Wagenknechts BSW könnte erneut gegen Wahlergebnis klagen: „In den Daten schlummern noch Fehler“

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Gut 4000 Stimmen mehr fürs BSW, aber immer noch zu wenig: Auch gegen das amtliche Ergebnis der Bundestagswahl könnte die Wagenknecht-Partei klagen – „notfalls in Karlsruhe“.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht bleibt auch beim amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl unter der Fünf-Prozent-Hürde: 4,981 Prozent sind es laut Bundeswahlleiterin. Laut dem vorläufigen Ergebnis war das BSW noch auf 4,972 Prozent gekommen; die Partei hat also Stimmen dazugewonnen. Innerhalb der Wagenknecht-Partei hatte man zuvor drei Wochen lang geprüft und nachgezählt – und dabei mehrere Fehlerquellen ausfindig gemacht.

Recherchen unserer Redaktion haben gezeigt, dass dem BSW in mehreren Wahllokalen tatsächlich irrtümlich zu wenig Stimmen zugesprochen wurden. So hat es definitiv Verwechslungen mit dem ähnlich klingenden Bündnis Deutschland gegeben. Das hat auch die Bundeswahlleiterin festgestellt. Insgesamt fehlen dem BSW aber immer noch 0,019 Prozentpunkte, um in den Bundestag einzuziehen. Wie reagiert die Partei darauf?

BSW-Politiker Fabio De Masi glaubt immer noch daran, dass es seine Partei eigentlich über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft haben könnte. „Wir sind fest davon überzeugt, dass es die Stimmen geben kann“, sagt er im Interview mit der Frankfurter Rundschau. Nachdem das Bundesverfassungsgericht eine BSW-Klage auf Neuauszählung abgewiesen hatte, bleibt nun der Weg über Beschwerden beim Bundestag. Das kann Jahre dauern. „Ich zumindest werde mich dafür aussprechen, dass wir jetzt den langen Weg gehen“, sagt De Masi.

Fabio De Masi saß für die Linke im Bundestag, trat dann aber im Richtungsstreit aus der Partei aus. Bei der Europawahl war er Spitzenkandidat des BSW und zog ins EU-Parlament ein.
Fabio De Masi saß für die Linke im Bundestag, trat dann aber im Richtungsstreit aus der Partei aus. Bei der Europawahl war er Spitzenkandidat des BSW und zog ins EU-Parlament ein. © Ronny Hartmann/AFP

BSW fehlen 0,019 Prozentpunkte: „Wir brauchen eine gründliche, flächendeckende Überprüfung“

Herr De Masi, ein Drittel der fehlenden Stimmen konnte „gefunden“ werden. Enttäuscht?

Nein, ich bin nicht enttäuscht. Ich wusste, dass wir jetzt wahrscheinlich einige tausend Stimmen hinzugewinnen. Aber: Wir brauchen eine gründliche, flächendeckende Überprüfung, um uns hundertprozentig sicher zu sein, dass wir unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde gelandet sind. Lassen Sie mich das anhand eines Berliner Bezirks erklären.

Nur zu.

Im Bezirk Marzahn-Hellersdorf wurden einige Wahllokale nachgezählt. Wir hatten dort zuvor überhaupt keine Anomalie in den Wahldaten festgestellt. Am Ende fand man bei der Nachzählung zwei BSW-Stimmen zusätzlich. Wenn man aber diese wenigen Wahllokale auf das komplette Bundesgebiet hochrechnet, wären das 15.000 Stimmen. Wenn man sie gewichtet mit unserem durchschnittlichen Wahlergebnis – wir waren in Berlin ja besser als im Bund – wären es immer noch etwa 8000 Stimmen. In den Daten schlummern also noch erhebliche Fehlerquellen. Ohne dass von außen etwas auffällig erscheint.

Die ja auch zuungunsten des BSW ausfallen könnten?

Theoretisch ja. Aber von den zusätzlichen gültigen Stimmen, die die Bundeswahlleiterin nun festgestellt hat, gingen etwa 57 Prozent ans BSW. Das heißt, die Daten sprechen ganz deutlich dafür, dass wir überproportional bei einer korrekten Nachzählung profitieren. Denn als neue Partei standen wir sehr weit unten auf dem Wahlzettel und es ist bekannt, dass es bei neuen Parteien regelmäßig zu Problemen kommt, wie die Verwechslung mit dem Bündnis Deutschland durch Wahlhelfer. Auch bei der AfD 2013 und bei den Piraten 2009 traten bereits ähnliche Probleme auf. Aber die AfD hatte 2013 nur 4,7 Prozent und wir hatten 2025 4,98 Prozent der Zweitstimmen. Daher können bei uns Fehler eine viel dramatischere Auswirkung haben.

BSW bekommt mehr als 4000 Stimmen dazu

Das BSW kommt laut endgültigem Wahlergebnis 2.472.947 Stimmen. Dies waren 4277 mehr als im vorläufigen Ergebnis. Das BSW kam damit auf einen Gesamtstimmenanteil von 4,981 Prozent (vorläufiges Ergebnis: 4,972 Prozent).

Kleinere Abweichungen zwischen vorläufigem und endgültigen Ergebnis sind keine Seltenheit. Auch bei anderen Parteien gab es Veränderungen, allerdings nur minimale. Gegenüber dem vorläufigen Ergebnis ergeben sich nach dem endgültigen Ergebnis keine Änderungen in der Sitzverteilung.

BSW-Politiker De Masi: „Sind überzeugt, dass Stimmen womöglich noch in Kisten lagern“

Sie glauben nach wie vor dran, dass das BSW eigentlich über fünf Prozent liegen könnte?

Wir sind fest davon überzeugt, dass es die Stimmen geben kann. Sonst hätten wir ja nicht geklagt. Stellen Sie sich vor, in zwei Jahren kommt raus, das BSW wäre eigentlich im Bundestag gewesen. Dann hätten wir zwei Jahre eine Regierung gehabt, die weitreichende Entscheidungen trifft, aber überhaupt keine Mehrheit gehabt hätte. Das würde eine tiefe demokratische Krise auslösen. Deswegen hätten wir es natürlich bevorzugt, wenn jetzt bereits eingeschritten worden wäre.

Die Klage des Bundesverfassungsgerichts wurde abgewiesen.

Wir wussten, dass wir mit einem Eilverfahren juristisches Neuland betreten. Und leider ist unser Wahlrecht eben so, dass man sich zunächst an den Bundestag wenden muss. Der kann sich aber im Prinzip die komplette Legislaturperiode Zeit lassen. Das ist ein System-Fehler.

Wie geht es bis dahin weiter fürs BSW?

Wir werden dazu am Samstag im Parteivorstand beraten. Dem will ich nicht vorweggreifen, aber ich kann in meiner persönlichen Überzeugung sagen: wir sind ja nach Karlsruhe gegangen, weil wir davon überzeugt sind, dass diese Stimmen womöglich noch in den Kisten lagern und insofern wäre es wenig konsequent, wenn wir jetzt sagen würden: das war es.

Das heißt?

Ich zumindest werde mich dafür aussprechen, dass wir jetzt den langen Weg gehen und die Wahl beim Bundestag anfechten und notfalls erneut bis nach Karlsruhe gehen. Die Verfassungsrichter haben ja nicht gesagt, dass unser Eilantrag inhaltlich unbegründet sei. Sie haben ihn nur formal für nicht zulässig erklärt und zunächst auf den Bundestag verwiesen. Klar ist, das dauert mindestens zwei Jahre, je nachdem wie lange sich der Bundestag Zeit lässt. Insofern müssen wir uns darauf einstellen, außerhalb des Bundestages für unsere politischen Ziele zu streiten. Das ist keine Schande. Wir haben als junge Partei 2,5 Millionen Wähler überzeugt. Da haut man nicht in den Sack – sondern macht den Rücken gerade und kämpft weiter.

Interview: Andreas Schmid

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