Wie Reichsbürger, Querdenker und Rechtsextreme die Habeck-Blockade feiern
In Schlüttsiel blockiert eine aufgebrachte Gruppe die Fähre von Robert Habeck. Nun ermittelt der Staatsschutz. Wie reagieren rechte Kreise auf die Aktion?
Ockholm/Berlin – Dutzende Menschen versuchen auf die Fähre zu stürmen. Die Polizei hält sie mit Pfefferspray zurück. Eine Bauerndemonstration am Anleger Schlüttsiel in Schleswig-Holstein eskalierte am Donnerstag (4. Januar). 300 Menschen demonstrierten dort nach Angaben der zuständigen Polizeidirektion Flensburg. Deutlich verspätet kam Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) aus dem Urlaub auf der Hallig Hooge daheim in Flensburg an. Diese Ereignisse feiern Reichsbürger und Rechtsextreme aus dem ganzen Land auf Telegram. Ein Bericht aus dem Kaninchenbau.
„Beschämend“, nannte Regierungssprecher Steffen Hebestreit die Szenen. Der Angriff auf Habeck sei eine „Verrohung der politischen Sitten“. Auch der deutsche Bauernverband distanzierte sich postwendend. Das sei ein „No-Go“, sagte Verbandspräsident Joachim Rukwied, man respektiere die Privatsphäre von Politiker. Laut Polizeiangaben wurden am Donnerstag Demoaufrufe in sozialen Medien verbreitet. Auszüge aus einigen öffentlichen Telegram-Gruppen und -Kanälen, sowie einer Whatsapp-Gruppe liegen IPPEN.MEDIA vor.
Häme, und Gewaltaufrufe nach Angriff auf Habeck – Kein Widerspruch in großen Telegram-Gruppen
Von Häme bis zum recht offenen Aufruf zur Gewalt ist alles dabei, diskutiert wurde das Vorgehen der Protestierenden bis Freitagvormittag nirgends. Ebenso wird kaum noch über den ursprünglichen Hintergrund der Proteste gesprochen: Die Bundesregierung entschied sich im Dezember, eine Haushaltslücke auch damit zu schließen, indem sie die Subventionen für Agrardiesel strich. Der Bauernverband protestierte erfolgreich, die Kürzungen wurden weitgehend zurückgenommen. Grund für die Haushaltslücke war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das die Schuldenbremse im Grundgesetz deutlich enger auslegte, als Finanzminister Christian Lindner (FDP).

Am frühen Donnerstagnachmittag verbreitete ein Account, der klar der Ideologie der Reichsbürger zuzuordnen ist, einen Aufruf zur Demonstration am Anleger: „Achtung!! Robert Harbeck (sic!) lädt zum Bürgerdialog am Fährhafen Schlüttsiel“ in mindestens zwei Telegram-Gruppen. Von dem Account wird die Telegram-Gruppe „Freies Husum“ administriert. Husum liegt in der Nähe des Fähranlegers. Von „misslungenen Verhandlungen“ zwischen Habeck und „freiem Geleit“, das man dem Minister verweigerte, sprach ein Mann in Sprachnachrichten, die der Administrator am Freitagmorgen in der Gruppe verbreitete. Der Mann „hofft“, dass Habeck, „die Nacht auf der Hallig Hooge draußen verbringen musste, und nicht noch ein Bett kriegt“.
Reichsbürger jammert über Pfefferspray
In einer anderen Telegram-Gruppe schrieb der Account, nach dem die Versammlung polizeilich aufgelöst wurde: „Das Pfefferspray hat es in sich Ich bin immer noch am (sic!)“ und setzte einen weinenden Emoji dahinter. Zudem versandte der Account eine Sprachnachricht, in der jemand, den er als den „Fährmann“ vorstellte, meinte, Habecks Reisepläne zu kennen. In der Selbstbeschreibung des Administrators steht, er sei „Deutsch gem. RuStAG 1913“ und Nat.Pers. nach BGB“. Der Verweis auf das „Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz“ des Kaiserreiches und die offensichtliche Feststellung, natürliche Person im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches zu sein, sind laut Bundesamt für Verfassungsschutz klar der Ideologie der Reichsbürger zuzuordnen. Unter den Profilbildern findet sich die Flagge der völkischen Landvolk-Bewegung aus den 1920er-Jahren, sowie diverse schwarz-weiß-rote Flaggen des deutschen Kaiserreichs.
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In einer Whatsapp-Gruppe mit 190 Mitgliedern, die sich laut Selbstbeschreibung zur gemeinsamen Protestfahrt nach Berlin am kommenden Montag organisieren, wurde die der Sturm auf den Fährhafen ebenfalls positiv aufgefasst: In einer Sprachnachricht wünschte ein Mann einen „schönen guten Morgen, an den Mob aus Schleswig-Holstein“. Er wisse nicht, „was demokratischer sein soll“, als dieser Protest. Es gelte nun, „wie beim Geschoss, Druck, Drall und Geschwindigkeit“, etwas anderes verstehe, „diese Art von Politik nicht mehr“. Deswege freue er sich auf die Proteste am Montag, wenn mit der „geballten Power“ protestiert werde. Die Proteste würden „alles toppen“, hofft der Mann.
Antisemiten und Rechtsextreme feiern den Angriff auf Habeck
Auch in den bundesweiten Vernetzungsgruppen, des radikalen Arms der Proteste wird der Sturm auf den Fähranleger gefeiert und der Hass auf Habeck gespickt mit Verschwörungstheorien bricht sich Bahn. Habeck, schrieb ein Account am Freitagmorgen, unwidersprochen, arbeite „im Auftrag des WEF und der Bilderberger“. Mit „WEF“ wird das Weltwirtschaftsforum in Davos unter dem Vorsitz von Klaus Schwab abgekürzt. Die Antisemitismusmeldestelle RIAS bezeichnet das klar, als „verschwörungsideologische, antisemitische Codes“, der „Great Reset“-Verschwörungserzählung. Diese breitete sich während der Pandemie aus. Die Gruppe hat 735 Mitglieder. Mehrere Accounts verbreiteten in den vergangenen Tagen ähnliche Nachrichten darin.
Rechtsextreme versuchen seit Wochen die Proteste der Bauern zu vereinnahmen. Zuletzt berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland über entsprechende Aufrufe der rechtsextremen Splitterpartei „Freie Sachsen“. In deren Telegram-Kanal wurde der Angriff gefeiert. Es werde „immer ungemütlicher, wenn Vertreter der Regierung auf ihre Bürger treffen“, stand unter einem Video vom versuchten Sturm auf den Anleger. Auch im Kanal des Hallenser Neonazi Sven Liebich wurde eines der Videos verbreitet.
Polizei: Staatsschutz ermittelt gegen unbekannt – Demo war nicht angemeldet
Ein Sprecher der Polizeidirektion Flensburg sagte gegenüber IPPEN.MEDIA, dass es sich um eine „spontane Versammlung“ gehandelt habe, die von „vorne herein nicht aggressiv“ gewesen sei. Soweit also alles legal. Es sei eine Minderheit gewesen, die gewaltbereit war. Aktuell werde wegen Landfriedensbruch und Nötigung gegen Unbekannt ermittelt. Die Ermittlungen liegen beim Staatsschutz. Man sei „entsprechend vorbereitet“ auf die für Montag (8. Januar) angekündigten Großdemonstrationen. Ein Aufruf zur Demonstration auf Telegram zeigte eine Ampel, die an einem Galgen-Strick hängt. (kb)