Streikende Bauern blockieren Straßen: Ist das überhaupt erlaubt? Das ist die Rechtslage

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Am Montagmorgen legen Landwirte in Deutschland den Straßenverkehr mit Blockaden lahm. Doch ist die Streikform überhaupt rechtens?

München – Aus Protest legen Bauern und die sich solidarisierende Transportbranche seit Montag (8. Januar) in vielen Teilen Deutschlands den Straßenverkehr lahm. Bundesweit blockieren die demonstrierenden Landwirte Autobahnauf- und Abfahrten. Grund dafür sind die von der Bundesregierung beschlossenen Streichungen steuerlicher Vorteile für Landwirte. Die Bauernproteste sorgten auch in Bayern für Verkehrschaos.

Doch welche Aktionen sind im Rahmen der Protestwoche der Bauern erlaubt – und womit könnten sich protestierende Bauern strafbar machen? Das ist die Rechtslage.

„No Farmer, no Future“ steht auf einem Schild, das an einem der Traktoren angebracht ist, die bei einem Bauernprotest auf der Straße des 17. Juni vor dem Brandenburger Tor stehen. Als Reaktion auf die Sparpläne der Bundesregierung hat der Bauernverband zu einer Aktionswoche mit Kundgebungen und Sternfahrten ab dem 8. Januar aufgerufen.
Am Montagmorgen legen Landwirte in Deutschland den Straßenverkehr mit Blockaden lahm. Doch ist das überhaupt rechtens – oder kann das jusristische Folgen haben? So ist die Rechtslage. © Jörg Carstensen/dpa

Proteste, Blockaden, Galgen: Das ist die Rechtslage der demonstrierenden Landwirte

Trotz des Einlenkens der Ampelkoalition – die Beihilfen für Agrardiesel werden schrittweise, nicht auf einen Schlag gesenkt, die Anpassung der Kfz-Steuer ist ganz vom Tisch – legten die Bauern ihre Arbeit nieder und organisierten bundesweit einen Mega-Streik. Das wirft juristische Fragen auf – im Besonderen, weil immer wieder von einem Generalstreik die Rede ist, der in Deutschland im Gegensatz zur Versammlungs- und Meinungsfreiheit und dem etwa dem von Gewerkschaften organisierten GDL-Streik, verboten ist.

Der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin hat zu den angekündigten Bauernprotesten bereits am Sonntag (7. Januar) Stellung bezogen und auf die gesetzlichen Grenzen der Proteste hingewiesen: „Wenn sich Landwirte an der öffentlichen Willensbildung beteiligen und sich für ihre Interessen einsetzen, bewegen sie sich im Rahmen des Grundgesetzes. Die Grundrechte der Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit sind Kernbereiche unserer Demokratie und für ein freiheitliches Zusammenleben unerlässlich“, so der Politiker.

Aktionswoche der Landwirte ab 8. Januar – schmaler Grat zwischen Grundrecht und Nötigung

Das Grundgesetz setze aber Grenzen. Bei den Bauernprotesten sei zwischen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit auf der einen Seite und der Fortbewegungsfreiheit und körperlichen Unversehrtheit anderer Beteiligter zu differenzieren. Treten Verkehrsbehinderungen auf – etwa durch eine angemeldete Demonstration – müssten Bürger diese Einschränkungen hinnehmen.

Er warnt jedoch: „Die Möglichkeit zu Demonstrationen endet dort, wo das Drangsalieren oder Blockieren im Vordergrund steht.“ Dann handle es sich schnell um strafbare Nötigung. „Ich vertraue unseren Landwirten, dass diese Grenzen bei den Protesten ebenso beachtet werden wie die Auflagen der Ordnungsbehörden“, so Mertin.

Nötigung und Landfriedensbruch: Einige Proteste der Bauern jenseits des Legalen

Einige der Aktionen bewegen sich deutlich jenseits des Erlaubten: Polizei und sogar Staatsschutz ermitteln beispielsweise gegen gebastelte Galgen und Drohparolen, die aus dem rechtsextremen Lager kommen, das die Bauernproteste für eigene Zwecke zu missbrauchen versucht. Der Bauernverband distanzierte sich bereits aufs Schärfste von den Kaperversuchen rechter Randgruppen.

Der Präsident des Bayerischen Bauernverbands, Günther Felßner, bezog am Montagfrüh in München in einer Rede klar Stellung gegen alle Seiten des Extremismus: „Bauern sind keine Chaoten“. Der beabsichtigte Sturm einer Fähre in der vergangenen Woche, auf der sich Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) befand, verurteile er aufs Schärfste: „Dafür stehen wir nicht. Wir stehen für friedlichen Protest“.

Eindeutige Rechtslage: Gewalt, Nötigung und Gefährdung der öffentlichen Sicherheit sind Straftaten

Die Rechtslage bezüglich bestimmter Protestformen ist klar: Blockaden, die die Sicherheitslage gefährden oder zu Gewalt und Nötigung nach § 240 des Strafgesetzbuches führen, werden strafrechtlich verfolgt. „Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“, so das Gesetz. Zusätzlich können bestimmte Handlungen als „Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr“ betrachtet werden, was zu empfindlichen Strafen führt.

Wie agrarheute berichtet, ist das Abladen von Misthaufen auf Straßen beispielsweise strengstens verboten und kann als „gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr“ laut Strafgesetzbuch mit einer Geld- oder sogar Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden. Kommt eine Person zu Schaden, drohen sogar bis zu zehn Jahre Haft.

Autobahnen blockiert: Theoretisch drohen Landwirten dieselben Strafen wie Klimaaktivisten

Landwirte sehen sich da grundsätzlich ähnlichen rechtlichen Konsequenzen gegenüber wie Klimaaktivisten. Sowohl die Proteste der „Letzten Generation“ als auch die der Landwirte könne man juristisch „strafbare Nötigung“ betrachten, erklärt der Kölner Strafrechtsexperte Christian Kemperdick gegenüber dem WDR.

Ob gegen die Bauern strafrechtlich ermittelt wird, dürfe politisch davon abhängen, wie lange und wie häufig es zu beabsichtigten Staus komme, so der Jurist. Sollten sich solche Stau verursachenden Blockaden in Zukunft wiederholen, gehe er davon aus, „dass die Staatsanwaltschaften auf Weisung des Justizministeriums Strafverfahren einleiten würden“.

Galgen und Gewalt: Illegale Aktionen bei Bauernprotesten können zu Haftstrafe führen

Auch wer an „Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen“ teilnimmt oder Menschen mit Gewalttätigkeit bedroht, die „aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen werden“, „als Täter oder Teilnehmer beteiligt oder wer auf die Menschenmenge einwirkt, um ihre Bereitschaft zu solchen Handlungen zu fördern“, übertritt eine rote Linie. Dann nämlich handelt es sich um Landfriedensbruch, nach § 125, der mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden. kann

Auch das Umdrehen von Ortsschildern wie in Talheim ist nicht erlaubt. Solche Protestaktionen erfüllen den Tatbestand der Sachbeschädigung..

Ein mögliches Vergehen ist allerdings vom Tisch. Das vielfach diskutierte Risiko, dass Bauern bei dem Streik auch ihre grüne Plakette aufs Spiel setzen könnten, weil sie keine Freigabe für bestimmte Straßen haben, besteht nicht: „Im Rahmen der heutigen Versammlungslage sind Traktoren als Kundgebungsmittel zugelassen und daher von der zweckgebundenen Nutzung entbunden“, twitterte die Polizei München.

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