15 unterschlagene MacBooks bringen 22-Jährigen vor Gericht – Verteidiger kritisiert „System Paketdienste“

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15 MacBooks von Apple waren Gegenstand einer Gerichtsverhandlung gegen einen 22-jährigen Paketzusteller. © Sven Hoppe/dpa

Ein junger Paketzusteller hat neue MacBooks im Gesamtwert von über 75 000 Euro, die für die Steuerfahndung bestimmt waren, unterschlagen. Er stand jetzt vor Gericht.

Neufahrn/Landshut – Das Finanzamt München freute sich: Die Mitarbeiter der Abteilung Steuerfahndung sollten 15 neue MacBooks pro 16 bekommen. Allein die Lieferung kam nie an, denn der Paketzusteller hatte sich mit den schicken Notebooks ins Ausland abgesetzt. Knapp eineinhalb Jahre später konnte der 22-Jährige in der Schweiz festgenommen werden. Nun steht er vor Gericht.

„Mitverschulden des Systems Paketdienste“

Die ihm zur Last gelegte Unterschlagung räumte der bis dato strafrechtlich nicht in Erscheinung getretene Vater am Dienstag ein. Verteidiger Robert Alavi verwies jedoch auf ein „großes Mitverschulden des Systems Paketdienste“, bestehend aus Lieferanten, Subunternehmern und ausländischen Arbeitern: „Wer nicht bezahlten Arbeitern werthaltigste Gegenstände mitgibt, rechnet damit, dass diese gestohlen werden.“ Er kenne den Subunternehmer aus anderen Verfahren: „Da ist das Vorenthalten des Lohns Programm.“

Staatsanwältin Julia Kurz zufolge hat der 22-Jährige die 15 Pakete am 18. Januar 2024 in Neufahrn entgegengenommen, um diese an das Finanzamt München auszuliefern, aber er behielt die MacBooks im Gesamtwert von 75 187 Euro für sich. Im System gab er an: Empfänger konnte nicht angetroffen werden. Dann erschien er nicht mehr in der Arbeit.

Für 5000 Euro an Hehler veräußert

Folgt man den Aussagen des Nahverkehrsleiters des Paketdiensts und eines Polizeibeamten, dauerte es dennoch etliche Monate, bis man den 22-Jährigen als Täter ausfindig gemacht hat. Ein Subunternehmen führe die Touren durch, erklärte der Paketdienstmitarbeiter. Von diesen gebe es 26. Welcher Fahrer dabei wann und wo eingesetzt werde, sei schwer nachvollziehbar. Es gebe zwar Fahrerprofile, aber der Angeklagte habe ein falsches Profil angegeben. Dem Paketdienstmitarbeiter zufolge hat das Unternehmen „aus versicherungstechnischen Gründen“ Anzeige erstattet. Der Polizist erklärte, er mache den Job jetzt seit 20 Jahren. Von derartigen Unterschlagungen habe er fünf bis zehn Fälle jährlich.

Ehe sich der Mann zu seiner Familie in die Schweiz abgesetzt hat, hat er die 15 MacBooks für einen Gesamtbetrag von 5000 Euro an einen Hehler veräußert. Angaben zu dem Mann konnte der 22-Jährige vor Gericht nicht machen. Es sei „kein Problem, was zu veräußern, wenn man an einen Bahnhof fährt“.

Mehrere Wochen keinen Lohn bekommen

Andrea Just von der Jugendgerichtshilfe hatte den Angeklagten in der JVA „absolut verzweifelt“ erlebt. Sie halte es für glaubhaft, dass er die Tat aus Verzweiflung begangen hat. Der 22-Jährige habe ihr erzählt, dass er viele Wochen trotz mehrfacher Nachfrage keinen Lohn bekommen habe. Die Zustände in der Arbeiterunterkunft seien verheerend gewesen. Vor lauter Hunger habe der Angeklagte teilweise Lebensmittel gestohlen. Zudem habe er sich Sorgen um seine Familie in der Schweiz gemacht, die ebenfalls von seinem Lohn abhängig gewesen sei.

Für Diskussion sorgte die Frage, ob bei dem 22-Jährigen noch das Jugendstrafrecht anzuwenden sei. Bei Straftätern über 18 sei Jugendstrafrecht nur noch der Ausnahmefall anzuwenden. Den sah die Staatsanwältin bei dem Angeklagten nicht. „Hauptsächlich aufgrund des enorm hohen Beutewerts“ beantragte sie eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Die Verteidigung plädierte für die Anwendung von Jugendstrafrecht, sprach sich aufgrund des hohen Werts der MacBooks jedoch für sieben Monaten auf Bewährung aus. Das Jugendschöffengericht mit Richterin Katrin Kunze entschied sich für eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten nach Erwachsenenstrafrecht. Zudem verhängte es die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 75 187 Euro.

Der 22-Jährige vernahm das Urteil überglücklich. Er durfte mit seiner Familie zurück in die Schweiz reisen, wo er eine Ausbildung zum Monteur beginnen wird.

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