Hausbesuche bei oberbayerischen Künstlern

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Rita de Muynck in ihrem Garten in Schlehdorf: Das Zuhause der Künstlerin wird in einem neuen Buch vorgestellt. © Verlag

Ein neues Buch beleuchtet Häuser von Künstlerinnen und Künstlern in Oberbayern. Porträtiert wird auch Rita de Muynck in Schlehdorf.

Schlehdorf - Um einem Leser, Hörer oder Zuschauer eine prominente Person näherzubringen, gibt es neben dem klassischen Interview verschiedene Möglichkeiten. Ein beliebtes Fernsehformat, erfunden einst von Alfred Biolek, ist es, mit dem prominenten Gast zu kochen und auf diese Weise Persönliches zu erfahren. Im BR-Fernsehen wird mit den Künstlern gerne gewandert, um sie näher kennenzulernen.

Das eben im Münchner Allitera-Verlag erschienene Buch von Katja Sebald (Text) und Ulrike Myrzik (Fotos) beschreitet einen anderen Weg. Die Autorinnen haben 30 Künstlerinnen und Künstler in Oberbayern zu Hause besucht. Dieses Format ist als „Home Story“ der Regenbogenpresse zwar etwas in Verruf geraten, doch Sebald und Myrzik streifen nicht mit dem Blick von Voyeuren durch die Häuser der Künstler, sondern begegnen diesen quasi auf Augenhöhe mit einem künstlerischen Blick.

Fotos wie kleine Kunstwerke

Die zahlreichen Fotos sind ihrerseits kleine Kunstwerke, einmal sorgfältig arrangiert wie ein Stillleben, ein anderes Mal wird im Schnappschuss ein Moment festgehalten, der den Künstler in einer besonderen Emotion zeigt. Dieser Weg der Annäherung ist natürlich der privateste und setzt ein Vertrauensverhältnis zwischen den Akteuren und den Porträtierten voraus. Vermutlich wird das Autorinnen-Duo auch Absagen erhalten haben auf diese ungewöhnliche Anfrage. Die 30 Künstlerinnen und Künstler, die ihre Türen geöffnet haben, sind indessen sichtlich ganz und gar im Reinen mit der Vorgehensweise.

Auch einige längst verstorbene Künstler werden durch den Besuch ihres Hauses porträtiert, etwa Franz von Lenbach und Franz von Stuck in München, das Malerpaar Gasteiger in Holzhausen am Ammersee oder Gabriele Münter in Murnau. Die Mehrzahl der Kapitel aber ist Zeitgenossen gewidmet, die überall in Oberbayern ihr Domizil aufgeschlagen haben. So wird in Schlehdorf Rita de Muynck ein Besuch abgestattet.

Rita de Muynck lebt in ihrer „Kunstfabrik“

1979 hat die Künstlerin ein am Ortsrand gelegenes, vierstöckiges Haus erworben und daraus ihre „Kunstfabrik“ gemacht. Ursprünglich war es eine in den 1870er-Jahren erbaute Zementmühle. Bemerkung am Rande: Die Mühle lieferte den Zement, der in der Venusgrotte von Schloss Linderhof verwendet wurde. In den 1920er-Jahren wurde das Werk geschlossen. Über die Verwendung des Gebäudes in den folgenden Jahrzehnten herrscht Unklarheit. Es gibt Gerüchte, dass in der NS-Zeit ein Rüstungsbetrieb eingezogen ist. Dabei ist auch von Zwangsarbeitern die Rede. Nach Kriegsende hielt die Gardinenfabrik Kochelsee Einzug.

Textautorin Sebald beschreibt zunächst das Haus und seine Geschichte. Die Fotografin setzt Details daraus ansprechend ästhetisch ins Bild, sei es der Blick von der Leseecke hinüber über die Wiesen zur Klosterkirche, seien es aufgereihte Gummistiefel im Flur oder die eindrucksvolle Anordnung von 14 Wasserkästen – neben zwei Bierkästen im Fahrradkeller – die vor einem in leuchtenden Farben strahlenden Gemälde der Hausherrin platziert sind.

Von der Psychologie zur Malerei

Dann erzählt Sebald, warum de Muynck gerade hier Wurzeln geschlagen hat. Das hat sowohl mit der Einbettung in die herrliche Natur als auch mit der Geschichte der Region als Künstlerstandort zu tun. Fotografin Myrzik hat die Hausherrin folgerichtig im Freien aufgenommen. Über eineinhalb Seiten erstreckt sich das Foto der Künstlerin, die in ihrem wild wuchernden Garten zwischen all dem üppigen Grün wie ein zarter Farbtupfer auf einer weißen Bank erscheint.

Studiert hat diese zunächst Psychologie und Kommunikationswissenschaften in ihrer Heimatstadt Gent. 1968 kam sie mit einem Forschungsstipendium an das Münchner Max-Planck-Institut für Psychiatrie und promovierte dort. Anfang der 1990er-Jahre wandte sie sich der Malerei zu und wurde freischaffende Künstlerin.

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„In der Kunst kommen mir Methoden aus meiner psychologischen Forschung zugute“, erklärt Rita de Muynck. So versetzt sie sich auch selbst in Trance, um die Bilder ihres Unterbewusstseins in ihre Kunst einfließen zu lassen. Mit der ländlichen Umgebung setzt sie sich ebenfalls auseinander, und zwar durchaus mit kritischem Blick, etwa im Triptychon „Himmel der Kühe“.  (sn)

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