Deutsche wissen wenig über höhere CO₂-Preise – es droht der Energiepreis-Schock

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Tanken und Heizen könnten demnächst deutlich teurer werden. Laut einer Studie sind aber nur die wenigsten Menschen darauf vorbereitet.

Berlin - Für private Haushalte in Deutschland steht eine große Änderung bevor: Ab dem 1. Januar 2027 werden auch der Gebäude- und Verkehrssektor in den europäischen Emissionshandel mit aufgenommen. Für Verbraucher, die mit Erdgas oder Erdöl heizen und Verbrenner fahren, hat die Entwicklung voraussichtlich spürbare Konsequenzen. Experten warnen, dass sich der CO₂-Preis voraussichtlich mehr als verdoppeln könnte. Doch nur wenige scheinen daran zu glauben, zeigt eine Umfrage.

Höhere CO₂-Preise erwartet: Realistisches Szenario für einen Haushalt mit einer Gasheizung

Aktuell ist die CO₂-Bepreisung für alle fossilen Brennstoffemissionen noch staatlich festgelegt und liegt für Unternehmen im Gebäude- und Verkehrssektor bei 55 Euro pro ausgestoßener Tonne CO₂. Die geplante „Neuerung“ im Jahr 2027 ist unter dem Fachbergiff EU-ETS 2 (Emissions Trading System 2) definiert. Mit EU-ETS 2 kommen entscheidende Änderungen auf uns zu: Der Preis wird nicht länger staatlich festgelegt, sondern über einen europäischen Zertifikatehandel dem freien Markt überlassen. Er entsteht somit aus Nachfrage und Angebot.

Wie hoch der Preis genau sein wird, kann derzeit nur geschätzt werden. Experten erwarten laut dem schwedischen Clean-Energy-Tech-Unternehmen Aira aber einen CO₂-Preis von bis zu 300 Euro pro Tonne.

Heizen mit Erdgas oder Erdöl könnte in den kommenden Jahren teurer werden, als vielen vielleicht bewusst ist. (Symbolbild) © Bihlmayerfotografie/Imago

„Ein realistisches Szenario für 2030 – basierend auf einem CO₂-Preis von 200 bis 300 Euro pro Tonne – würde für ein durchschnittliches Einfamilienhaus mit Gasheizung jährliche Mehrkosten von bis zu 1.400 Euro bedeuten“, informiert das Unternehmen in seiner Studie.

Viele Menschen kennen den neuen CO₂-Preis nicht – das ist ein Problem

Doch viele Konsumenten hätten sich mit dem Risiko noch nicht auseinandergesetzt. Laut der Umfrage können derzeit nur fünf Prozent der Befragten die jährlichen Mehrkosten durch den CO₂-Preis realistisch einschätzen. Ein Großteil gehe von deutlich geringeren Konsequenzen aus, schreibt das Unternehmen: „23% erwarten weniger als 500 Euro, 33% liegen zwischen 500 und 800 Euro, während sich knapp 20% eine Schätzung gar nicht zutrauen“. Vor allem letzteres sei ein deutliches Zeichen für mangelndes Detailwissen.

Laut der Studie würde rund ein Drittel der Befragten gerne auf die erwartete Preissteigerung reagieren, hat aber das Gefühl, es nicht zu können – „ein Hinweis auf praktische, soziale oder finanzielle Hürden“. Besonders Menschen mit geringerem Einkommen seien laut Aira häufiger handlungsbereit, aber fühlen sich eingeschränkt.

Über die Studie

Die Studie über die Einschätzungen der kommenden CO₂-Preisregelungen wurde vom schwedischen Clean-Energy-Tech-Unternehmen Aira im März durchgeführt. Für die repräsentative Umfrage wurden 1.000 Menschen in Deutschland befragt. Das Durchschnittsalter lag bei 41,5 Jahren.

ZEW-Präsident über steigende CO₂-Preise: „Die meisten Verbraucher sind auf diese Preise nicht vorbereitet“

Auf ähnliche Ergebnisse kam das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Im Gespräch mit IPPEN.MEDIA erwartete ZEW-Präsident Achim Wambach im Januar einen Anstieg des CO₂-Preises auf bis zu 200 Euro. Er erklärte: „Auf einen Vier-Personen-Haushalt, der mit Gas heizt, kommen rund 1000 Euro höhere Heizkosten pro Jahr zu.“

Die Schätzungen sein das Ergebnis zahlreicher Studien, auch vom ZEW. Wambach bestätigte das Problem, dass zu dem Thema noch viel Unwissenheit herrscht. „Die meisten Verbraucher sind auf diese Preise nicht vorbereitet“, so der ZEW-Präsident. Es sei deshalb wichtig, dass der europäische Zertifikatehandel schrittweise eingeführt werde und die Verbraucher rechtzeitig informiert würden.

Sollten der CO₂-Preis für fossile Brennstoffe massiv steigen, kann die EU-Kommission begrenzt dagegen wirken. Sie hat die Möglichkeit, zusätzliche Emissionszertifikate herauszugeben, wenn der Preis zwei Monate in Folge über 45 Euro pro Tonne steigt. Wambach warnte, dass die Maßnahme nicht genug sei. Die Freigabe von zusätzlichen Zertifikaten ist demnach nur einmal im Jahr erlaubt und auf 20 Millionen neue Zertifikate beschränkt. Angesichts der 1,2 Milliarden Zertifikaten, die ab 2027 kursieren werden, sei das bei weitem nicht ausreichend.

Erste Wärmeversorger und bereiten ihre Kunden angesichts der Entwicklung auf ein Ende der Gasversorgung vor. Eine Stadt in Deutschland zum Beispiel kündigte bereits an, das Gasnetz ab 2035 einzustellen. (nz)

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