Aus NS-Zeit belastet? Gymnasium Pullach hadert mit Namenspatron Otfried Preußler
Der Erfinder des „Räuber Hotzenplotz“ wäre heuer hundert geworden. Deshalb gab es einen Preußler-Abend in Pullach. Aber die Schulfamilie ringt weiter mit diesem Namenspatron.
Pullach – Vor Kurzem fand im Otfried-Preußler-Gymnasium in Pullach ein Info-Abend statt zum Namensgeber der Schule. Schüler, Lehrer und Eltern sind dafür, sich von den Namen zu trennen, wegen Preußlers Haltung in der NS-Zeit. Jetzt hat auch die örtliche Bücherei, weil der Erfinder des „Räubers Hotzenplotz“ heuer 100 geworden wäre, einen Abend ihm zu Ehren veranstaltet, der aber ein wenig anders ausfiel.
Tilman Spreckelsen liest aus der Biografie, die er im zum Jubiläum geschrieben hat
Erst wurde der Film gezeigt, den Thomas von Steinaecker über „Krabat“, Preußlers Jugendroman, gedreht hat, dann las Tilman Spreckelsen aus der Biografie, die er im Auftrag des Thienemann-Verlags zum Jubiläum geschrieben hat. Mit der Moderatorin Christine Knödler schwärmten die beiden im Anschluss über die präzise, schöne Sprache von Preußler, über die Zeitlosigkeit seiner Werke. Im Publikum saß Gymnasiums-Direktor Benno Fischbach, saßen einige Lehrer und noch mehr Schüler. Sie kamen erst sehr spät, nach fast drei Stunden Programm, zu Wort – zu einem Zeitpunkt, zu dem die Hälfte der Jugendlichen schon gegangen war. Dabei war quasi das Bedürfnis, über die Umbenennung der Schule, die sehr wahrscheinlich ist, zu sprechen, fast mit Händen zu greifen.
Spreckelsen hat für die Recherchen Zugang bekommen zum Familienarchiv
Auf der anderen Seite war freilich auch nicht uninteressant, was Spreckelsen und von Steinaecker erzählten. Beide sagten, sie seien mit Preußler sozialisiert worden. Spreckelsen hat für die Recherchen Zugang bekommen zum Familienarchiv, dreimal fuhr er nach Reichenberg, damals Sudetenland, jetzt Liberec im heutigen Tschechien, wo Preußler geboren wurde. Er spazierte in das Wäldchen, in dem der spätere Erfolgsschriftsteller Indianer spielte, wobei, wie Spreckelsen erfuhr, er immer der Oberindianer war. „Ich habe lang geforscht und schnell geschrieben.“ Was er las aus der Biografie, war einigermaßen beklemmend und handelte etwa davon, wie Preußler, dessen Vater Hilfslehrer war und ehrenamtlich das Heimatmuseum betreute, ihn vor Besuchern im Museum mit einem Regenschirm aus dem Museum vermöbelte nur weil er, kleiner Bub, der er war, den Besuchern Inhalte eines Schranks gezeigt und dazu Geschichten erzählt hatte.
Preußlers erstes Buch war ein HJ-Roman
Preußler bewunderte seinen Vater, das ist bekannt, und wie der Vater wurde auch er früh NSDAP-Mitglied, er engagierte sich dann über die Maßen in der HJ, und das erste Buch, das von ihm erschien, das er aber immer verschwiegen hat, ist ein HJ-Roman. Mit 18 Jahren sei Preußler, sagte Spreckelsen, schon eine „kleine lokale Berühmtheit“ gewesen, er trug Gedichte in der Jackentasche mit sich herum und las sie dem vor, der das wollte. Dann ging das Sudetenland ans „Deutsche Reich“, ein Festtag für den Vater, der im Tagebuch von „unbeschreibbarem Glück“ schwadroniert, ein Festtag wohl auch für den Sohn. Ein Freund von ihm musste mit seiner Familie fliehen, sie waren Juden, später hatte Preußler mit ihm wieder Kontakt. Aber er hat sich nie entschuldigt für das, was passiert war. Spreckelsen: „Es kamen vom Freund auch keine Schuldzuweisungen.“
Mit 60 habe sich Preußler zunehmend mit der Vergangenheit befasst
Mit 60 habe sich Preußler zunehmend mit der Vergangenheit befasst; was er über die NS-Zeit dachte, verpackte er in Botschaften in seinen Büchern. Die „Kleine Hexe“ sei, sagte Spreckelsen, alles andere als angepasst, sondern eher aufmüpfig, und „Krabat“ handle ja ohnehin von der Überwindung totalitärer Umstände.
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Jugendlichen wollen einen Rat: Gymnasium umbenennen oder nicht?
Als sie endlich an der Reihe waren, wollten die Jugendlichen von den beiden Gästen auf dem Podium wissen, was sie ihnen raten würden, bezüglich des Schulnamens. Spreckelsen sagte, er würde überlegen, was schwerer wiegt, die „Kleine Hexe“ oder der „HJ-Roman“. Thomas von Steinaecker meinte: Es sei doch gut, wenn man sich an einem Namensgeber abarbeiten könnte. „Heilige sind langweilig.“
Die Schule will gar keinen Heiligen als Paten - aber eignet sich Otfried Preußler als Vorbild?
Die Schule will aber gar keinen Heiligen als Paten. Sie findet nur, Preußler, der das eigene Verhalten nie kritisch reflektiert hat, nur laut nachdachte darüber, warum ausgerechnet er überleben durfte, eigne sich nicht als Vorbild. Die Entscheidung liegt beim Zweckverband und fällt vermutlich im März.