Streit um Touristen-Attraktion in Österreich: Gräbt Bayern Tiroler Schlucht das Wasser ab?
Ein Wasserkraftprojekt sorgt für Zündstoff: Einige befürchten, eine beliebte Tiroler Besucherschlucht könnte unter einem bayerischen Projekt leiden.
Innsbruck – Vor dem Landesverwaltungsgericht in Innsbruck fand am Dienstag (19. November) eine Verhandlung statt, in der es um das Wasser in der Geisterklamm an der Grenze der Tiroler Gemeinde Leutasch und des oberbayerischen Marktes Mittenwald ging. Erst 2006 wurde die Schlucht, durch die die Leutascher Ache mit azurblauem Wasser und weißer Gischt rauscht, in einem grenzüberschreitenden Projekt mit Stegen und einem Geister-Erlebnisparcours erschlossen. Vor allem Familien mit Kindern lieben die kostenlose Attraktion, in der es vor Hexen, Gnomen und Spielgeräten nur so wimmelt.
Österreich: Tiroler Privatier will Wasser in Schlucht lassen, Investoren aus Bayern wollen Großteil abzapfen
Bis vor 15 Jahren nutzte Tirols Stromkonzern TIWAG die Kraft der Leutascher Ache, um Strom zu erzeugen – bis das Kraftwerk stillgelegt wurde. Jetzt streiten zwei Parteien um eine neue Nutzung der Wasserkraft in der Klamm: Ein Leutascher Privatmann will das über 100 Jahre alte Kraftwerk, das aus einem Wehr 200 Meter vor Beginn der Klamm und einem Einlass am Anfang der Schlucht besteht, ertüchtigen.
Ein Projekt der Wasserkraftwerk-Leutasch-Mittenwald-GmbH, an der die Gemeindewerke Garmisch-Partenkirchen, die kommunale KEW Karwendel Energie & Wasser GmbH, der Markt Mittenwald und die Gemeinde Leutasch beteiligt sind, will viel weiter gehen: Es ist ein neuer Druckstollen geplant, der das Wasser für die Turbine auf bayerischem Boden am unteren Ende der Schlucht vorbeileiten soll.

Die Befürchtung der Touristiker: In der Geisterklamm ist dann nicht mehr genug Wasser, um eine Touristen-Attraktion zu bleiben. „Die Attraktivität der Geisterklamm muss erhalten bleiben“, sagt Leutaschs Bürgermeister Georgios Chrysochoidis gegenüber IPPEN.MEDIA. „Das Weißwasser und die Gischt sind unverzichtbar.“ Auch Mittenwalds Bürgermeister Enrico Corongiu sagt: „Wir wollen Mitsprache haben.“ Allerdings gibt er zu bedenken, dass das Kraftwerk 4000 Haushalte regenerativ und krisensicher mit Strom versorgen könne. Windräder dürften in der Region nicht errichtet werden, die Solarenergie habe Grenzen, Biogas scheide mangels Maisanbau aus. Der Privatinvestor aus Leutasch will übrigens 420 Haushalte in Tirol versorgen.
Bleibt die Geisterklamm auch mit weniger Wasser eine Touristen-Attraktion?
Laut Susanne Wagner, technische Leiterin der Gemeindewerke Garmisch-Partenkirchen, soll die neue bayerische Turbine auf bis zu 3100 Liter Wasser pro Sekunde ausgelegt sein, die dann in der Schlucht fehlen. „In der Leutascher Ache sollen im Winter mindestens 850 Liter pro Sekunde und im Sommer 800 Liter verbleiben“, erklärt Wagner weiter. „Dazu werden im Winter zehn und im Sommer 20 Prozent des jeweiligen Zuflusses hinzukommen.“ Laut Chrysochoidis liegt die Niedrigwasserschwelle bei 1000 Litern. Doch Wagner sagt: „Ich glaube schon, dass die Geisterklamm weiterhin erlebbar bleibt.“
Meine news

Im März genehmigte das Land Tirol das bayerische Projekt, der Leutascher Konkurrent legte Beschwerde ein. Gestern folgte die Verhandlung. „Die Verhandlung war konstruktiv“, so Wagner. Das Gericht wolle sein Urteil aber erst „zeitnah“ verkünden.
In der Geisterklamm kommt es immer wieder auch zu Unfällen und kuriosen Ereignissen: Im Mai kletterte ein Münchner auf das Gelände der Klamm und stürzte in die Schlucht. Auch in der benachbarten Höllentalklamm gibt es immer wieder schwere Unfälle. Und in der Nachbarschlucht der Partnachklamm kämpfen die Behörden mittlerweile mit den Problemen des Overtourism.