Trump-Experte prophezeit: Wenn Alaska scheitert, ist die Ukraine geliefert
An ihrem Gipfel in Alaska haben beide Präsidenten großes Interesse, Donald Trump ebenso wie Wladimir Putin.
Da ist Trump, der auf ein Ende der Kampfhandlungen in der Ukraine hofft, weil er glaubt, dadurch seinem Ziel näher zur rücken, den Friedensnobelpreis zu bekommen.
Bis heute ärgert ihn maßlos, dass Amtsvorgänger Barack Obama diese Ehrung erfuhr - und man kann Trump ein wenig verstehen, bekam Obama den Nobelpreis doch bereits 2009, wenige Monate nach seinem Amtsantritt zugesprochen, vor allem für seine Kairoer Rede im Juni des Jahres, in der er nicht nur aus heutiger Sicht recht naive Bemerkungen über den Islam machte.
Alaska-Gipfel: In einigen Punkten sind Trump und Putin weit auseinander
Und da ist Wladimir Putin, der zurück auf die Weltbühne und insbesondere mit der einzigen Weltsupermacht, den USA, wieder zu einem guten Verhältnis gelangen möchte – da ist eine Einladung vom amerikanischen Präsidenten auf amerikanisches Territorium ein beachtlicher Etappensieg.
Putin ist zuversichtlich, dass die Weltgemeinschaft den Krieg gegen die Ukraine bald vergessen haben wird, zumindest aber über ihn hinwegsieht, wie es 2014 nach seiner völkerrechtswidrigen Annexion der Krim ja auch geschah. Dann könnte Putin bald wieder Öl und Gas und Uran in den Westen verkaufen, der besser zahlt als der misstrauisch beäugte Handelspartner China.
Doch in anderen Punkten sind Trump und Putin weit auseinander.
Ukraine-Krieg: Hier wäre Bewegung denkbar
Erstes Beispiel: Der US-Präsident wollte Wolodymyr Selenskyj ursprünglich dabei haben, hat aber inzwischen stillschweigend auf die Anwesenheit des ukrainischen Amtskollegen verzichtet. Und Trump wirkte genervt, weil Selenskyj den Verzicht auf ukrainisches Gebiet kategorisch ausgeschlossen hat.
Denn zum einen verbietet ihm die Verfassung derartige Zugeständnisse – und zum anderen müsste der angebliche „Deal“-Macher Trump begreifen, dass ein vorzeitiges Signal Selenskyjs, über territoriale Fragen zu verhandeln, ihn nicht nur gegenüber Putin, sondern auch in der Heimat geschwächt hätte. Dort lehnten in Umfragen 79 Prozent der Bevölkerung weiterhin jede Gebietsabtretung ab.
Trotzdem wäre an dieser Stelle Bewegung denkbar – etwa in der Form, dass die Ukraine die faktische Herrschaft Russlands in den Oblasten Donezk und Luhansk „anerkennt“, aber jede endgültige Gebietsveränderungen einem Friedensvertrag vorbehält – so ähnlich machte es die junge Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg mit Ostpreußen, Pommern und Schlesien, die erst 1990 mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag im völkerrechtlichen Sinne an Polen und Russland (Nord-Ostpreußen) übertragen wurden.
Das könnte Selenskyj möglicherweise dann wagen, wenn Russland im Gegenzug auf die beiden anderen von Russland reklamierten Oblaste Cherson und Saporischschja verzichten würde. Und wenn es insgesamt Sicherheitsgarantien für die Ukraine geben sollte, an denen die USA und Europa beteiligt sein müssten.
Eins zu null für Putin
Doch zu dieser Debatte kommt es nun gar nicht erst in Alaska. Also eins zu null für Putin, der sich schlicht geweigert hat, mit Selenskyj auf Augenhöhe zu verhandeln.
Zweites Beispiel: Trump hat es eilig mit einer Einigung, er will einen raschen Abschluss. Ihn nervt der Krieg seit langem – insbesondere, seit er feststellen musste, dass, anders als im Wahlkampf versprochen, der Konflikt doch nicht binnen 24 Stunden gelöst werden kann.
Putin hingegen hat gar keine Eile: Solange es keine anderslautende Vereinbarung gibt mit seiner Unterschrift darunter, kann er seine Truppen weitere blutige und kleinteilige Geländegewinne machen lassen und die Bevölkerung in den ukrainischen Innenstädten mit Drohnen und Raketen zu zermürben versuchen.
Was macht Trump, wenn die Gespräche in Alaska scheitern?
Dem Vernehmen nach will er sich auch nicht auf Trumps Idee eines klaren „Waffenstillstands“ einlassen, sondern einen „Luftwaffenstillstand“ vorschlagen. Soll heißen, dass er zunächst nur die Drohnen- und Raketenangriffe pausieren ließe und auch die Ukrainer den Einsatz bewaffneter Drohnen stoppen müssen, mit denen sie sehr effizient kämpfen. Russland kann dann neue Waffenvorräte anlegen und den Kampf nach Belieben wieder aufnehmen, wenn es geboten scheint.
In jedem Fall gilt: Während über derartige Fragen diskutiert wird, geht der Krieg weiter, von dem Putin überzeugt ist, ihn gewinnen zu können.
Was aber macht Trump, wenn die Gespräche in Alaska scheitern sollten – ob mit oder ohne Anwesenheit Selenskyjs, den Putin beim Gipfel nicht akzeptieren will?
Würde er strengere Zölle gegen Russland und seine Handelspartner verhängen, wie er es im Vorfeld angedroht hatte, gefrustet über Putins Weigerung, sich einem Waffenstillstand auch nur zu nähern? Oder würde er das Interesse an diesem Konflikt verlieren, den Washington ohnehin nicht im Zentrum seiner Sicherheitsinteressen sieht, und sich anderen Themen zuwenden?
Erstes Ziel der "Sekundärzölle" ist Indien
An Strafzöllen gegen Russland und dessen Handelspartnern käme Trump kaum vorbei. Zu laut hat er diese Schritte für das Ausbleiben eines Waffenstillstands angedroht, zuerst mit einer Frist von 50 Tagen, die er dann auf 12 Tage verkürzte – und diese Frist ist am Freitag abgelaufen.
Das erste erklärte Ziel derartiger „Sekundärzölle“ ist bereits Indien, das Öl aus Russland kauft und sogar weiterverkauft – und dessen Premier Narendra Modi sich bislang von Trumps Drohungen, die bisherigen Zölle von 25 Prozent auf 50 Prozent zu verdoppeln, unbeeindruckt zeigt. Was sich nachvollziehen lässt, weil Trump vergleichbare Drohungen nicht gegen China ausgesprochen hat, obwohl Peking mehr russisches Öl kauft als Delhi.
Trump muss diese Sanktionen auch deshalb verhängen, weil ansonsten Unmut aus der eigenen Partei droht. Denn der ihm nahestehende Senator Lindsey Graham hat im Senat ein eigenes Gesetz, den „Sanctioning Russia Act“ eingebracht, der Zölle bis zu 500 Prozent auf Länder vorsieht, die Energie aus Russland kaufen.
Ukraine befindet sich in gefährlicher Lage
Mindestens 81 der insgesamt 100 Senatoren wollen dem Gesetz zustimmen – es handelt sich also um eines der raren überparteilichen Gesetze in der Ära Trump. Würde der Präsident sich diesem Schritt verweigern, würde er für maßgebliche Politiker in beiden Parteien als Umfaller gelten.
Doch Trumps Interesse am Ukraine-Krieg würde wohl zugleich schwinden, spekulieren viele Beobachter. Die „Washington Post“ analysiert, Trumps Ziel für den Alaska-Gipfel gleiche eher einer Beschwichtigung als einer ernsthaften Konfliktlösung.

Die Gefahr dabei für die Ukraine: Schon jetzt hat Trump die Waffenlieferungen an die Ukraine reduziert beziehungsweise die Europäer gezwungen, für derartige Lieferungen zu zahlen.
Nach den Berechnungen des Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) haben europäische Staaten seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 bis Ende Juni militärisches Gerät für mindestens 35,1 Milliarden Euro an die Ukraine geliefert – das sind 4,4 Milliarden Euro mehr als der Gesamtwert der von den USA beschafften Güter.
USA könnten sich von der Kriegsarena abwenden
Gleichwohl sind trotz des Rückgangs der direkten US-Waffenhilfe Sanktionsmaßnahmen der USA gegen Russland wie aktuell der Gesetzentwurf des Senats politisch und psychologisch wichtig für die Ukraine.
Wächst der Frust Trumps über die mangelnde Kompromissbereitschaft beider Seiten noch weiter (er unterscheidet dabei nicht zwischen Angreifer und Angegriffenem), könnten sich die USA nicht kurz-, aber mittelfristig ganz von dieser Kriegsarena abwenden.
Dann hätte Putin gute Aussichten, dass mittelfristig die ukrainischen Kräfte erlahmen. Denn zwar können die Europäer Waffen und Munition liefern. Doch wenn in der Ukraine nun bereits über 60-Jährige für die Armee angeworben werden sollen, zeigt das deutlich, dass die Kräfte des Landes schwinden.
Dieser Beitrag stammt von The European.