„Der Krieg wäre vorbei“ – Hat der Westen Russland nicht hart genug sanktioniert?
Seit Kriegsbeginn sanktioniert der Westen Putins Russland. Die Sanktionen sollen den Krieg aufhalten. Ein Experte findet, dass Deutschland nicht hart genug war.
Berlin – Die westlichen Sanktionen setzen Wladimir Putin zunehmend unter Druck. Zum Beispiel wird der russische Diktator die massiven Gasbestände kaum mehr los, die das Land täglich produziert. Jüngst hatte der Gasriese Gazprom verkündet, große Verluste eingefahren zu haben – es handelt sich um die ersten Verluste seit 1999. Experten zufolge wird es den Konzern Jahre kosten, um die verlorenen Gasverkäufe aufzuholen. Ein Experte kritisiert den Umgang des Westens mit den Sanktionen.
„Der Krieg wäre vorbei“ – Sanktionsexperte kritisiert Zögern im Westen
Die westlichen Länder hätten nämlich bei der Sanktionierung Russlands grobe Fehler gemacht, die den Krieg unnötig herausgezögert hätten. Laut dem Finanz- und Sanktionsexperten Robin Brooks vom Brookings Institute in Washington hätte der Westen ein volles Energie-Embargo gegen Russland starten sollen. „Mit einem Voll-Embargo hätten wir einen Ölpreis-Deckel von null Dollar“, gab der Experte gegenüber der WirtschaftsWoche an. „Russland exportiert vor allem eine Ware – Erdöl. Deshalb wäre deren Leistungsbilanz kollabiert.“ Brooks zufolge wäre außerdem die russische Währung zusammengefallen, die Inflation sei massiv gestiegen und Putin hätte wesentlich weniger Geld aus Steuereinnahmen generiert.

Das hätte allerdings den Westen, speziell Deutschland, in einem ungeahnten Maße getroffen. Der Experte hätte das in Kauf genommen: „Natürlich wäre es zum Schock gekommen, wenn die Ölpreise plötzlich steigen“, gab Brooks an. Allerdings müsse man nun abwägen – rückblickend betrachtet, hätte der Wirtschaft ein einzelner plötzlicher Schock nicht so wehgetan wie die langwierige Entwicklung, die die Bundesrepublik seit 2022 durchmacht. „Wäre die Schock-Therapie nicht besser gewesen?“, fragte Brook im Interview. „Und der Krieg wäre vorbei.“
Größter Anteil der Exporte – Putin trickst bei Öltransporten
Ohne Einnahmen aus Erdöl würde tatsächlich ein großer Teil der russischen Exporteinnahmen wegfallen. Nach Zahlen von World Integrated Trade Solution der Weltbank hatten Erdöle und aus Bitumen gewonnene Öle Russland im Jahr 2021 mit deutlichem Abstand den größten Anteil am russischen Export, gefolgt von Erdölvorbereitung (ausgenommen Rohöl). Auf dem fünften Platz der wichtigsten Exportgüter lagen Erdgas und flüssiges Erdgas.
Die westlichen Industrienationen hatten immerhin versucht, über den Ölpreisdeckel Putins Gewinne kleinzuhalten. Vonseiten der G7 hieß es, dass Russland pro Barrel Rohöl nicht mehr erhalten darf als 60 US-Dollar. Jede westliche Firma, die am Transport von russischem Öl beteiligt ist, muss eine Bescheinigung erhalten, dass die Ladung diesen Kaufpreis nicht überschreitet. Ist das nicht der Fall, dürfen die Unternehmen ihre Dienste nicht anbieten.
Laut Bloomberg hatten im April 2024 noch lange nicht genug Länder diese Maßnahme mitgetragen. Dabei hatte sich das Magazin auf Daten von Argus Media und Informationen der G7-Nationen bezogen. Wladimir Putin hatte daraufhin versucht, über eine Schattenflotte Öl zu verkaufen, und dafür auch höhere Transportpreise in Kauf genommen.
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„Was fehlt, ist eine Entscheidung von oben“
Diese Art von Trickserei beschränkt sich jedoch nicht auf die Ölverkäufe. Zum Beispiel gelang es Russland, deutsche Waffen einzukaufen, in dem es sie einfach über Drittländer umleitete und beispielsweise aus Kasachstan besorgte. Ein anderes Beispiel sind die Autoimporte. „Es ist irrsinnig, wenn die deutschen Auto-Transporte nach Kirgistan um 5.000 Prozent nach oben schnellen“, kritisierte Brooks dazu. Es sei offensichtlich, dass diese Waren eigentlich für Russland gedacht seien.
Deutschland müsse hier rigoroser vorgehen, nach US-amerikanischem Vorbild. „Was also fehlt, ist eine Entscheidung von oben, die die Exporte verbietet.“
Bis dahin wirken die westlichen Sanktionen auf eine eher zähe Art und Weise. Schon im Frühjahr kam heraus, dass Putin den russischen Wohlstandsfonds in großem Maße anzapfen musste, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Experten zufolge ist bereits eine „Frühstufe des wirtschaftlichen Rückgangs“ erkennbar, in die Russland eingetreten sein soll. „Russland vertuscht gerade einen Prozess des signifikanten wirtschaftlichen Verfalls, der sich weit bis in die Zukunft fortsetzen wird“, sagte Mark Sobel vom Official Monetary and Financial Institutions Forum in einer Unternehmensmeldung. Langfristig soll das zu einer „weiteren Marginalisierung“ des russischen globalen Fußabdrucks führen.