„Das wird der härteste Winter“: Russland will letzte stabile Energiequelle der Ukraine kappen

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Der Ukraine steht erneut ein schwieriger Winter bevor. Nun geraten Kernkraftwerke des Landes immer stärker ins Visier von Russland – mit dem Ziel, sie vom Stromnetz zu trennen.

Kiew – Im Zuge des Ukraine-Krieges attackieren die Truppen von Kreml-Chef Wladimir Putin im Winter immer wieder die ukrainische Energieinfrastruktur. Ziel ist es, in der kalten Jahreszeit eine Versorgung mit Energie zu verhindern und der ukrainischen Bevölkerung das Leben so schwierig wie nur möglich zu machen. Auch dieses Jahr drohen im Winter erneut schwere Angriffe. Diesmal dürften aber nicht nur thermoelektrische Kraftwerke, sondern auch verstärkt die Kernkraftwerke der Ukraine im Visier der Kreml-Truppen liegen.

Kernkraftwerk Saporischschja
Kernkraftwerk Saporischschja. (Archivbild) © Victor/Xinhua/dpa

Russland greift ukrainische Infrastruktur an – der Ukraine droht ein harter Winter

Der bevorstehende Winter könnte daher der schwierigste überhaupt werden. Laut der ukrainischen Zeitung Kyiv Independent hat das russische Militär bereits die Hälfte des Stromsektors der Ukraine mit schweren Luftangriffen zerbombt. Sollte nun auch die nukleare Versorgung großteils ausgeschaltet werden, dann würde die Ukraine, die ohnehin mit Energieproblemen kämpft, einen weiteren Rückschlag kassieren.

Zwar nehme Russland die Kernkraftwerke selbst derzeit nicht direkt mit Raketen oder Kamikazedrohnen ins Visier. Allerdings gebe es immer öfter auf Infrastruktur in der Nähe der Kraftwerke, die die Kraftwerke mittels Umspannern und Leitungen mit dem Stromnetz verbinden würden, wie die Kyiv Independent berichtet.

„Wir befinden uns in einer Welt, in der die Ukraine ein Defizit an funktionierender Infrastruktur hat. Das wird der härteste Winter überhaupt“, erklärte Tim Gould, Wirtschaftschef der Internationalen Energieagentur, gegenüber der ukrainischen Zeitung. Der Warschauer Energie-Analyst Wojciech Jakobik setze sogar noch einen drauf: Sollte Russland die Verbindung der Kernkraftwerke zum Stromnetz kappen, so würde die Ukraine ihre einzig verbleibende stabile Energiequelle verlieren, hieß es von ihm.

Atomkraftwerke der Ukraine im Visier Russlands: Neue Flüchtlingswelle im Winter?

Die Kernkraft sei für die Ukraine eine Basis-Energiequelle, die man nicht durch anderen Quellen wie erneuerbare Energien oder Energieimport ersetzen könne. „Mit einer kleineren nuklearen Kapazität wird die Ukraine weniger Flexibilität haben und weniger dazu fähig sein, die Energieproduktion zu stabilisieren“, warnte der Energie-Analyst. Hinzu kommt: Die Ukraine hat dieses Jahr wegen russischen Angriffen acht Wärmekraftwerke und fünf Wasserkraftwerke verlieren. Das entspricht neun Gigawatt an Kraftwerksleistung.

Das Kernkraftwerk in Saporischschja befindet sich unter russischer Kontrolle. Die Ukraine kann sich daher überwiegend nur noch auf drei verbleibende Atomkraftwerke zur Energieversorgung verlassen. Die Kraftwerke Süd-Ukraine, Khmelnytskyi und Rivne sind verantwortlich für 60 Prozent der gesamten Energieversorgung des Landes. Als Russland während der schweren Luftangriffe im August die Kraftwerke Süd-Ukraine und Rivne ins Visier genommen hatte, mussten diese für Wartungen vom Netz genommen werden. Dies verursachte wochenlange Stromausfälle.

Ohne eine stabile Energieversorgung sieht es düster aus für die Ukraine: Der Kiewer Denkfabrik „DiXi Group“ zufolge drohen täglich bis zu acht Stunden Stromausfall, wie schon im Sommer. Im Winter ist es allerdings weitaus dramatischer. Die nicht-funktionierende Energieversorgung könnte zu einer neuen Flüchtlingswelle aus der Ukraine führen, warnte die Flüchtlingsagentur der UN gegenüber Kyiv Independent. Und natürlich: Die russischen Angriffe auf Atomkraftwerke erhöhen das Risiko von gefährlichen, nuklearen Unfällen. (bb)

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