Parkinson: Neue Stammzell-Therapie schenkt Patienten neue Nervenzellen
Rund 400.000 Menschen in Deutschland leiden an Parkinson – Tendenz steigend. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen ist sie die am schnellsten wachsende neurodegenerative Erkrankung weltweit, noch vor Alzheimer.
Bislang gilt die Krankheit, bei der dopamin-produzierende Nervenzellen im Gehirn absterben, als unheilbar. Durch medikamentöse Therapien lässt sich Parkinson jedoch jahrelang gut kontrollieren.
Zwei Studien, die nun im Fachmagazin „Nature“ erschienen, zeigen darüber hinaus, dass auch Zelltherapien typische Parkinson-Symptome wie Zittern und steife Muskeln lindern können – indem sie verlorengegangene Nervenzellen ersetzen.
Forscher transplantieren Parkinson-Patienten neue Nervenzellen
Eine Studie führten US-amerikanische Forscher durch. Dabei handelte es sich um eine klinische Phase-I-Studie, also eine erste Untersuchung einer neuen Behandlung am Menschen.
Die Wissenschaftler um Vivane Tabar vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center testeten dabei aus Embryonen gewonnene Stammzellen, die sich in alle Zelltypen des Organismus entwickeln können.
Im Labor wandelten sie diese in eine Vorstufe von dopamin-produzierenden Nervenzellen um und transplantierten diese in einem operativen Eingriff in die Gehirne von zwölf Parkinson-Patienten. Fünf von ihnen erhielten eine niedrigere, sieben eine höhere Dosis an Zellen.
18 Monate später unterzogen sie sich einer radiologischen Untersuchung. Diese ergab, dass die transplantierten Nervenzellen überlebt hatten und Dopamin produzierten. Insbesondere bei den Probanden in der Hochdosisgruppe verbesserte sich daraufhin die Beweglichkeit. Schwere Nebenwirkungen oder Tumore traten nicht auf.
Auf Basis der Ergebnisse planen die Forscher, noch im ersten Halbjahr 2025 eine zulassungsrelevante Phase-3-Studie zu starten.
Probanden zeigten bessere Beweglichkeit und motorische Fähigkeiten
Die Forschung an embryonalen Stammzellen ist ethisch umstritten. Als Alternative haben sich die induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) etabliert, die im Labor aus Körperzellen hergestellt werden und embryonalen Stammzellen ähnlich sind.
Mit iPS-Zellen experimentierte wiederum ein Forschungsteam aus Japan in einer Phase-II-Studie. Sie nutzten die Blutzellen eines gesunden Spenders, die sie im Labor in Stammzellen reprogrammierten. Aus den daraus entstandenen iPS-Zellen stellten die Forscher um Ryosuke und Jun Takahashi ebenfalls Vorstufen von dopamin-produzierenden Nervenzellen her, welche sie in die Gehirne von sechs Patienten transplantierten.
Die Wissenschaftler beobachteten die Studienteilnehmer schließlich für zwei Jahre. Das Ergebnis: Wie bei den Probanden in der US-amerikanischen Studie zeigte sich eine Verbesserung der motorischen Funktion.
Externe Mediziner loben Ergebnisse, weisen aber auf Einschränkungen der Studie hin
Nicht nur die beiden Forscherteams, auch Wissenschaftler, die nicht an der Studie beteiligt waren, sprechen von „vielversprechenden Ergebnissen“.
So auch Frank Edenhofer, stellvertretender Vorstand des Instituts für Molekularbiologie und Leiter der Arbeitsgruppe für Genomik, Stammzellbiologie und Regenerative Medizin an der Universität Innsbruck. Insbesondere bei jüngeren Patienten schien die Zelltherapie eine höhere Wirksamkeit zu haben, sagt er in einer Pressemitteilung des Science Media Center (SMC).
Allerdings merkt der Professor kritisch an, dass sowohl die geringe Probandengröße als auch die begrenzte Beobachtungsdauer die Aussagekraft beider Studien einschränken. „Außerdem fehlen randomisierte Kontrollen beziehungsweise ein Placebo-Arm, die in weitergehenden Studien im Fokus stehen müssen“, sagt Edenhofer.
Darüber hinaus sei es „problematisch“, dass die Bewertung des Schweregrades der Parkinson-Krankheit der Patienten durch den MDS-UPDRS-Score zu einem größeren Teil auf klinischer Einschätzung und Selbstberichten der Probanden beruhe. Zusätzliche objektive Messmethoden seien nach Einschätzung des stellvertretenden Institutsvorstands ratsam.
Therapie wohl eher für Patienten in fortgeschrittenen Stadien geeignet
Dem schloss sich auch Paul Lingor, Oberarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München und Leiter der Spezialambulanz für Motoneuronerkrankungen und Parkinsonerkrankungen an. Gleichwohl die Daten zur Sicherheit und Verträglichkeit der Therapie „ermutigend“ seien, dürften die „Aussagen zur Wirksamkeit nicht überinterpretiert“ werden.
In seiner Kritik schloss er sich Edenhofers Argumenten an und ergänzte in der SMC-Pressemitteilung: „Die Zelltransplantation ändert nichts an der Grunderkrankung, welche trotz der Transplantation weitergeht.“ Es sei bekannt, dass transplantierte Zellen nach mehreren Jahren krankhafte Veränderungen und Ablagerungen des Proteins Alpha-Synuclein in der Umgebung im Gehirn hervorrufen.
„Insofern wird eine solche Therapie eher fortgeschrittenen Stadien vorbehalten sein und man wird Patienten sorgfältig auswählen müssen, damit diejenigen behandelt werden, die am meisten von dieser noch aufwendigen Therapie profitieren“, sagte der Oberarzt.
Wie Sie Parkinson vorbeugen
Etwa zehn Prozent der Parkinson-Erkrankungen sind genetisch bedingt. Für den weitaus größeren Teil der Fälle ergeben sich aus den Risikofaktoren indes weitreichende Präventionsmöglichkeiten, die Sie selbst in der Hand haben.
„Wer moderaten Ausdauersport betreibt, kann das Risiko für Parkinson um bis zu 60 Prozent senken“, betont Eva Schäffer von der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Kiel. Dabei müsse es keine bestimmte Sportart sein: „Alles, was Herz- und Atemfrequenz steigert, hilft.“
Auch Neurologin Brit Mollenhauer, Chefärztin an der Paracelsus-Elena Klinik in Kassel, hebt hervor: „Bewegung hat eine sehr starke antientzündliche Wirkung und ist eigentlich das beste Medikament, das wir in uns tragen. Insbesondere für Menschen im mittleren Alter wäre eine Stunde Sport am Tag ideal, kombiniert mit einer entsprechenden Ernährung.“
Dabei seien viel Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte vorteilhaft, so Schäffer: „Ballast- und Pflanzenstoffe wirken sich positiv auf das Darmmikrobiom aus – und seit einiger Zeit wissen wir, dass es eine Verbindung zwischen Darm und Gehirn, die Darm-Gehirn-Achse, gibt.“
Dazu passt, dass viele Parkinson-Patienten teils schon Jahrzehnte vor ihrer Diagnose unter schwerer Verstopfung leiden.