Bürgergeld-Kosten: Arbeitslosigkeit kostet Rentenkasse zehn Milliarden Euro – in einem Jahr
Die mit Arbeitslosengeld und Bürgergeld entstandenen Kosten sind im Jahr 2023 erneut gestiegen, wie neue Zahlen belegen. Auch die Rentenkassen müssen bluten.
Nürnberg – Arbeitslosigkeit geht ins Geld. Und zwar an vielen verschiedenen Ecken und Enden, wie dem IAB-Forum zu entnehmen ist. Das Magazin des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aus Nürnberg liefert die aktuellsten Zahlen aus dem Jahr 2023. Demnach stieg die Zahl der Arbeitslosen damals auf 2.609.000, womit sich Deutschland dem Wert von 2.695.000 aus dem ersten Corona-Jahr 2020 annäherte.
Neben 875.000 Empfängern von Arbeitslosengeld (ALG) waren auch 1.734.000 Bezieher von Bürgergeld zu verzeichnen. Die Zuwächse im Vergleich zum Jahr 2022 betrugen 8,2 respektive 7,7 Prozent. Insgesamt kamen 2023 fiskalische Kosten der Arbeitslosigkeit von 67,5 Milliarden Euro zusammen. Dies bedeutete ein Plus von 14,4 Prozent, die Summe machte 1,61 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Im Jahr 2005 waren die Kosten bezogen auf das BIP zwar mit 3,2 Prozent noch doppelt so hoch, 2022 lagen sie jedoch nur bei 1,52 Prozent.
Kosten von Arbeitslosigkeit: 41 Milliarden Euro an Transferzahlungen an ALG- und Bürgergeld-Empfänger
Die Kostensteigerungen insgesamt sind dem Bericht zufolge nicht nur auf die Zunahme der Arbeitslosigkeit zurückzuführen, sondern auch auf die höheren Regelsätze in der Grundsicherung. 2023 war das Jahr, in dem das Bürgergeld den Platz vom Arbeitslosengeld II – besser bekannt als Hartz IV – einnahm.
Die direkten Kosten der Arbeitslosigkeit entstehen durch die Transferzahlungen an die Empfänger von ALG und Bürgergeld. 2023 kamen hier einschließlich der abgeführten Sozialversicherungsbeiträge knapp 41 Milliarden Euro zusammen. Also gut 60 Prozent der Gesamtsumme.
Die Bundesagentur für Arbeit zahlte 15,5 Milliarden Euro an Versicherungsleistungen. Davon entfielen neun Milliarden Euro auf die Auszahlung des Arbeitslosengeldes, die übrigen 6,5 Milliarden Euro auf die Sozialversicherungsbeiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung für die Arbeitslosen.
Den größeren Posten innerhalb der direkten Kosten bildeten demnach das Bürgergeld und damit zusammenhängende Sozialleistungen wie die Kostenerstattung für Unterkunft und Heizung. Hier kamen 25,1 Milliarden Euro zusammen.
Kosten der Arbeitslosigkeit im Jahr 2023 laut IAB
Gesamtkosten: 67,5 Milliarden Euro
Ausgaben für Sozialleistungen: 25,1 Milliarden Euro (37,2 Prozent)
Mindereinnahmen bei Sozialbeiträgen: 18 Milliarden Euro (26,6 Prozent)
Ausgaben bei Versicherungsleistungen: 15,5 Milliarden Euro (23 Prozent)
Mindereinnahmen bei Steuern: 8,9 Milliarden Euro (13,2 Prozent)
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Bürgergeld verursacht Kosten: Erhebliche Steuerausfälle und Mindereinnahmen
Zu den höheren staatlichen Ausgaben gesellen sich infolge des geringeren Steueraufkommens und der niedrigeren Sozialbeiträge auch weniger Einnahmen bei den Gebietskörperschaften und bei den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung. Im Jahr 2023 summierten sich auf diesem Weg insgesamt 26,8 Milliarden Euro an indirekten Kosten auf.
Um diese Mindereinnahmen zu berechnen, wird vom durchschnittlichen Einkommen ausgegangen, das die Arbeitslosen im Falle einer Beschäftigung erzielen könnten. Bei den Gebietskörperschaften kamen dem IAB zufolge Steuerausfälle von 8,9 Milliarden Euro zusammen, die Mindereinnahmen infolge der Arbeitslosigkeit betrugen bei den Sozialversicherungsträgern etwa 18 Milliarden Euro.

Der Preis der Arbeitslosigkeit: Rentenkassen verlieren fast zehn Milliarden Euro
Die Arbeitslosenversicherung verzeichnet bei Arbeitslosen gar keine Einnahmen, weil vom ALG und vom Bürgergeld keine Beiträge abgeführt werden. Den größten Batzen der 18 Milliarden Euro bekommt die Rentenversicherung zu spüren, der 9,9 Milliarden Euro verloren gehen. Um es zu verdeutlichen: 2023 kostete die Arbeitslosigkeit in Deutschland allein die Rentenkassen fast zehn Milliarden Euro.
Den Krankenkassen gehen aus demselben Grund 5,1 Milliarden Euro durch die Lappen. Bei der Arbeitslosenversicherung waren es 1,8 Milliarden Euro und bei der Pflegeversicherung 1,1 Milliarden Euro.
Krankenkassen sauer auf Politik: „Schere bei Einnahmen und Ausgaben geht weiter auseinander“
Zuletzt hatte bereits Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse (TK), im Focus gemahnt: „Die Schere zwischen Beitragseinnahmen und den Ausgaben im Gesundheitssystem geht immer weiter auseinander. Und die Politik tut nichts dagegen.“ Dass das Bürgergeld ein so großer Kosten-Posten sei – jährlich würden neun Milliarden Euro an den Krankenkassen hängen bleiben –, sei ein „Webfehler im System“.
Bereits im vergangenen Jahr offenbarte eine Umfrage des Business Insider, dass Krankenkassen Einsparungen von rund zehn Milliarden Euro beim Bürgergeld für möglich hielten, wenn sich der Staat zu einem größeren Teil an den Kosten beteiligen würde. Genau dies hatte die Ampel-Koalition eigentlich auch angekündigt.

Auf eine Große Anfrage von CDU und CSU zum Thema gab die scheidende Regierung diese Antwort: „Das Bundesministerium für Gesundheit empfiehlt in seinen Empfehlungen für eine stabile, verlässliche und solidarische Finanzierung der GKV (gesetzliche Krankenversicherung, d. Red.) eine Umsetzung, sobald es die haushaltspolitischen Rahmenbedingungen im Lichte der wirtschaftlichen Entwicklung zulassen.“ Zunächst sollen also die Wirtschaft wieder in Schwung kommen und die Kassen des Bundes besser gefüllt sein. Nun wird sich die Union dem Thema ohnehin selbst annehmen können.
Arbeitslosigkeit verursacht Milliarden-Kosten: Experten rechnen 2024 mit weiterem Anstieg
Nicht nur die Politiker der künftigen Koalition werden interessiert lesen, was das IAB in seinem Bericht mit Blick auf die weitere Entwicklung schreibt: „Aufgrund der weiter gestiegenen Arbeitslosenzahlen und der abermaligen deutlichen Erhöhung des Regelsatzes in der Grundsicherung Anfang 2024 ist von einer weiteren Zunahme der Kosten der Arbeitslosigkeit im Jahr 2024 auszugehen.“ Die Nullrunde beim Bürgergeld-Regelsatz im aktuellen Jahr werde dämpfend wirken.
Es folgt dieser Vorschlag an die Adresse der Politik: „Auch im Zuge dieser Ausschläge bei der Kostenentwicklung liegt es daher nahe, den Anpassungsmechanismus so zu ändern, dass eine zeitnahe, aber kontinuierliche Inflationsanpassung erfolgt.“
Aktuell ist die Höhe der Regelbedarfe von der Preis- und Lohnentwicklung sowie von der aktuellen Inflation abhängig, die Fortschreibung findet in der Regel jährlich statt. Dabei wird eine Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zugrunde gelegt, die das Statistische Bundesamt alle fünf Jahre vornimmt. (mg)