Heimfall der Uniper-Lechkraftwerke: „Blaues Gold“ in öffentliche Hand
Wer die Wasserkraft des Lechs nutzen will, braucht Wasserrechte. Die Frist, unter der die Rechte vergeben werden, läuft für einige der von Uniper betriebenen Anlagen 2034 aus. Damit könnte der Freistaat die ‚Heimfall-Option‘ ziehen – und die in den 1990ern privatisierten Anlagen wieder übernehmen, um und Energie aus öffentlicher Hand liefern. Ist das eine „historische Chance“?
Oberland – Für den Vizepräsidenten des Bayerischen Landtags Ludwig Hartmann (Grüne) ist Wasserkraft das „blaue Gold“. Die 97 Wasserkraftwerke in Bayern, davon 43 am Lech, liefern laut Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern pro Jahr 12,5 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Strom und können damit vier Millionen Haushalte versorgen. Ab den 1990ern privatisierte der Freistaat die Werke. Das Unternehmen Uniper betreibt aktuell 23 Anlagen am Lech und erzeugt damit 1,1 Milliarden kWh Strom pro Jahr.
Heimfall der Wasserkraftwerke von Uniper an den Freistaat: Warum Wasserkraft in öffentliche Hand?
Der Freistaat hat sich die sogenannte Heimfall-Option offengelassen: Zu einem bestimmten Zeitpunkt, üblicherweise das Jahr, in dem auch die jeweils befristet vergebenen Wasserrechte des Betreibers auslaufen, kann der Freistaat dem Unternehmen Uniper die Anlagen abkaufen. Bei fünf der Lech-Anlagen im Landkreis Landsberg – Landsberg, Dornstetten, Lechblick, Pitzling und Lechmühlen – laufen die Wasserrechte 2034 aus, Apfeldorf folgt 2035, Epfach 2039. Die anderen Uniper-Lech-Anlagen folgen – mit Schlusslicht Prittriching im Jahr 2074. Gemäß einer Anfrage Hartmanns und MdL Gabriele Triebel vom April 2022 gilt für alle Uniper-Kraftwerke im Landkreis Landsberg die Heimfall-Option, laut Staatsregierung gilt das für alle Uniper-Lech-Kraftwerke.
Energie direkt aus Bayern macht den Freistaat unabhängiger von Importen und deren möglichem Ausbleiben. Die Grünen, die sich seit Jahren für die Rückführung der Wasserkraft in die öffentliche Hand einsetzen, betonen ebenfalls, dass durch den Heimfall kommunale Energieversorger wie Stadtwerke vor Ort erneuerbaren Strom erzeugen könnten. Wichtig ist für die Grünen auch der ökologische Aspekt. Sie setzen sich für eine Renaturierung des Lechs mittels eines Gesamtkonzepts – als Blaupause dient hier das bereits gestartete Augsburger Projekt ‚Licca liber‘ – ein, die bei einer Verstaatlichung leichter umzusetzen sei: Ein privates Unternehmen setze stets den finanziellen Aspekt an erste Stelle; ein staatliches könne beispielsweise bei der Höhe der Energiegewinnung leichte Abstriche zugunsten der Ökologie machen. Ein detailliertes Konzept für eine Renaturierung des Lechs hat der Bund Naturschutz in Bayern bereits ausgearbeitet.
Kraftwerksübernahme durch den Freistaat: Gibt es ein Zeitfenster?
Mit ein Grund dafür, dass die Grünen aktuell darauf drängen, die Heimfall-Option zu ziehen: Die Staatsregierung müsse zehn Jahre vorher – also jetzt – ein Konzept dazu vorlegen. Zudem gehört Uniper aufgrund einer finanziellen Schieflage durch die Energiekrise seit 2022 zu 99,12 Prozent dem Bund. Hartmann sieht darin sogar die Möglichkeit einer „vorgezogenen Rückgabe der Wasserkraft an den Freistaat“ – also vor 2034. Denn laut Landtagsanfrage der Grünen ist der Heimfall auch bei einer Insolvenz möglich, die Uniper 2022 drohte. Man müsse deshalb jetzt handeln, da laut EU-Kartellrecht der Bund seine Beteiligung bis 2028 auf maximal 25 Prozent und eine Aktie reduzieren muss.
Könnte der Bund demnach jetzt die Wasserkraftsparte von Uniper dem Freistaat übergeben? Das sagt zumindest ein Sprecher des Bayerischen Wirtschaftsministeriums: „Der Ball (für die Übernahme der bayerischen Wasserkraftwerke) liegt jedoch beim Bund als Mehrheitseigentümer von Uniper – stellt dieser die Wasserkraftanlagen/-sparte von Uniper nicht zum Verkauf, sind dem Freistaat die Hände gebunden.“ Das Bundesfinanzministerium hingegen ist da nicht so eindeutig: „Allgemein ist festzustellen, dass die Zuständigkeit für die operative Geschäftsführung auch nach dem Einstieg des Bundes und unabhängig von der Höhe der Beteiligung weiterhin dem geschäftsführenden Organ obliegt“, so ein Ministeriums-Sprecher. Bei der Aktiengesellschaft Uniper sei das der Vorstand. Man sei dem Vorstand gegenüber nicht weisungsbefugt. Was hier aber unter „operativer Geschäftsführung“ verstanden wird, ist nicht aufgeschlüsselt.
Aber vielleicht will Uniper ja die Kraftwerke loswerden? Eher nicht. „Wasserkraft ist Uniper, Uniper ist Wasserkraft“, fasst der Pressesprecher Wasserkraft des Unternehmens, Theodors Reumschüssel, zusammen. „Wir erheben deswegen den Anspruch, dass wir auch zukünftig die Kraftwerke am Lech betreiben und vertrauen dem Freistaat, dass die Re-Konzessionierung in einem geordneten Verfahren, das alle berechtigten Interessen abwägt, entschieden wird.“ Zudem sei die Idee, dass Bau und Betrieb von Energieanlagen „durch die Öffentliche Hand für die Gesellschaft oder die Umwelt günstiger seien, ein Irrglaube“. Der Freistaat könne bereits jetzt durch Auflagen den Betrieb regeln.
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Wenn der Bund tatsächlich nicht kann und Uniper nicht will, heißt das, dass der Freistaat die Kraftwerke nicht übernehmen kann? „Nein“, betont Reumschüssel. Die Heimfallkarte könne der Freistaat immer ziehen. Dadurch gehe das Kraftwerk in das Eigentum des Freistaats über, der Freistaat sei damit der Einzige, der die Wasserrechte beantragen könne. Wobei dieser Antrag rein formal wäre: Der Freistaat müsse nur mit ‚seinen‘ Behörden verhandeln, so Reumschüssel. Uniper habe zwar die Möglichkeit nach 2028 zu versuchen, den Heimfall „wegzuverhandeln“. Der Freistaat könne aber „auf jeden Fall auf dem Heimfall bestehen“. Demnach läge die Macht bei der Bayerischen Staatsregierung.
Was sagt die Staatsregierung?
Die Einigkeit, die bei Bayerischer Staatsregierung und Opposition 2023 bezüglich der Heimfall-Thematik herrschte, hatte Seltenheitswert. Die Idee der Kraftwerksübernahme durch den Freistaat fand nach anfänglichem Zögern rege Zustimmung. Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) forderte laut Pressemitteilung der Staatsregierung 2023 den Bund energisch zu konkreten Gesprächen auf. Man müsse „die historische Chance nutzen“. Man strebe „die Übernahme der gesamten bayerischen Uniper-Wasserkraftwerke in eine landeseigene Betreibergesellschaft an. Auch eine gemeinsame Betreibergesellschaft mit dem Bund ist möglich.“ Dabei könne man sogar das Uniper-Betriebspersonal übernehmen.
Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sprach sich schon vor der Verstaatlichung Unipers für eine mindestens 50-prozentige Beteiligung des Freistaats an der Wasserkraftwerkssparte von Uniper aus. Man könne sich eine „goldene Nase verdienen“, sagte er im BR. Beim Besuch des Walchenseekraftwerks 2023 betonte Aiwanger, Wasserkraft sei „die Keimzelle der bayerischen Energieversorgung“. Der Freistaat müsse „da den Fuß in die Tür kriegen“. Letztendlich sprach sich auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf dem Parteitag 2023 in Nürnberg für die Übernahme der Kraftwerke aus. Laut der Grünen-Anfrage im Landtag gab es allerdings bis April 2022 keine Gespräche zwischen Uniper und Staatsministerien.
Im März dieses Jahres drehte sich der Wind von Seiten der Staatsregierung aber um 180 Grad: Der Freistaat rechne nicht mehr mit der Übernahme der Kraftwerke, sagte Aiwanger im März nach einer Kabinettssitzung. Uniper wolle im Wasserkraftgeschäft bleiben, deshalb „wollte, müsste oder auch nur könnte“ der Freistaat nicht einsteigen. Das widerspricht der Aussage von Uniper, die Heimfall-Karte könne immer gezogen werden, diametral. Auch ein Sprecher des Bayerischen Umweltministeriums bekräftigt: „Der Betreiber heimfallbewehrter Wasserkraftanlagen (Uniper) kann nur dann eine Neubewilligung der Wasserrechte beantragen, wenn mit dem Heimfallbegünstigten (dem Freistaat) der Umgang mit den Heimfallrechten geklärt ist.“ Und auch Triebel kommentiert Aiwangers Aussage deutlich: „Das ist schlicht Arbeitsverweigerung.“
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