Panik bei den Genossen: SPD vor Bundestagswahl am Straucheln – Zweifel an Scholz bleiben
Die K-Frage ist entschieden: Olaf Scholz wird die SPD in den Wahlkampf führen. Weniger klar ist, ob der unbeliebte Kandidat das Rennen noch gewinnen kann.
Berlin – Bei der SPD herrscht drei Monate vor den Neuwahlen kein großer Zusammenhalt, keine Zuversicht, sondern Panik. Das ungute Gefühl kommt nicht von ungefähr: der monatelange Streit in der Ampel, das Ampel-Aus, sinkende Umfragewerte und schließlich das interne Hin und Her der SPD-Führung wegen der Kanzler-Frage.
Immerhin letzteres ist seit heute geklärt: Denn die SPD-Führung hat Bundeskanzler Olaf Scholz als Kanzlerkandidaten nominiert. Wie Parteichefin Saskia Esken am Montag (25. November) in Berlin sagte, fiel die Entscheidung im Bundesvorstand einstimmig, nachdem der deutlich populärere Verteidigungsminister Boris Pistorius vergangene Woche auf die Kanzlerkandidatur verzichtet hatte.
K-Frage geklärt: Boris Pistorius verkündet Verzicht auf Kanzlerkandidatur in Video-Botschaft
Der Rückzug von Pistorius sorgte letzte Woche für Aufsehen. Am Donnerstagabend macht in Berlin eine Videobotschaft die Runde. Die SPD verbreitet den Film unter der schlichten Überschrift „Eine Nachricht von Boris Pistorius“. In dem Video macht der Verteidigungsminister einen angespannten Eindruck: „Liebe Genossinnen, liebe Genossen“, sagt Pistorius. Soeben habe er den Spitzen von Partei und Bundestagsfraktion „mitgeteilt“, dass er für die Kanzlerkandidatur nicht zur Verfügung stehe, so der Minister. „Das ist meine souveräne, meine persönliche und ganz eigene Entscheidung.“

Begeisterung soll der Rücktritt von Pistorius bei den SPD-Genossen nicht ausgelöst haben. Wie die Süddeutsche Zeitung von einem SPD-Treffen am Donnerstag berichtet, soll ein SPD-Abgeordneter zu der Entscheidung „Auf in das Wahldebakel“ getextet haben. Ein anderer bezeichnet die Stimmung als surreal. Viele der Abgeordneten verabschiedeten sich im Kopf wohl schon mal von ihrem Mandat im Deutschen Bundestag. Denken an die Auflösung ihrer Büros.
Scholz bleibt gelassen: SPD-Kanzlerkandidat wirbt mit Wahlkampf-Aufholjagd von 2021
Denn die großen Fragen bleiben: Kann Scholz das Rennen noch gewinnen? Und was passiert, wenn nicht? Spricht man Scholz auf die schlechten Umfragewerte an, bleibt dieser stets gelassen und wirbt mit einer Wiederholung der Wahlkampf-Aufholjagd von 2021. „Wir haben ja schon gezeigt, dass wir das können - auch aus einer Ausgangslage, wo die Umfragen das nicht hergeben“, sagte er vergangene Woche.
Rückblick: 2021 waren Scholz und die Sozialdemokraten mit Umfragewerten von zeitweise unter 15 Prozent in den Bundestagswahlkampf gestartet. Scholz gelang es dann, die SPD mit 25,7 Prozent über die Ziellinie zu bringen und sich ins Kanzleramt.
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Ob ihm das erneut gelingt, ist aber fraglich. Eigentlich können amtierende Kanzler durch ihre Regierungsarbeit im Wahlkampf zwar die zusätzliche Plattform, um sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren, nutzen, nach dem Bruch der Ampel-Koalition muss Scholz nun aber bis zu den Wahlen mit den Grünen in einer Minderheitskoalition regieren. Er hat damit keine Mehrheit mehr, um für ihn wichtige Vorhaben noch durch den Bundestag zu bringen.
Im Falle eines Scheiterns: Auch SPD-Parteispitze müsste um Zukunft zittern
Sollte Scholz scheitern, die SPD wieder zur stärksten Partei zu machen, dürfte seine Amtszeit irgendwann im Frühjahr oder Frühsommer enden. Er wäre dann zwischen drei und dreieinhalb Jahren im Amt. Zukunftsangst könnte nicht nur Scholz haben, sondern auch die Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken sowie Generalsekretär Matthias Miersch. Denn Sie haben die Entscheidung für Scholz zu verantworten.

Dass die Partei sich nun geschlossen hinter Scholz gestellt hat, könnte aber auch Kalkül sein. Denn wenn der Parteivorstand ein Fiasko für die SPD im ohnehin kurzen Wahlkampf bis zum 23. Februar durch eine anhaltende Personaldebatte verhindern will, brauchen sie Geschlossenheit. Scholz nannte es „in Ordnung“, dass die Partei in der Kandidatenfrage „kurz innegehalten“ habe. Jetzt wolle er mit der SPD aber geschlossen in den Wahlkampf ziehen.
„Eins eint uns“, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese, der zu den Zweiflern an Scholz gehört hatte, am Montag im NDR. „Wir wollen nicht, dass Friedrich Merz Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland wird.“ Kritiker des Kanzlers hatten aber vielfach darauf verwiesen, dass gerade an der Basis die Motivation der Mitglieder für einen erneuten Wahlkampf mit Scholz schwierig sei. Sie muss der designierte Kanzlerkandidat nun schnell überzeugen. (bg/dpa)