Jeder Bürger zahlt im Schnitt 11.000 Euro im Jahr an den Staat – das bekommen Sie dafür

Die Sozialabgaben machen längst den größten Teil der Abzüge vom durchschnittlichen Bruttolohn aus. Für die vier Säulen der Sozialversicherung – Krankenkasse, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung – zahlen Sie aktuell rund 21 Prozent Ihres Arbeitseinkommens. Bei einem Medianlohn von 52.159 Euro eines Vollzeit-Erwerbstätigen sind das immerhin rund 11.000 Euro im Jahr oder 913 Euro im Monat. Da der Arbeitgeber noch einmal fast dieselbe Summe an die Sozialversicherungen zahlt, liegt die gesamte Abgabenquote sogar bei 41,7 Prozent. Das war jedenfalls die Prognose für dieses Jahr basierend auf einem durchschnittlichen Zusatzbeitrag von 2,5 Prozent für die Krankenkasse. Da dieser real mittlerweile bei 3,1 Prozent liegt, erhöht sich auch die Abgabenquote auf 42,5 Prozent des Bruttolohns. Das wäre ein neuer Rekord. Der bisherige Spitzenwert waren 42,0 Prozent im Jahr 2003.

Wofür fließen diese Rekordabgaben also genau? Was bekommen Sie für 11.000 Euro im Jahr? Und wie werden sich die Sozialabgaben in Zukunft entwickeln? Wir haben die einzelnen Bausteine genauer unter die Lupe genommen.

Rentenversicherung – 18,6 Prozent

Den größten Abgabenposten macht die Rentenversicherung aus. Jeweils 9,3 Prozent vom Bruttolohn zahlen Sie und Ihr Arbeitgeber. Selbstständige müssen den gesamten Betrag allein bezahlen, sofern sie nicht einem Versorgungswerk wie der Künstlersozialkasse angehören. Beim Medianlohn macht das einen Beitrag von 404 Euro im Monat für Sie als Arbeitnehmer oder 9702 Euro im Jahr.

Dafür bekommen Sie Ansprüche auf eine gesetzliche Rente. Gemessen werden die in Rentenpunkten. Einen Rentenpunkt gibt es jedes Jahr, wenn Sie so viel Beiträge zahlen wie der durchschnittliche Rentenversicherte. Weil nicht alle Erwerbstätigen auch rentenversichert sind, unterscheidet sich der Wert leicht vom Medianlohn, als Faustregel können Sie sich aber merken, dass es einen Rentenpunkt gibt, wenn Sie den Medianlohn verdienen. Niedrige und höhere Einkommen erwerben mehr oder weniger Rentenpunkte. 

Nach oben sind die Beiträge durch die Beitragsbemessungsgrenze von 96.600 Euro Bruttoeinkommen begrenzt. Maximal können Sie so 1,91 Rentenpunkte pro Jahr bekommen. Auch nach unten gibt es eine Grenze. Sie liegt bei einem Beitrag von 103,42 Euro, der pro Monat mindestens geleistet werden muss, auch, wenn Sie freiwillig in die Rentenkasse einzahlen. Das entspricht dem rechnerischen Rentenbeitrag bei einem Minijob von 556 Euro im Monat. Damit bekämen Sie rund 0,15 Rentenpunkte.

Aus den Rentenpunkten wird später die Höhe Ihrer monatlichen Rente berechnet. Derzeit hat ein Rentenpunkt einen Wert von 40,79 Euro. Wer 40 Jahre zum Medianlohn gearbeitet hat, würde mit 40 Rentenpunkten dieses Jahr also eine Rente von 1631,60 Euro brutto pro Monat erhalten.

Neben der Altersrente erwerben Sie mit Ihren Rentenbeiträgen auch Ansprüche für alle anderen Rentenformen der Gesetzlichen Rentenversicherung. Dazu gehören die Erwerbsminderungsrente und die Hinterbliebenenrente. Erstere gibt es, wenn Sie aus medizinischen Gründen nicht oder nur noch sehr eingeschränkt arbeiten können, letztere wird im Falle Ihres Todes an Ihre überlebenden Partner und/oder Kinder ausgezahlt.

Schon jetzt ist klar, dass die Beiträge zur Rentenversicherung in Zukunft steigen werden. Schuld ist der demographische Wandel, durch den es immer mehr Rentner bei immer weniger Beitragszahlern gibt. Dasselbe Rentenniveau lässt sich so also nur durch höhere Beiträge halten - oder eine längere Lebensarbeitszeit. 2028 soll der Beitrag erstmals auf 20 Prozent steigen, bis 2035 dann auf 22,3 Prozent. Auf dem Niveau könnte er dann langfristig verharren.

Krankenkasse – 14,6 Prozent + 3,1 Prozent Zusatzbeitrag

Der zweitgrößte Ausgabenposten bei den Sozialversicherungen ist die Krankenkasse. Festgeschrieben ist ein Beitrag von 14,6 Prozent des Bruttolohns, der ebenfalls paritätisch zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aufgeteilt wird. Hinzu kommt ein Zusatzbeitrag, den jede Krankenkasse individuell festlegen darf, um ihre tatsächlichen Kosten zu decken. Im Durchschnitt liegt dieser aktuell bei 3,1 Prozent, sodass Sie auf einen Gesamtbeitrag von 17,7 Prozent kommen – oder 8,85 Prozent als Arbeitnehmer. Beim Medianlohn sind das für Sie als Arbeitnehmer 384 Euro im Monat und 4616 Euro im Jahr. Wer zum Beispiel als Selbstständiger den vollen Beitrag zahlen muss, kommt auf 9232 Euro pro Jahr und 769 Euro pro Monat. Die Beiträge werden bei einem Bruttoeinkommen von 66.150 Euro im Jahr gedeckelt.

Für Ihren Beitrag bekommen Sie Zugriff auf das deutsche Gesundheitssystem, also auf ambulante Behandlungen bei Ärzten und Therapeuten sowie stationäre Behandlungen in Krankenhäusern, Medikamente und Vorsorgeuntersuchungen. Dabei decken die Krankenkassen alles ab, was medizinisch notwendig ist. Nicht dazu gehören etwa Schönheitsoperationen, Brillen, Homöopathie und andere alternative Heilmethoden. Allerdings darf jede Krankenkasse in strengen Grenzen einige solcher Leistungen optional anbieten.

Die Krankenkasse übernimmt auch Leistungen wie das Krankengeld, welches Ihnen zusteht, wenn Sie länger als sechs Wochen krangeschrieben sind und nicht arbeiten können, sowie das Mutterschaftsgeld. Kinder und Ehepartner ohne eigenes Einkommen sind zudem meist über Ihren Beitrag mitversichert.

Ebenso wie das Renten- leidet auch das Gesundheitssystem unter dem demographischen Wandel. Immer mehr ältere Menschen bedeuten auch immer mehr Behandlungen, weil Senioren eben im Schnitt häufiger und schwere erkranken als junge Menschen. Entsprechend steigen auch hier die Beiträge. Zu Jahresbeginn wurde der durchschnittliche Zusatzbeitrag bereits von 1,7 auf 2,5 Prozent erhöht, real sind es mittlerweile 3,1 Prozent. Nächstes Jahr könnte das noch weiter steigen.

Sowohl die Bertelsmann-Stiftung in einer Studie als auch die Techniker Krankenkasse rechnen bis 2030 ohne Reformen mit einem Beitrag von 20 Prozent. Die Wirtschaftsweisen, die die Bundesregierung beraten, sind etwas optimistischer und kalkulieren mit 19,3 Prozent bis 2035. Anders als in der Rentenversicherung gibt es im Gesundheitssystem aber mehr Potenzial für Reformen, die auch in wenigen Jahren die Beiträge stabilisieren oder sogar sinken lassen könnten.

Pflegeversicherung – 2,6 bis 4,2 Prozent

Für die erst 1995 eingeführte Pflegeversicherung, die neueste aller Sozialversicherungen, wird ein paritätisch geteilter Beitrag von 3,6 Prozent fällig. Hinzu kommt ein nur von Arbeitnehmern zu zahlender Aufschlag von 0,6 Prozent, wenn diese keine Kinder haben. Umgekehrt gibt es einen Abschlag, wenn Sie mindestens zwei Kinder haben. Dieser beginnt bei 0,25 Prozent und steigert sich mit jedem weiteren Kind um 0,25 Prozent bis maximal 1,0 Prozent. Kurios ist hier, dass in Sachsen als einzigem Bundesland andere Regelungen gelten. Hier zahlen Arbeitgeber nur 1,3 Prozent und Arbeitnehmer 2,3 Prozent des allgemeinen Regelsatzes. Die Ab- und Aufschläge für Kinder gelten gleich wie überall. Grund für die Abweichung ist, dass Sachsen den Buß- und Bettag als Feiertag behalten hat. Auch in der Pflegeversicherung sind die Beiträge bei einem Bruttoeinkommen von 66.150 Euro gedeckelt.

Die Leistungen der Pflegeversicherung sind sehr komplex gestaltet. Grundsätzlich haben Sie nur Anspruch darauf, wenn Sie aufgrund einer Krankheit oder Verletzung in einen von fünf Pflegegeraden eingestuft werden. Je höher der Grad, desto mehr Pflege benötigen Sie und desto höher sind auch die Leistungen. Sie setzen sich zusammen aus einem Pflegegeld von 347 bis 990 Euro pro Monat, Pflegesachleistungen von 796 bis 2299 Euro pro Monat, einem Entlastungsbetrag von 131 Euro pro Monat, Leistungen für Kurzzeit- und Verhinderungspflege (wenn Ihre reguläre Pflegeperson zum Beispiel in Urlaub fährt) sowie anteiligen Zuschüssen zur stationären Versorgung in einem Pflegeheim.

Anders als bei Rente und Krankenkasse ist die Pflegeversicherung aber kein kompletter Schutz. Sie müssen hier im Pflegefall ebenso Ihr Vermögen nutzen wie die Leistungen der Versicherung.

Die Ausgaben der Pflegeversicherung steigen durch den demografischen Wandel enorm. Schon jetzt gilt das System als stark unterfinanziert. Verschiedene Studien kommen hier aber zu stark unterschiedlichen Prognosen für die Zukunft, die von einem leichten Anstieg auf 4,1 Prozent im Jahr 2030 bis 9,0 Prozent im Jahr 2040 reichen. Ähnlich wie bei der Krankenkasse wird hier viele von möglichen Reformen abhängen.

Arbeitslosenversicherung – 2,6 Prozent

Die Arbeitslosenversicherung ist die günstigste der vier Sozialversicherungen. Mit 2,6 Prozent, die paritätisch zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aufgeteilt werden, liegen ihre Beiträge für einen Vollzeitbeschäftigten mit Medianlohn aktuell bei 56,51 Euro im Monat und 678 Euro im Jahr. Selbstständige können sich hier dazu entscheiden, diese Versicherung nicht zu bezahlen, ansonsten liegen ihre Beiträge bei 1356 Euro im Jahr und 113 Euro im Monat. Die Beitragsbemessungsgrenze liegt bei 96.600 Bruttoeinkommen im Jahr.

Wichtigste Leistung der Arbeitslosenversicherung ist das Arbeitslosengeld. Es wird für ein Jahr gezahlt, in Ausnahmefällen können es bis zu zwei Jahre sein. Die Höhe berechnet sich aus Ihrem durchschnittlichen Bruttogehalt der vergangenen zwölf Monate. Davon zieht die Bundesagentur für Arbeit fiktive Lohnsteuern und Sozialabgaben ab und errechnet so ein Nettoeinkommen. Als Arbeitslosengeld erhalten Kinderlose davon 60 Prozent, Eltern 67 Prozent. Anspruch auf Arbeitslosengeld haben Sie aber nur, wenn Sie innerhalb der vergangenen 30 Monate 12 Monate sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren.

Neben dem Arbeitslosengeld erhalten Sie von der Versicherung aber noch weitere Leistungen. So werden Berufsberatungen ebenso bezahlt wie die Vermittlung von Ausbildungen oder Arbeitsstellen, Orientierungskurse, Weiterbildungen, Eingliederungs- und Gründungszuschüsse. Auch das Kurzarbeitergeld wird aus der Arbeitslosenversicherung bezahlt.

Diese ist die einzige Sozialversicherung Deutschlands, deren Beiträge langfristig gesunken sind. Bis 2006 lag der Beitragssatz noch bei 6,5 Prozent, seitdem ging es schrittweise auf die heutigen 2,6 Prozent nach unten. Für die Zukunft erwarten Ökonomen in verschiedenen Analysen entweder keinen oder nur einen sehr geringen Anstieg der Beitragssätze.