Zwei Münchner Hobby-Musiker: Vom Wohnzimmer in die Olympiahalle
Eigentlich hatte das Duo sein Programm fürs Wohnzimmer konzipiert. Doch nun treten Georg Kleesattel und Martin Stellmacher am Sonntag unverhofft bei „Rock meets Classic“ in der Olympiahalle auf
Georg Kleesattel kann sich noch gut daran erinnern, wie er den ersten Duo-.Auftritt mit Martin Stellmacher bei dem Pianisten daheim hatte. Anfang vergangenen Jahres war das, ein paar Freunde waren da, Bierchen trinken und lauschen. Nachdem das Duo fertig war, sagte ein Freund kopfschüttelnd zu Stellmacher: „Martin, der Schorsch steht in Deinem Wohnzimmer, als wäre er in der Olympiahalle.“ Sänger Kleesattel, der diese Anekdote erzählt, versteht das durchaus als Kompliment für seine Bühnenpräsenz. Aber jetzt sitzt er einem gegenüber, schüttelt selber den Kopf und seine Augen weiten sich: „Ich werde tatsächlich in dieser Halle singen. Das ist doch der Wahnsinn!“
Was als Wohnzimmer-Projekt konzipiert war, landet auf den größten Brettern der Stadt. Unglaublich: Kleesattel und Stellmacher werden an diesem Sonntagabend im Rahmen von „Rock meets Classic“ in der Olympiahalle auftreten, vor altgedienten Genre-Schlachtrössern wie Tarja Turunen (ehemals bei Nightwish), John Helliwell und Jesse Siebenberg (Ex-Supertramp), Midge Ure (Ultravox), Robert Hart (Manfred Mann‘s Earth Band), Paul Shortino (Quiet Riot) – und Russ Ballard, den als Komponist alter Hardrock-Schinken wie „New York Groove“, „On the Rebound“ und „God gave Rock‘n‘Roll to you“ mehr Menschen im Ohr haben, als sie glauben.
Von Ballard stammt auch ein Song aus dem Programm der beiden Hobby-Musiker: „Since you been gone“. Kleesattel transportiert das Rockstück mit wuchtiger und wechselbarer Stimme als bombastische Ballade, Stellmacher sorgt für getragene Dramatik und Harmoniegesang. Auf ähnliche Weise covern sie „Heaven can wait“ von Meat Loaf oder „Here comes the Flood“ von Peter Gabriel. Der Name des Programms: „Beers and Ballads“. Zwei Mann, ein Flügel, große Gefühle.
Aber natürlich brauchte es für das Engagement noch ein bisschen mehr als das. Und da kommt der Brotberuf von Kleesattel ins Spiel. Der 52-jährige gebürtige Eichstätter war früher Journalist und arbeitet als Pressesprecher des Deutschen Theater. So hat er nicht nur bereits einige seiner großen Säulenheiligen interviewt – Meat Loaf etwa oder David Coverdale (Sänger von Whitesnake und früher Deep Purple) –, er kennt auch den ein oder anderen Veranstalter.
Auch ganz unerfahren ist er nicht. Auf der Habenseite stehen nicht nur fast vier Jahrzehnte passionierter Hardrock-Performance in Jugendclubs und Bierzelten (als Frontmann illustrer Combos wie der Jesus just left Chicago Blues Band oder Jacobs Dröhnung). Kleesattel gab den Riff Raff in der „Rocky Horror Show“ und den Judas in „Jesus Christ Superstar“. Mit dem Austropop-Projekt Austria EI trat er unter anderem beim Winter-Tollwood-Festival auf – und seine Tribute-Band Tommy Who! (am Klavier: Martin Stellmacher) spielt ihr Rockoper-Programm im Deutschen Theater.
Mit Tommy Who! wollte Kleessattel expandieren. „Ich wollte mal raus aus München und habe den Würzburger Promoter Manfred Hertlein gefragt, ob er nicht bei sich ein Gastspiel organisieren kann.“ Als „Arbeitsnachweis“ schickte er ein kleines Video von Stellmacher und sich mit – eben jene „Beers and Ballads“ aus dem Wohnzimmer. Nun veranstaltet Hertlein aber zufällig auch „Rock meets Classic“, und ihm kam die Idee: Man könnte die beiden Münchner doch auftreten lassen, während sich die Olympiahalle ab 19 Uhr mit Zuschauern füllt. „Nach ein paar Wochen rief er mich zurück“, erinnert sich Kleesattel. „Er sagte: Wir müssen noch über euren Auftritt reden. Ich fragte: Welchen Auftritt?“ Was er selbst auf Hertleins Pläne erwiderte, ist nicht überliefert, wohl aber Stellmachers Reaktion: „Verarschen kann ich mich selber!“
Und jetzt? Rutscht das Herz schön langsam Richtung Hose. „Die Heuschnupfen-Zeit beginnt, vor ein paar Tagen hatte ich dazu eine Fetzen-Erkältung“, gibt Kleesattel nervös zu Protokoll. „In so einem Zustand hätte ich nie und nimmer auftreten können.“ Außerdem hatte Martin Stellmacher bereits seinen Zypern-Urlaub gebucht, er wird erst an diesem Samstag zurückkommen. „Gott sei Dank hat er einen Flügel im Hotel, damit er nicht einrostet. Und Beach-Volleyball muss er sich auch verkneifen.“
Aber die Angst vor der eigenen Courage soll nicht die Überhand gewinnen. „Nervös bis ich eh vor jeden Auftritt – auch vor 60 Leuten im Kleinen Theater in Haar“, sagt Kleesattel. Ein paar Freunde aus dem Wohnzimmer hätten sich schon Tickets gekauft, berichtet er – extra ihretwegen. Jedenfalls freut er sich, möglicherweise einige der Altstars zu Gesicht zu bekommen.
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Und wer weiß, ob sich aus dem Auftritt ein weiteres größeres Engagement für das Duo ergibt? „Da will ich gar nicht dran denken“, sagt Kleesattel und schmunzelt. „Wenn ein paar Zuschauer uns sehen, sich denken ,Cool, was ist denn das?‘ und dann vielleicht mal zu unserem Konzert in Haar kommen – dann ist alles super.“
Rock meets Classic
Sonntag, 14. April, ab 18.30 Uhr, Olympiahalle Karten ab 58 Euro. Kleesattel und Stellmacher treten am 18. Mai ab 19 Uhr im Kleinen Theater Haar auf. Karten: 22 Euro.