Bairawieser demonstrieren erneut gegen Asyl-Unterkunft
Erneut haben die Bairawieser gegen eine Asyl-Unterkunft demonstriert. Die Protestaktion sorgt inzwischen über die Landkreisgrenzen hinaus für Interesse.
Dietramszell – Die Frage, die über allem steht, besteht aus vier Worten: „Wie soll das funktionieren?“ Ein, wie die Bairawieser es nennen, „Containerdorf“ mit 128 Flüchtlingen in einem 280-Seelen-Dorf in Oberbayern. Daran erinnerte am Dreikönigstag eine weitere Demonstration in dem Dietramszeller Ortsteil. Zu dem Lichterspaziergang hatten sich zwar „nur“ ziemlich genau 100 Bürgerinnen und Bürger, Alte, Junge und ganz Junge, eingefunden, deutlich weniger als die circa 180 Menschen bei der ersten Demo. Dafür sorgt die Protestaktion inzwischen weit über die Landkreisgrenzen hinaus für Interesse.
ARD-Mann Ingo Zamperoni interviewt Wolfgang Köster
So setzte sich der Tross zu den zwei Flurstücken am anderen Ende des Dorfs Richtung Punding, auf denen ein Investor die Unterkunft bauen will, eine Viertelstunde später als geplant in Bewegung. Organisator und Sprachrohr Walter Köster war zuvor bei ARD-Tagesthemen-Moderator Ingo Zamperoni und einer jungen RTL-Kollegin als Interviewpartner gefragt gewesen.
Darin fasste er den Sinn und Zweck der Aktion zusammen. „Wir wollen unserem Anliegen Nachdruck verleihen, das Containerdorf zu verhindern“, betonte der Vorsitzende des neu gegründeten Vereins „Bairawies Aktiv!“ Er bekräftigte, warum die Einwohner sich so vehement wehren. „Wir haben hier keine Arztpraxis, keine Apotheke, keinen Bäcker, keinen Supermarkt. Wir haben keinen Fußballplatz, keinen Kinderspielplatz“, so Köster. „Wo sollen die Leute hin, nach unseren Informationen sind in der Unterkunft keine Gemeinschaftsräume vorgesehen.“ Immerhin: Zum Einkaufen in Bad Tölz oder Geretsried, für Behörden oder Arztbesuche hält seit geraumer Zeit tagsüber alle 20 Minuten ein X-Bus am Häusl an der Staatsstraße 2072. „Es ist fahrlässig, so viele Leute in ein Dorf zu bringen. Damit sind wir hoffnungslos überfordert“, betonte Köster. Dies sei absolut der falsche Weg.

Dieser Meinung sind die meisten Männer und Frauen, die mit Laternen kurz darauf auf der Dorfstraße spazierten. „So ein kleiner Ort hat nicht die Infrastruktur für so viele Menschen“, erklärte eine junge Mutter, die mit ihrem Mann und den zwei Kindern mitging, vor laufender Kamera. Ob es Befürchtungen gebe? „Nein“, sagte sie nach kurzem Zögern. „Das sehen wir, mein Mann und ich, noch recht entspannt.“ Dass der Dorffrieden gestört würde, glaube sie nicht. Derzeit sei ein anderer, durchaus erfreulicher Trend festzustellen, meinte der „Bairawies Aktiv!“-Vorsitzender. „Wenn man einen positiven Aspekt herausheben will, dann ist es der, dass alle zusammenstehen, es gibt einen Schulterschluss zwischen den Leuten“, hob Walter Köster hervor. „Es tut der Dorfgemeinschaft gut.“
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Neben den Laternen, mit denen sie ein wenig Licht in die unbeleuchtete Dorfstraße brachten, trugen einige „Demonstranten“ auf ihrem stillen Marsch bunte Bänder an den Handgelenken. Mit handgeschriebenen Sprüchen darauf wie „Irgendwo im Nirgendwo“, „Es reicht!“, „Von Bairawiesern für Bairawieser“ und eben auch „Wir soll das funktionieren?“. „Wir wollen damit unsere Wünsche, Sorgen und Nöte nochmal deutlich machen“, erklärte Janine Heimgreiter den Sinn der bunten Spruchbänder, die nach der Demo am Zaun des für die Containersiedlung vorgesehenen Grundstücks angebracht werden sollten. Wie vielen anderen stößt ihr besonders auf, dass man im Dorf im Grunde zufällig von dem Vorhaben erfahren habe. „Warum wurde das nicht persönlich vorgestellt?“, zeigte sich die Bairawieserin verärgert. „So erweckt es den Eindruck, dass sich ein Investor an den Asylbewerbern eine goldene Nase verdienen will.“ Es gebe kein Rahmenprogramm, keine Angaben, wie man sich vorstelle, dass die neuen Bewohnerinnen und Bewohner von A nach B kommen. „20 oder 30 Leute könnten wir stemmen“, pflichtet Gemeinderat Thomas Bachmeier bei. „Aber so eine Menge, wie soll man die integrieren?“
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Der Bauausschuss der Gemeinde hat wie berichtet den Antrag zu dem Projekt abgelehnt. Seither leben die Bairawieser mit der Befürchtung, dass das Landratsamt das sogenannte gemeindliche Einvernehmen ersetzt, sprich: sich über den Willen der Dorfbewohner hinwegsetzt und dem Lenggrieser Grundstückseigentümer Christoph Hertwig grünes Licht für sein Vorhaben erteilt.
Drohne filmt Bairawieser Sorgen-Fragezeichen
Es dämmerte, als der Lichterzug den „Bauplatz“ erreichte. „Es bleiben viele Fragen offen“, leitete Köster den Schluss der Veranstaltung ein. „Wie soll das funktionieren? Wie sollen wir damit umgehen? Welche Politiker werden uns unterstützen?“, zählte er ungeklärte Aspekte auf, ehe die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich mit ihren Laternen in Form eines überdimensionalen Fragezeichens auf der Wiese aufreihten. Und dort noch eine Weile ausharrten, bis der Kameramann die Drohne gefunden hatte, die das Bairawieser Sorgen-Fragezeichen aus der Luft filmte. Zu sehen sein wird der Beitrag am 17. Februar, eine Woche vor der Bundestagswahl, um 20.15 Uhr in der ARD-Dokumentation „Was Deutschland bewegt.“
Rudi Stallein
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