Krieg mit Russland? Militärexperte warnt: „Zeigt, wie ernst die Lage ist“

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Die Hinweise verdichten sich, dass die Bedrohung durch Russland für die Nato größer wird. Besonders ein Szenario macht Militärexperte Christian Mölling Sorgen.

Mit etwa 90.000 Soldaten will die Nato ab Februar knapp vier Monate lang trainieren. Es ist die größte Übung seit dem Ende des Kalten Krieges. Hintergrund der Operation „Steadfast Defender“ sei die Bedrohung durch Russland, betonte der Oberbefehlshaber der NATO-Truppen in Europa, US-General Christopher Cavoli. Bis Mai soll die Alarmierung und Verlegung von nationalen und multinationalen Landstreitkräften trainiert werden. An der Militärübung nehmen alle 31 Bündnisländer und der Beitrittsanwärter Schweden teil.

Für Christian Mölling, Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, unterstreicht die Ankündigung, wie real die Gefahr eines russischen Angriffs ist. „Was, wenn nicht das, zeigt, wie ernst die Lage ist – sonst hätte man es bei symbolischen 15.000 Soldaten belassen.“ Sinn und Zweck von Militärübungen sei immer zweierlei: „Es geht um die Wirkung nach außen, man will Russland zeigen, wie ernst man die Lage nimmt. Und die Nato will natürlich selbst auch wissen, was man aktuell kann und was nicht“, sagt der Militärexperte.

„Kriegsrisiko für die Nato steigt, wenn der Krieg in der Ukraine zum Erliegen kommt“

Die Bedrohung durch Russland treibt auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) um. „Wir hören fast jeden Tag Drohungen aus dem Kreml – zuletzt wieder gegen unsere Freunde im Baltikum“, sagte der SPD-Politiker am Freitag dem Tagesspiegel. „Wir müssen also einkalkulieren, dass Wladimir Putin eines Tages sogar ein Nato-Land angreift.“ Aktuell halte er einen russischen Angriff zwar nicht für wahrscheinlich, allerdings würden die hauseigenen Experten mit einem Zeitraum von fünf bis acht Jahren rechnen, in denen das möglich sein könnte.

Charkiw nach einem russischen Raketenangriff: Die Sicherheit der Nato-Staaten hängt mit dem Verlauf des Ukraine-Kriegs eng zusammen, sagt Verteidigungsexperte Christian Mölling.
Charkiw nach einem russischen Raketenangriff: Die Sicherheit der Nato-Staaten hängt mit dem Verlauf des Ukraine-Kriegs eng zusammen, sagt Verteidigungsexperte Christian Mölling. © Andrii Marienko/dpa

Im selben Interview wies Pistorius Rufe nach mehr deutscher Militärhilfe für die Ukraine zurück. „Wir können nicht ‚all in‘ gehen, wie das manche fordern. Sonst stünden wir selbst schutzlos da“, sagte der Minister. Verteidigungsexperte Mölling sagt, dass die Bedrohung durch Russland maßgeblich mit dem Kriegsgeschehen in der Ukraine zusammenhänge. „Das Kriegsrisiko für die Nato steigt ab dem Moment, wenn der Krieg in der Ukraine zum Erliegen kommt. Dann könnte Russland die dafür genutzten Ressourcen bei Industrie und Personal woanders einsetzen.“

Militärhilfe für die Ukraine: Es kommt auf die USA an

Dass Russland nach einem Sieg in der Ukraine nicht aufhören würde, Krieg zu führen, ist für Mölling klar. „Präsident Putin hat mehrfach erklärt, dass es ihm nicht nur um die Ukraine geht. Er will Einfluss in Europa zurückerobern und zurück zu alter Größe.“ Aus der Ukraine könnte sich Russland aktuell nicht zurückziehen, sonst sei Putin innenpolitisch erledigt. Dass Russland den Krieg gewinne, sei keinesfalls ausgemacht. „Das hängt vor allem damit zusammen, wie viele Ressourcen man bereit ist einzusetzen“, sagt Mölling.

Wie der Krieg in der Ukraine ausgeht, werde allerdings nicht in erster Linie dort entschieden. „Die entscheidende Frage lautet: Kommt das Hilfspaket der USA durch den Kongress?“, so Mölling. Demokraten und Republikaner feilschen im US-Kongress noch immer um einen Deal über die Fortsetzung der Militärhilfe. Ein Konflikt, der indirekt auch mit Deutschland zusammenhänge. „Denn wir können zwar die Finanzen bereitstellen, aber für das Gerät sind die USA entscheidend“, sagt Mölling.

Militärexperte: „Zögerliche Haltung des Westens macht einen russischen Sieg wahrscheinlicher“

Doch gerade dort klemmt es gerade. „Wir beschaffen gerade in großem Stil und mit hoher Geschwindigkeit“, betonte Pistorius zwar am Montag im ZDF. Man habe „das Tempo der Beschaffung deutlich erhöht“. Dennoch „müssen wir uns eingestehen: Wir können schneller bestellen, aber die Industrie muss schneller produzieren.“ Das gelte für relevanten Bereiche wie Munition, gepanzerte Fahrzeuge und vieles andere mehr.

Dabei werde genau das jetzt in der Ukraine benötigt, sagt Militärexperte Mölling. „Wenn dort jetzt Munition fehlt, wird die Ukraine bereits zurückeroberte Gebiete an Russland verlieren. Die zögerliche Haltung des Westens macht einen russischen Sieg wahrscheinlicher.“ Wie viel Geld und Zeit nötig sei, um die Bundeswehr zu modernisieren, lasse sich kaum seriös beziffern, sagt Mölling. „Ob man da jetzt die Zahl 600 Milliarden oder einer Billion in den Raum wirft, ist eigentlich egal. Das weiß niemand aktuell.“

Sich auf die USA zu verlassen, sei in jedem Fall aber keine gute Idee, sagt Mölling. Dabei es sei mehr oder weniger egal, ob der künftige US-Präsident nun Biden oder Trump heißt. „In beiden Fällen werden sich die USA weiter zurückziehen – und dann muss Europa selbst seinen sicherheitspolitischen Risiken klarkommen“, sagt Mölling.

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