Nach dem Hackerangriff: Aufarbeitung und viel Improvisation im Krankenhaus Agatharied
Nach dem Hackerangriff auf das Krankenhaus Agatharied gilt es nun herauszufinden, wie die Tat geschehen konnte. In der Klinik selbst gibt es viel Lob für die schnelle Umstellung.
Agatharied – Das Krankenhaus Agatharied sieht sich aktuell mit der Kehrseite der Digitalisierung konfrontiert: Wie berichtet, wurde auf die Klinik ein Hackerangriff verübt. Mit welchen Ausmaßen sich die 1200 Mitarbeitenden der Klinik konfrontiert sehen und wie der aktuelle Stand ist, erklärten Vorstand, Chefärzte und leitende Verwaltungsangestellte am Montag (24. Juni) bei einer Sitzung des Koordinierungsstabs.
Krankenhaus Agatharied: Informationen im Koordinierungsstab nach dem Hackerangriff
Dass Vorbereitung nicht unbedingt alles ist, sieht man aktuell beim Kreiskrankenhaus: Erst vor acht Wochen wurde der Klinik im Zuge eines Audits zur IT-Sicherheit ein gutes Konzept bescheinigt, erklärte Klinik-Vorstand Benjamin Barthold. „Es gibt nie 100-prozentige Sicherheit. Wenn so ein Fall eintritt, braucht es trotz guter Vorbereitung und Übung Improvisation.“ Und davon nicht zu wenig, das wurde beim Treffen des Koordinierungsstabs deutlich.
Anfangs brachten sich die Mitglieder noch dreimal täglich auf den neuesten Stand, mittlerweile noch einmal täglich. Mit dem Angriff auf die IT der Klinik war die Kommunikation nach innen und außen auf Telefon und Fax beschränkt, beinahe alle IT-Systeme mussten vom Netz genommen werden. Somit mussten die Mitarbeitenden schnellstmöglich analoge Alternativen für die oft digitalisierten Arbeitsabläufe finden. Beispiel OP-Berichte: Der Anspruch ist, dass kein Patient das Haus ohne einen Nachweis für die niedergelassenen Ärzte verlässt. Zum Glück fanden sich noch alte Kassettendiktiergeräte. Diese ermöglichen zwar das Arbeiten, der zusätzliche Aufwand durch Abtippen statt Spracherkennung ist aber deutlich.
Schon alltägliche Dinge wie die Schranke zur Parkgarage und elektronische Schlüssel wurden zum Problem. Auch hier gab es eine praktische Lösung: Der Hausmeister tauschte die unzähligen Schlösser händisch aus. Für dringende Verwaltungstätigkeiten wurden kurzum Dutzende neue Laptops beim lokalen Elektronikhändler gekauft.
Auch von außen erhält das Krankenhaus derzeit Unterstützung, zum Beispiel von Lieferanten, die vor Ort bei der Bestimmung der Lagerbestände helfen. Weil derzeit keine Rechnungen gestellt werden können, erhält das Krankenhaus von den Krankenversicherungen Abschlagszahlungen. Nicht beeinträchtigt sind von der Krise die Lohnzahlungen an die Mitarbeitenden. Diese Daten liegen auf einem anderen Server. Die Versorgung der Patienten ist sichergestellt, das machte die Klinik von Anfang an deutlich. Die meisten Maschinen laufen auch offline, erklärte Barthold. Viele der oftmals handschriftlich festgehaltenen Daten müssen nachträglich erneut erfasst werden, wenn das System wieder läuft.
Ermittlungen laufen
Nun heißt es, die Lücke zu finden, durch die der Hacker angreifen konnte. Wie und wann das genau möglich war, sei nicht bekannt, sagte Barthold. Die IT-Abteilung arbeitet unter Hochdruck an der Wiederherstellung der Daten, 150 Terabyte waren das zur letzten Sicherung. Diese prüfen auch externe Forensiker, die sich mit den Ermittlern des Landeskriminalamtes (LKA) und der Abteilung Cyberkriminalität in Rosenheim austauschen.
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Klinik-Vorstand Barthold dankte den Mitarbeitern für ihre Arbeit in der Krise: „Dass das Haus innerhalb von Stunden auf einen anderen Betrieb umstellen konnte, ist eine Meisterleistung. Dafür braucht es eine starke Mannschaft, ich würde mit keiner anderen fliegen wollen.“ Klar ist, je mehr digitale Prozesse es gibt, desto angreifbarer ist eine Einrichtung von außen. Berthold zeigte sich fassungslos angesichts der kriminellen Energie, die nötig sei, um ein Krankenhaus anzugreifen. „Das ist eine Zumutung für die Patienten und die Menschen, die sich für sie aufopfern.“
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