemeldet haben, weisen eklatante Unterschiede auf.“

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Alle 21 Gemeinden im Landkreis Ebersberg haben demnach weniger Einwohner als gedacht. Beziehungsweise: „Die Einwohnermeldeämter haben völlig andere Zahlen“, so Statistik-Spezialistin Ruth, die ergänzt: „Der eklatante Unterschied lässt sich nicht einfach auf Karteileichen oder nicht gemeldete Umzüge zurückführen.“

Wie groß der Wahrnehmungsunterschied ist, zeigt der Landkreis-Vergleich: Nach der Methode des Bundes-Zensus hatte der Landkreis Ebersberg 141 801 Einwohner, der Stichtag liegt im Frühjahr 2021. Die „hauseigene“ Zählung der Landkreis-Rathäuser geht von einem Bevölkerungsstand von mittlerweile über 150 000 Menschen aus – mehrere tausend Menschen Unterschied: Ein Wert, der trotz der verstrichenen Zeit zwischen den Stichtagen bei weitem nicht zusammenpasse, sagt Diana Ruth. Das geht nicht nur den Kommunen im Landkreis Ebersberg so, der Unmut ist bundesweit groß. Ob Schwerin, Fulda oder Eisenach: Zahlreiche Städte und Gemeinden haben Widerspruch gegen die Ergebnisse angekündigt oder eingelegt.

Denn es geht ums Geld: Von der Einwohnerzahl hängt zum Beispiel ab, wie viel Geld eine Kommune vom Freistaat erhält. Diese Schlüsselzuweisungen sind teils millionenschwer. Auch der Landkreis wäre unmittelbar betroffen. So geht es darum, dass der Kreistag bei einer Einwohnerzahl von 150 000 auf 70 Sitze anwüchse. Und der Landrat würde rund 500 Euro mehr im Monat verdienen.

„Eklatante Unterschiede“: Diana Ruth war im Jahr 2022 Zensusbeauftragte im Landkreis, hier auf dem Balkon des damals eingerichteten Büros in Ebersberg.
„Eklatante Unterschiede“: Diana Ruth war im Jahr 2022 Zensusbeauftragte im Landkreis, hier auf dem Balkon des damals eingerichteten Büros in Ebersberg. © sro

Peanuts, blickt man auf die Gemeinden. Vaterstettens Kämmerei etwa geht von einer Finanzlücke von 700 000 bis 1,3 Millionen Euro im Jahr aus, falls die Zensus-Zahlen amtlich werden. Man habe ebenfalls Bedenken bei den Statistikbehörden angemeldet, sagt Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU) zur EZ: Es fehlt um ein ganzes Hauseck!“ Er ist sich sicher, dass seine Meldebehörde, die gewissenhaft die Bestände pflege, fundiertere Zahlen als der Zensus mit seinen Umfragen vorweisen könne: „Da wird ein bisserl rumtelefoniert, geschaut und dann statistisch ausgewertet“, krittelt er an der Zensus-Methodik und verteidigt damit sein Rathaus.

Bei der Gemeinde Vaterstetten kommt noch eine Spezialität ins Spiel: Steigt die Einwohnerzahl einer Gemeinde über 25 000, geht die Baulast für die Kreis- und Staatsstraßen auf ihrem Gebiet auf sie über; Winterdienst, Sanierung, Wartung inklusive. So will es das Gesetz. Vaterstetten hat diese Marke nach eigener Zählung geknackt. „Darauf bin ich nicht scharf“, sagt Spitzauer über die damit verbundenen Kosten. Zum Zensus schlügen deshalb zwei Herzen in seiner Brust. Denn: Die Gemeinde sei schon mit dem bislang zuständigen Staatlichen Bauamt Rosenheim in Verhandlungen, während die Zählung nun überraschend davon ausgehe, dass die 25 000-Einwohner-Schwelle deutlich verfehlt werde. Wird der Wert amtlich, muss Vater㈠stetten also weniger in die Straßen investieren, dafür fehlt besagtes Geld bei den Schlüsselzuweisungen. „Davon kannst du viele Straßen bauen.“

Seit September lief die bayernweite Anhörungsphase, die mit dem Silvestertag endete. Es seien „umfangreiche Stellungnahmen der Städte und Gemeinden“ eingegangen, „die genau zu prüfen sind“, bekennt das Landesamt für Statistik. Wie jemand, der noch groß mit sich reden ließe, wirkt die Behörde dabei nicht: „Zug um Zug werden dann ab Beginn des Jahres 2025 die amtlichen Einwohnerzahlen durch Bescheid festgestellt“, schreibt eine Sprecherin. Mit allen damit verbundenen Auswirkungen.

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