Der Tisch im Gasthaus als Ort des Zusammenhalts

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Ein großer Teil des Teams, das sich gerade um möglichst viele Tischgemeinschaften im Gasthof zur Post kümmert: (3.v.r.) der neue Wirt Kajo Titus Strauch. Ab 15. Januar übrigens immer mittwochs bis sonntags von 10 bis 18 Uhr. © J.Dziemballa

Spätestens seit Corona hat sich ein Phänomen breitgemacht, das viele von uns bis dahin nicht einmal theoretisch für möglich gehalten haben. Die Rede ist vom Wirtshaussterben.

Hohenlinden - Es ist bereits kurz vor 15 Uhr an diesem winterlichen Freitagnachmittag. Doch im großen Saal des Gasthauses zur Post in Hohenlinden herrscht an nahezu jedem Tisch noch reges Treiben. Am Stammtisch haben sich, wie üblich, Mannsbilder versammelt. In einer Ecke, fast ein wenig verloren, hat sich eine kleine, nicht weniger gesellige Runde Hohenlindener Damen zusammengefunden. Die Stimmung? Prächtig. Aus Gründen der Höflichkeit hat mal jemand aus dem Landkreis für Frauen wie sie die Bezeichnung „mittelalt“ erfunden. Ein paar Tische weiter unterhält sich gerade ein Paar angeregt. So wie es aus sicherer Entfernung scheint, hat eine gewisse gegenseitige Zuneigung bei ihnen Platz genommen.

Ein gesellschaftlicher Treffpunkt mitten im Dorf

Eigentlich ist jetzt Kaffee-Zeit. Kajo Titus Strauch versichert, dass manche Gäste schon zu Mittag bei ihm waren und auch Stunden später noch immer die besondere Atmosphäre von Geselligkeit in einem fast familiären Ambiente zu genießen scheinen. „Haben Sie alles erfahren?“, ruft eine der mittelalten Damen dem EZ-Reporter zu. Wir kennen uns von Veranstaltungen von „Aktiv im Alter“.

Strauch nimmt sich gut eine Stunde Zeit für die Heimatzeitung. Noch kurz vor Weihnachten hatte die wahrheitsgemäß davon berichtet, dass das ehrwürdige Wirtshaus in der Hauptstraße am 6. Januar bei der traditionellen Christbaumversteigerung letztmalig geöffnet sein wird. Doch das ist nicht mehr aktuell. Der 48-Jährige ist sozusagen der direkte Nachfolger von Oskar Lohmaier, der 15 Jahre lang Dreh- und Angelpunkt der Alten Post war und Ende Oktober 2024, auch über die EZ, davon berichtete, aus gesundheitlichen Gründen seinen Job als Wirt aufgeben zu müssen.

Es war wohl eine Kombination aus Lohmaiers Werben in Fachorganen um eine Nachfolge und aus der Online-Berichterstattung der EZ, dass schließlich Kajo Titus Strauch in München von einer besonderen beruflichen Option als neuer Wirt in der Alten Post erfuhr. Lange Rede, kurzer Sinn: Man kann in den Wochen bis Weihnachten recht schnell zusammen, und fand fast genauso schnell ein paar gemeinsame Nenner: Strauch als neuer Wirt und Oskar Lohmaier mit einem wie gewünscht deutlich reduziertem Pensum nicht ganz außen vor.

Erfahrung in der Systemgastronomie

„Der Oskar war und ist ein guter Koch, er hinterlässt große Fußspuren“, sagt Strauch, der eigentlich von Beruf ausgebildeter Diplom-Gestalter ist, jedoch viele Jahre in der Systemgastronomie verbrauchte und daher Mc Donald's, Aldi, Metro oder Rewe auch von innen her kennt. Und der, wenn man ein wenig nach seinem ausgefallenen Namen googelt, längst eine ganz spezielle Vorliebe entwickelt zu haben scheint für Produkte, die besonders geeignet erscheinen, um Heimat auf den Tisch zu bringen. So wie es Lohmaiers Speiseangebot eigentlich schon immer zum Ausdruck brachte. Von der Braten-, Steak- oder Kinderkarte reichte es bis hin zu vegetarischen Kaspressknödeln, vom Apfelkücherl bis zum Zanderfilet, von der klassischen Brotzeit bis zu einer kleinen Auswahl sündhafter Windbeutel. Sündhaft freilich für den, der ein wenig auf seine Linie zu achten hat.

„Die Karte war und ist durchdacht“, sagt Strauch. Und deshalb nichts, was er als neuer Wirt nun zwingend überarbeiten wollte. „Auf dem Teller ändert sich nichts“, diktiert er dem Chronisten in dessen Notizblock. Wenngleich er trotzdem das eine oder andere Neue einmal ausprobieren möchte.

Strauch selber kommt gebürtig aus St. Wendel, ist mit der Küche des Saarlands aufgewachsen, die natürlich ihre regionalen Besonderheiten hat. Es gebe aber auch, fügt er an, viele kulinarische Verwandtschaften zwischen dem Saarland und Bayern mit vergleichbaren Geschmäckern.

Co-Autor zahlreicher Knigge-Fachbücher

Ganz wesentlich dabei ist offenbar der Mittagstisch. Die Alte Post, so Strauch, sei ihm gewissermaßen schmackhaft gemacht worden als ein gut bürgerliches Restaurant mit regionaler Küche, das weit mehr sei als nur eine Lokalität, wo Menschen möglichst schnell satt werden wollten. Und Strauch deutet abermals auf den großen Gastraum und das noch immer rege Treiben dort. Er spricht von einem „vitalen Ort des Miteinanders“. Davon, dass hier unmittelbar Gemeindeleben stattfinde; sozusagen „von der Taufe bis zur Tafel bei Beerdigungen“. Vom Vereinsleben, das sich hier abspiele. In einem Haus, wo schon Beethoven, der Kaiser Josef II. und Papst Pius VI. Station machten. Man habe ihm, sagt er weiter, die Post als sozialen Treffpunkt des Dorfes beschrieben. Und genau das habe sich bis heute für ihn vollumfänglich auch bestätigt.

„Statement für Zusammenhalt“

Tischgemeinschaft: Ein Wort, das Strauch während unseres Gespräches noch ein paar Mal in den Mund nehmen wird. Und man merkt dann doch, dass sich der neue Post-Wirt schon früher hinreichender als so manch anderer mit solchen Themen befasst hat. Am Tisch, philosophiert er weiter, passiere doch so viel in unseren Leben: Hier entfalte sich das gute Miteinander, hier am Tisch werde der Mensch Mensch. Am Tische verhandele er Verträge aus, lebe Geselligkeit aus. Der gemeinsame Mittagstisch wird bei ihm zu einem „Statement für Zusammenhalt“.

Strauch, engagierter Katholik und Pfarrgemeinderat in seiner Münchner Pfarrei St. Joseph, hat sich vor Jahren schon intensiv und tiefgreifend mit dem Thema Essen als Ausdruck einer besonderen Kultur auseinandergesetzt; als Coautor einer Fachbuchreihe unter dem Titel „50 Fragen an Knigge...“. Da geht es nicht nur um soziales Miteinander allgemein, sondern auch um das alltägliche Büroleben, das Leben daheim, das Leben mit dem Smartphone und eben auch ums gemeinsame Erlebnis Essen. In einer kurzen Inhaltsbeschreibung heißt es: „Wie viel Tischordnung muss sein? Kann man über Geschmack streiten? Und wie vertragen sich Knigge und Fastfood? Knigge verrät in köstlichen Anekdoten, dass gemeinsames Essen vor allem dann gelingt, wenn es nicht zu sehr gelingen soll.“ Wenn das nicht neugierig macht?

München als Wohnsitz wollen er und seine Frau Anja, übrigens eine viel beschäftigte Kinderfilmautorin (www.diekoebris.de), nicht aufgeben. Gleichwohl sucht das Paar gerade eine weitere Unterkunft in Hohenlinden. Tischgemeinschaft versteht Strauch nämlich nicht nur als Beziehung zwischen Wirt und Gast, sondern auch als Mittel der Teambildung.

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