Rüstung als Chance: Mit höheren Verteidigungsausgaben zum deutschen Wirtschaftswunder

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Mit der neuen US-Regierung wächst der Druck auf die Europäer, mehr Geld für Rüstung auszugeben. Laut einer Studie könnten höhere Verteidigungsausgaben das Wirtschaftswachstum in Europa beleben.

Berlin – Höhere Verteidigungsausgaben könnten das Wirtschaftswachstum in Europa deutlich ankurbeln und den Industriestandort signifikant stärken, wenn die Regierungen die zusätzlichen Mittel für modernste Rüstungsgüter aus europäischer Produktion ausgeben könnten. Das zeigt eine Untersuchung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). „Wenn die europäischen Regierungen es richtig anstellen, können sie die Kosten der militärischen Aufrüstung in Grenzen halten“, sagt der Autor der Untersuchung, Ethan Ilzetzki, von der London School of Economics.

Militärausgaben lassen das Bruttoinlandsprodukt steigen

Laut IfW Kiel zeigt sich, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,9 bis 1,5 Prozent im Jahr steigen könnte, wenn die EU-Staaten ihre Militärausgaben vom NATO-Ziel von 2 Prozent auf 3,5 Prozent des BIP anheben und dabei auf europäische Hightech-Waffen umsteigen. „Das bedeutet, dass Europa über seine Militärausgaben im Lichte seiner Prioritäten für die regionale Sicherheit entscheiden kann, ohne sich von der Angst vor einer wirtschaftlichen Katastrophe ablenken zu lassen“, sagte Ilzetzki.

Mehr Privatwirtschaft durch höhere Verteidigungsausgaben

Eine Erhöhung der europäischen Verteidigungsausgaben von knapp 2 Prozent des BIP auf 3,5 Prozent würde laut IfW derzeit rund 300 Milliarden Euro pro Jahr kosten. Aber die Studie legt nahe, dass diese Summe eine ähnlich hohe zusätzliche private Wirtschaftstätigkeit erzeugen könnte, wenn sie gezielt in den Ausbau der militärischen Fähigkeiten Europas investiert würde, sagte Moritz Schularick, Präsident des IfW Kiel: „Wenn Europa die nächste Generation von Rüstungstechnologie und andere Waffen vor Ort entwickeln könnte, anstatt sie aus den USA zu kaufen, könnten die wirtschaftlichen Auswirkungen weit über kurzfristige fiskalische Multiplikatoreffekte hinausgehen und das Wachstum mittelfristig ankurbeln.“

Die Debatte über die Fähigkeit Europas, sich selbst zu verteidigen, hat seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Jahr 2022 an Dringlichkeit gewonnen. Viele Länder haben seitdem ihre Militärbudgets erhöht, sodass die EU-Ausgaben 2024 knapp unter dem NATO-Ziel von 2 Prozent lagen. NATO-Generalsekretär Mark Rutte hat jedoch jüngst darauf hingewiesen, dass Europa während des Kalten Krieges „weit über 3 Prozent“ für die Verteidigung ausgegeben habe – und US-Präsident Donald Trump hat sogar ein neues Ziel von 5 Prozent vorgeschlagen.

Die Voraussetzungen für mehr Wirtschaftswachstum

Um Rüstungsausgaben als Wachstumschance für die Wirtschaft zu nutzen, müssen nach Ansicht der Kieler Wissenschaftler allerdings mehrere Kriterien erfüllt sein.

  • „Das BIP-Wachstum wird geringer ausfallen, möglicherweise sogar negativ sein, wenn zusätzliche Verteidigungsausgaben von Anfang an durch höhere Steuern finanziert werden“, heißt es in der IfW-Studie. Europas Regierungen sollten daher mehr Schulden aufnehmen, um vorübergehende Mehrausgaben oder den Übergang zu auf Dauer höheren Budgets zu finanzieren.
  • Derzeit stammen rund 80 Prozent der Rüstunganschaffungen von Unternehmen außerhalb der Europäischen Union, darunter die USA und Großbritannien. Die europäischen Regierungen müssten dafür sorgen, dass ein größerer Teil ihrer Militärausgaben in Europa bleibt, empfiehlt der IfW.
  • Die nächste Generation von Rüstungsgütern würde zudem eine Neuausrichtung der europäischen Forschungs- und Entwicklungspolitik (F&E) erfordern. Wie der Draghi-Bericht über die europäische Wettbewerbsfähigkeit im vergangenen Jahr gezeigt hat, geben die USA 16 Prozent ihrer Militärausgaben für Forschung und Entwicklung aus. Das sind in absoluten Zahlen zehnmal mehr als die EU mit 4,5 Prozent.
  • Eine weitere Voraussetzung wäre, dass alle Regierungen ihre Militärausgaben auf EU-Ebene organisieren und letztendlich auch gemeinsam finanzieren. Ein EU-Beschaffungswesen sollte den Kauf einzelner Waffensysteme von mehreren europäischen Anbietern fördern, um den Wettbewerb und die Verbreitung von Fachwissen aufrechtzuerhalten.

Privatwirtschaft ankurbeln, nicht verdrängen

Tatsächlich gibt es zum Zusammenhang zwischen Rüstungsausgaben und Wirtschaftswachstum viel Forschung, aber wenige eindeutige Erkenntnisse: Teilweise überwiegen leicht positive, teilweise leicht negative Effekte. Wichtig ist demnach, dass die Verteidigungsausgaben die Privatwirtschaft nicht verdrängen, sondern stimulieren.

Der IfW-Report widerspricht der weit verbreiteten Annahme, dass höhere Militärausgaben Regierungen vor die Wahl „Waffen oder Butter“ stellen: Zusätzliche Gelder, Arbeitskräfte und Rohstoffe für militärische Zwecke gehen demnach traditionell nicht ausschließlich zu Lasten des privaten Konsums, heißt es.

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