Nacht-und-Nebel-Aktion: Neonazis verteilen Flugblätter in Bairawies

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Unbekannte Aktivisten der Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ posieren vor dem Ortsschild von Bairawies. Sie verteilten Flugblätter gegen die in dem Dorf geplante Flüchtlingsunterkunft. © Screenshot

In Bairawies (Gemeinde Dietramszell) wehren sich die Bürger gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft. Ihr Protest hat Neonazis auf den Plan gerufen.

Dietramszell – Mit ausländerfeindlichen Parolen wolle er nichts zu tun haben. Das hatte Initiator Wolfgang Köster von Anfang an klargestellt. Verhindern konnte er es dennoch nicht, dass Rechtsextremisten auf den Zug der Bairawieser Proteste gegen die dort geplante Asylunterkunft der aufsprangen. Kurz nach der Gründung des Vereins „Bairawies aktiv!“ und der ersten Demonstration (wir berichteten) tauchten in dem Ortsteil Flugblätter der Partei „Der Dritte Weg“ auf. „Stoppt die Invasoren!“, heißt es darin über dem Foto eines aufgeschreckten Waschbären.

Staatsschutz stellt fest: „Ganz klar eine Straftat“

Auch wenn im Text vordergründig von Tieren die Rede ist, lassen Formulierungen wie „Grenzen dichtmachen“, „Masseneinwanderung stoppen“ und von „Invasoren, [die] per Boot und Flugzeug kommen“ keinen Zweifel an der dahinterstehenden neonazistischen Ideologie. Wenige Tage später landete ein zweiter Zettel mit ähnlichen Inhalten in den Briefkästen im 280-Einwohner-Dorf.

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Steffen Frühauf, Leiter des Fachkommissariats für polizeilichen Staatsschutz bei der Kriminalpolizei Weilheim, sieht in der Flugblattaktion „ganz klar eine Straftat“, sagt er auf Nachfrage unserer Zeitung. Im Impressum des Flyers wird ein Mann aus Brandenburg als Verantwortlicher genannt. Gegen den liege bei der Staatsanwaltschaft München I bereits eine Strafanzeige vor. Auch die zuständige Behörde habe deutlich gemacht, dass sie den Inhalt als volksverhetzend erachte. Aufgenommen und weitergeleitet wurde der Vorfall in Bairawies von der Polizeiinspektion Geretsried, an die sich einer der Anwohner gewandt hatte.

Wir sind ganz weit weg von Neonazis.

Auf der Internetseite des „Dritten Wegs“ findet sich ein Bericht über die Nacht-und-Nebel-Aktion. Sechs Aktivisten des „Stützpunkts München/Oberbayern“ posieren auf einem Foto im Dunkeln neben dem Ortsschild von Bairawies. In den Händen präsentieren sie die Flugblätter, ihre Gesichter sind verpixelt. „Obwohl wir einige Mitglieder kennen, können wir darauf niemanden identifizieren“, so Frühauf. Bisher sei die Kleinstpartei vornehmlich im Nachbarlandkreis Garmisch-Partenkirchen in Erscheinung getreten – und auch dort meist „anonym und eher konspirativ“. Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen seien bisher keine Vorfälle bekannt gewesen.

Köster geht davon aus, dass die Rechtsextremen durch Zeitungsberichte über die Demonstration Ende November auf Bairawies aufmerksam wurden: „Wenn es hier im Dorf einen Sympathisanten gibt, hat er sich nie geoutet.“

Flugblatt stößt bei Bairawiesern auf einhellige Ablehnung

Bei den Anwohnern sei das Flugblatt durchweg auf Ablehnung gestoßen. Dennoch hält er es „rein statistisch“ für möglich, dass sich unter den 280 Einwohnern Anhänger von politischen Randparteien finden. Köster selbst ist Vorstandsmitglied des Grünen-Ortsverbands Dietramszell/Egling. Er habe den Verein bewusst unpolitisch gehalten, weil es nicht um Parteiinteressen, sondern um das Dorf gehe.

„Wir sind ganz weit weg von Neonazis“, betonte er. Dennoch sei es nach wie vor das Ziel des Vereins, das Containerdorf für 130 Asylsuchende zu verhindern: „Wir haben hier keine Infrastruktur, keine Sozialräume, wo man sich treffen könnte, keine Möglichkeit, Betreuung zu leisten.“. Als nächste Aktion gegen die geplante Unterkunft sei eine Lichterkette am 6. Januar. Bürgermeister Josef Hauser hatte juristische Schritte angekündigt, wenn das Landratsamt dem Bauantrag eines Lenggrieser Investors gegen den Willen der Gemeinde zustimmt. Sollten trotzdem Flüchtlinge kommen, wolle er sich aber bemühen, bei der Integration zu helfen, versichert Köster – sei es in der ehemaligen Öko-Akademie Linden oder „im Worst-Case-Szenario“ in Bairawies.

Neonazistische Kleinstpartei

„Der Dritte Weg“ ist eine politische Kleinstpartei, die einen stark neonazistisch geprägten Rechtsextremismus vertritt und unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. Der Partei gehören laut Bundesamt für Verfassungsschutz bundesweit etwa 800 Personen an, in Bayern 155. Bei der Bundestagswahl 2021 erhielt sie unter 0,1 Prozent der Zweitstimmen (in Bayern 3545 Stück). Sie trat bisher vor allem durch Aktionen gegen Flüchtlingsunterkünfte in Erscheinung.

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