Renoviertes „Schmuckstück“: Diese Familie wohnt im ältesten Gebäude Ayings
Das Haus, in dem Familie Strauß in Aying wohnt, ist 450 Jahre alt. Wie sie aus dem Bauernhaus ein Schmuckstück gemacht haben, zeigen sie bei einer Führung.
An den verwitterten Holzbalken der Wandfassade hängen getrocknete Maiskolben und alte Mähwerkzeuge, der gräulich, schiefe Balkon mit den handgeschnitzten Balken erinnert an ein Hexenhäuschen. Der ehemalige Bauernhof an der Münchner Straße in Aying wirkt wie aus der Zeit gefallen. Die hellen und gepflegten Blumenkästen, die mit weißen und magentafarbenen Pflanzen geschmückt sind sowie die neuen Fensterrahmen zeigen jedoch: In dem fast 450 Jahre alten Haus herrscht Leben.
„Meine Kinder sind die 20. Generation, die hier aufwächst“, sagt Franz Josef Strauß stolz. Er hat das denkmalgeschützte Gebäude, das das älteste noch bestehende in der Gemeinde ist, aufwändig saniert und wohnt seitdem mit seiner Familie in dem „Schmuckstück“, wie der 38-Jährige sagt. „Uns war es wichtig, Tradition und Moderne zu verbinden.“
Fast täglich halten Autofahrer, Radler oder Fußgänger vor dem Bauernhaus von 1583 und bewundern es, manche knipsen ein Foto. „Man wird schon sehr oft angesprochen, wenn man im Garten ist“, sagt Tamara Strauß. „Manchmal sagen wir auch scherzhaft: fünf Euro pro Bild“, sagt die 28-Jährige und lacht, doch es schwingt auch ein gewisser Stolz mit. Nicht jeder kann einen denkmalgeschützten Hof mit jahrhundertelanger Geschichte sein Zuhause nennen.

Für Franz Josef Strauß stand schon vor 20 Jahren fest, dass er später einmal das Haus sanieren und dann darin leben möchte. „Mein Vater hat in den 80er Jahren den Stall hinter dem Bauernhaus umgebaut. Dort bin ich aufgewachsen. Meine Großeltern haben in dem denkmalgeschützten Teil gewohnt.“ Nachdem der Opa gestorben war, stand das Haus fast 15 Jahre leer. Bis sich sein Enkel 2015 dem Gebäude angenommen hat.
„Wir haben ein Konzept gebraucht“, sagt der zweifache Vater. Denn das Amt für Denkmalpflege ist streng. „Da mein Opa, bevor das Bauernhaus unter Denkmalschutz gesetzt wurde, schon ein paar Dinge gemacht hatte, wie die Fenster erneuert, durften wir damit arbeiten“, sagt Strauß, und seine Frau ergänzt: „Er hat es sozusagen kaputt-renoviert, das war unser Segen.“ Den beiden war es wichtig, innen und außen den ursprünglichen Charme wiederherzustellen – aber trotzdem nicht auf moderne Funktionalität wie Lampen mit Bewegungsmelder oder Fußbodenheizung zu verzichten.
Statt Urlaub in Italien haben wir Arbeitsurlaub gemacht.
Seit fast fünf Jahren wohnt die Familie in dem denkmalgeschützten Bauernhaus. Mehrere Jahre hat Strauß das Gebäude aufwendig saniert und renoviert. „Zu 90 Prozent habe ich alles selbst gemacht“, sagt der gelernte Elektriker, der bei der Gemeinde angestellt ist. „Ich schaue mir Sachen ab und dann mache ich sie nach. Mein Schwiegervater hat mir auch viel geholfen.“ Jahrelang ging es nach der Arbeit, am Wochenende und an Feiertagen auf die Baustelle. „Statt Urlaub in Italien haben wir Arbeitsurlaub gemacht“, scherzt Tamara Strauß. Umso stolzer sind die beiden auf das Ergebnis, das in dem sie nun leben.
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Auch wenn das Ehepaar im Vergleich zu einem Neubau viele Vorgaben hatte und einiges hinnehmen musste, wie es eben war, war für die beiden von Anfang an klar, dass sie in das historische Haus einziehen würden. Denn alle Gebäude, die zur selben Zeit oder früher in Aying gebaut wurden, sind bereits abgerissen. Selbst die Kirche St. Andreas, nur wenige hundert Meter entfernt, ist jünger.
„Wir mussten mit den gegebenen Räumlichkeiten und Fenstergrößen arbeiten – da muss man kreativ sein, um Raumvolumen zu schaffen“, sagt Franz Josef Strauß und deutet auf die Eingangstür. Jeder, der in das Haus kommt, tritt erstmal etwas tiefer. „Ich habe 15 Zentimeter am Boden abgetragen, damit der Raum höher wird.“ Auch die Türen wurden ausgetauscht. „Als meine Großeltern hier gelebt haben, endeten die Türen auf Kopfhöhe. Man musste sich immer bücken.“ Wie klein die Türen wirklich waren, zeigt der Zugang zum Balkon, der noch Originalgröße hat. Die Tür ist zwar eine neue, den äußeren Teil hat Strauß aber wieder mit den alten Holzbalken verkleidet, damit es zur Fassade passt.
Im Obergeschoss hat Strauß ebenso einiges geändert. Obwohl die Fenster auf Bauchhöhe sind, wirken die Räume nicht dunkel. Der Grund: „Wir durften Dachfenster einbauen. Den Dachboden haben wir rausgerissen. So wirken die Zimmer größer.“ Im Schlafzimmer hat Strauß eine Galerie eingebaut, die Platz für Schränke und ein Büro bietet.

Im gesamten Haus haben die Eigentümer verschiedene Holzarten verbaut, im oberen Badezimmer sogar einen Original-Holzbalken eingesetzt. Im unteren Badezimmer, dem früheren Ziegenstall, erinnern niedrige Decken und ein typisches Gewölbe an vergangene Zeiten.
Die Ideen für die Umgestaltung des denkmalgeschützten Gebäudes mit 170 Quadratmetern Wohnfläche haben die beiden schon einigen Zeit im Vorfeld gesammelt. „Man merkt sich was bei anderen“, sagt Strauß. „Während der Bauphase kommt dann nochmal ganz neue Inspiration.“

Jeder Winkel des fast 450 Jahre alten Hauses erzählt eine Geschichte. Die Speisekammer in der Küche etwa war früher die Toilette, darunter befand sich die Güllegrube. Im Flur führt eine Tür in den historischen Keller, in dem früher Kartoffeln gelagert wurden. „Heute haben wir dort unseren Wein“, sagt Tamara Strauß. Nur ein paar Meter weiter hat ihr Ehemann den ehemaligen Treppenaufgang zum ersten Stock in einen begehbaren Schuhschrank verwandelt, der mit zwei Bauerntüren aus Holz verkleidet ist.
Ein besonderer Hingucker ist der Kachelofen im Wohnzimmer. Der sieht nicht nur besonders schön aus, sondern erfüllt auch noch seinen Zweck. „Die Wände sind nicht aus Ziegel, sondern aus Stein, aus sogenannten Feldbummerl. Es kann richtig kalt werden im Winter. Deshalb haben wir den Ofen dann tagtäglich an“, sagt Strauß.
1983 hat der mittlerweile verstorbene Vater von Franz Josef Strauß eine 400-Jahr-Feier veranstaltet. „Der Papa hat damals das halbe Dorf eingeladen.“ Vielleicht organisiert sein Sohn in neun Jahren ja eine Party anlässlich des 450-jährigen Bestehens des Hauses.