Mit der Lechrangerin „auf Arbeit“: Patrizia Majowski über Renaturierungsmaßnahmen am Lech

  1. Startseite
  2. Bayern
  3. Kreisbote
  4. Oberland

Kommentare

Wacht über den Lech: Patrizia Majowski ist seit fünf Jahren als Lechrangerin für den Lebensraum Lechtal unterwegs. © Herold

Scheuring - Wenn man an einen „Ranger“ denkt, kommt einem schnell der Wilde Westen in den Sinn – oder das Auto. Mit beiden Assoziationen hat Patrizia Majowski nichts zu tun. Sie ist Rangerin des Lebensraums Lechtal und am Lech unterwegs, um Renaturierungsmaßnahmen zu prüfen. Ein Spaziergang am Fluss.

Naturliebhaber parken hier nicht – Allen anderen ist es verboten!“ Ein Schild der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises markiert die Stelle, an dem die Lech-Tour von Patrizia startet. Natürlich nicht mit dem Auto. Die Rangerin ist zu Fuß unterwegs, oft auch mit dem Rad. Zum vereinbarten Treffpunkt kommt sie mit ihrem ausgebauten VW-Bus. „Ich schlafe öfter im Auto, wenn ich in der Arbeit bin“, erklärt sie. Zuhause ist sie in Augsburg. Bevor es heute dahin zurück geht, steht aber noch eine Visite des Lechs, nahe der Staustufe 19, an.

Nach nur wenigen Minuten bleibt Patrizia zum ersten Mal stehen. Ihr Blick schweift auf das gegenüberliegende Lechufer. Eine riesige Kiesbank erstreckt sich über mehrere Meter. Ein grauer Klecks inmitten des braun-grün gescheckten Waldes, der den Lech hier umgibt. „Die Kiesbank wurde vom Fischereiverein Scheuring angelegt“, erklärt Patrizia. Der Luftwaffenfischereiverein Lechfeld habe die Kiesbank als Lebensraum verbessernde Maßnahme in den Fluss eingebaut. Denn der Kies ist der dominierende Lebensraum des Flusses. Hier leben Tiere wie die Steinfliegenlarve oder der Bachflohkrebs, hier laichen aber auch die Fische. Durch die Strukturveränderung und die Wasserkraft, die den natürlichen Geschiebebetrieb unterbrechen, schwindet aber die Kiesbedeckung und die Tiefenerosion nimmt zu. Durch die Kiesbank wird den mittlerweile bedrohten Fischarten ein Laichplatz geboten.

Baum fällt!

Der Weg schlängelt sich parallel zum Lech durch einen lichten Wald. Hier und da ist noch ein bisschen Schnee zu sehen, kaum zu glauben, dass noch vor gut zwei Wochen ein halber Meter Schnee gelegen haben soll. Einige Baumstämme sind in den Fluss gefallen. Hat Sturmtief „Ronson“ Mitte Juli die Bäume umgeknickt? Oder sind sie unter der Schneelast von Anfang Dezember zusammengebrochen? Weder noch. „In den Lech wird bewusst Totholz eingebaut“, sagt Patrizia. Dazu werden Bäume so gefällt, dass sie in den Fluss fallen. Dann werden sie mit Stahlseilen gesichert, damit sie nicht wegtreiben. Hier finden vor allem Jung- und Kleinfische Lebensraum – abgeschirmt von der Strömung des Lechs. Eine weitere Maßnahme, die die Reproduktion des Fischbestandes unterstützen und ein höheres natürliches Fischaufkommen ermöglichen soll. Denn durch die veränderte Struktur des Lechs wurde er vom „wilden Fluss“ zu einer Kette von Stauseen. Dadurch hat sich auch die Fischfauna verändert – die strömungsliebenden Arten sind inzwischen bedroht. Viele der ursprünglich heimischen Fische müssen jetzt von den Fischereivereinen in den Lech eingesetzt werden.

Hochwasserschutz

Patrizias Begehung führt einige Meter weiter zu einer Stelle, an der man bis zum Ufer des Lechs gehen kann. Hier sind keine Bäume, lediglich ein paar Sträucher, eine plattgetretene Wiese und einige große Steine, die mehrere Meter weit ins Wasser reichen. Wie auch die Bäume liegen diese Steine nicht zufällig im Wasser. Die Steinschüttung ist ebenfalls eine Maßnahme, die den Gewässerlebensraum verbessern soll. Denn an den Steinen bricht sich die Strömung und sie lockern die kanalartige Uferstruktur auf. So dienen sie für verschiedenste Lebewesen als Hochwasser- und Wintereinstand, als Lebensraum und Rückzugsort.

Lebensraum und Rückzugsort bedeuten auch, dass diese Stellen für Badegäste tabu sind. Deswegen wurden die Steine extra mit der Spitze nach oben ins Wasser gelegt, damit die Leute nicht auf ihnen herumspazieren. „Viele wissen es einfach nicht“, berichtet Patrizia aus ihrer mittlerweile fünfjährigen Arbeit am Lech. Wenn man die Leute darauf hinweise, dass sie an dieser Stelle nicht baden sollen, seien die meisten einsichtig. Die sogenannte Besucherlenkung ist ein Hauptbestandteil von Patrizias Arbeit. Sie bringt den Leuten in verschiedensten Formen die passenden Verhaltensweisen und Einstellungen gegenüber der Natur näher. Einige ließen sich aber einfach nicht informieren und hätten kein Verständnis, wenn sie an einigen Stellen nicht baden dürfen.

Eine dieser Stellen ist der letzte Punkt von Patrizias Begehung am Lech. Wie eine kleine Lagune erstreckt sich ein Seitenarm des Flusses am Ufer. Rundherum Wald, Kies, ein bisschen Sand und ein einzelner Baum, der auf dem Kiesbett in die Höhe ragt. „Vermutlich war die Einbuchtung schon da“, so Patrizia. Man hätte sie lediglich noch etwas mehr ausgehoben. Jetzt dient sie als Lebensraum für Klein- und Brutfische und als Rückzugsort bei Hochwasser. Und, ganz zum Bedauern der Rangerin, als beliebter Hundebadeplatz. Sicher könne man Schilder aufstellen. Mit zu vielen würden die einzelnen Plätze aber ihren Natur-Charakter verlieren. Patrizia hofft deshalb, dass es sich unter den Bewohnern und Besuchern herumspreche, dass manche Stellen nicht betreten werden sollen.

„Der Wasserstand ist sehr hoch“, bemerkt Patrizia sofort, als sie auf einer Brücke steht, unter der der Fluss durchfließt. Der viele geschmolzene Schnee und der Regen haben den Pegel höher steigen lassen als normalerweise zu dieser Jahreszeit. In ihre Blickrichtung erstreckt sich der einst „wilde Lech“ voller Natur – oder das, was davon übrig ist. Schaut man in die andere Richtung, sieht man das Kraftwerk der Staustufe „Schwabstadl“. Paradox: Ökonomie und Ökologie liegen hier nur eine Kopfbewegung weit auseinander. In der Realität scheinen aber noch Welten dazwischen zu stehen.

Gleichgewicht nötig

Dass die Veränderungen des Flusses irreversibel sind, erklärte Eric Bohl bei einem Termin Ende August an der Staustufe 10 in Epfach (der KREISBOTE berichtete). Es sei ein großer Aufwand nötig, um die Veränderungen zu kompensieren oder zu mildern, so der Fachmann vom Landesamt für Umwelt in Wielenbach damals. Was sagt die Lechrangerin dazu? Zunächst stellt sie klar, dass sie die Kooperation mit den Wasserkraftwerksbetreibern schätzt. Außerdem sieht sie Chancen für den Lech: „Wenn wir es vor 70 Jahren geschafft haben, den wilden Lech zu kanalisieren, dann schaffen wir es jetzt auch, ein Gleichgewicht zwischen Ökonomie und Ökologie herzustellen.“ Man müsse nur anpacken.

Was macht die Lechrangerin Patrizia Majowski?

„Es ist der beste Job der Welt“, sagt Patrizia Majowski über ihre Arbeit als Rangerin von einem der wichtigsten nördlichen Alpenflüsse. Aber wie kommt man dazu?

Patrizia kommt aus Coburg. Hier schloss sie ihren Bachelor in „BioGeo-Analyse“ ab und wollte danach eigentlich mit dem Rad durch die Welt reisen. Dann ist sie auf eine Stellenanzeige aufmerksam geworden: Für das Projekt „Alpenflusslandschaften – Vielfalt leben von Ammersee bis Zugspitze“ wurde ein Lechranger gesucht.

Seit fünf Jahren ist Patrizia jetzt Rangerin beim Lebensraum Lechtal und vor allem für Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit, Umweltbildung, Landschaftspflege und Monitoring zuständig. Dabei ist sie für die Lechstaustufen 2 bis 22 zuständig, vom Premer Lechsee bis an den Lechstausee Unterbergen im Landkreis Aichach-Friedberg. Ihre geplante Reise hat sie vorerst an den Nagel gehängt, mit dem Rad ist sie trotzdem unterwegs. Immerhin hat sie über 70 Kilometer ihres Lieblingsflusses zu betreuen. „Ich habe mich total in den Lech verknallt!“

Auch interessant

Kommentare