„Erhebliche Auswirkungen auf Gesundheitsversorgung“ – Was das Apothekensterben für Patienten bedeutet
Fast jede zehnte Apotheke hat in den letzten fünf Jahren dichtgemacht. Patienten werden die Folgen bald zu spüren bekommen, glauben Experten. Ein Plan der Regierung sorgt derweil für Kritik.
Berlin – In Deutschland gibt es immer weniger Apotheken. Seit 2018 hat etwa jede zehnte Filiale dichtgemacht, das zeigen Zahlen der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), die IPPEN.MEDIA vorliegen. In manchen Gegenden hat gar jede dritte Apotheke geschlossen. Die Auswirkungen dürften Patientinnen und Patienten bald zu spüren bekommen, sagen Experten.
Immer mehr Apotheken schließen: Vor allem ältere Menschen und chronisch Kranke betroffen
„Die Schließung von immer mehr Apotheken kann erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung haben“, sagt etwa Nicolas Klose, Chef von Klose Consulting. Das Unternehmen berät Apotheken unter anderem beim Thema Mitarbeitergewinnung. „Zudem ist die Apotheke nicht nur ein Ort zum Erwerb von Arzneimitteln, sondern auch eine wichtige Anlaufstelle für persönliche Beratung bei gesundheitlichen Fragen“, so Klose.
Mittelfristig könne das Apothekenschwinden zu einer geringeren Verfügbarkeit von Arzneimitteln und einer Überlastung der verbliebenen Apotheken führen. „Das dürfte die Versorgungssicherheit beeinträchtigen, besonders für ältere Menschen und chronisch Kranke, die regelmäßig auf Medikamente angewiesen sind“, sagt der Experte.
Die ABDA fordert unterdessen mehr Geld für Pharmazeuten. „Die Apotheken brauchen endlich eine Erhöhung ihres seit mehr als einem Jahrzehnt stagnierenden Honorars“, sagte Vizepräsident Mathias Arnold unserer Redaktion. Unterstützung kommt vom Bundesvorsitzenden der Senioren-Union der CDU, Fred-Holger Ludwig: „Die Benachteiligung der ländlichen Räume durch das Apothekensterben und durch das geplante Apothekenreformgesetz darf so nicht passieren“, warnt Ludwig gegenüber IPPEN.MEDIA und nimmt die Regierung in die Verantwortung: „Die Ampel muss endlich anfangen, an die ältere Bevölkerung zu denken und nicht gegen sie zu regieren. Als Senioren-Union wissen wir, dass Deutschland mehr kann als nur Ampel-Regierung.“
Kritik am Modell „Apotheke Light“: „Beratungsqualität eingeschränkt“
Tatsächlich schraubt das Gesundheitsministerium von Karl Lauterbach (SPD) aktuell an einer umfassenden Apothekenreform. Dabei soll es um Anpassungen beim Apothekenhonorar gehen, aber auch um sogenannte „Apotheken Light“. Der Plan: In diesen Filialen sind keine Apotheker, sondern pharmazeutisch-technischen Assistenten (PTA). Die können im Zweifel per Video einen studierten Pharmazeuten konsultieren. So soll der Fachkräftemangel ausgeglichen werden.
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Das berge Vor- und Nachteile, sagt Apothekenberater Klose. „Zwar sind solche Apotheken kosteneffizienter und verbessern im Zweifel die Erreichbarkeit. Aber Angebot und Beratungsqualität werden wahrscheinlich eingeschränkt.“ Zudem seien Wettbewerbsverzerrungen zu erwarten, vor allem, wenn „Light-Apotheken“ staatlich subventioniert oder von Regularien befreit würden. „Dies könnte traditionelle Apotheken weiter unter Druck setzen“, glaubt Klose.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Heike Baehrens, zeigt sich von den grundsätzlichen Reformideen überzeugt: „Maßgaben wie die Entbürokratisierung und Entlastung auf der einen Seite und mehr Kompetenzen von Apothekerinnen und Apothekern und pharmazeutisch-technischen Assistentinnen und Assistenten auf der anderen Seite erscheinen geeignet, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Apotheken zu verbessern und letztlich zu stärken“, sagt sie gegenüber dieser Redaktion. Sie und ihre Parteigenossen in der Fraktion würden die Reform unterstützen, so Baehrens.
Gründe für Rückgang von Apotheken regional sehr unterschiedlich
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Paula Piechotta, selbst Ärztin und Kennerin der deutschen Apothekenlandschaft, verweist auf die Relevanz der Versorgung auf dem Land. Die Bundesregierung fürs Apothekensterben verantwortlich zu machen, hält die Leipzigerin für verkürzt: „Beim Apothekenrückgang sind regional sehr unterschiedliche Entwicklungen zu beobachten. Regionale Faktoren sind für die Entwicklung sehr entscheidend.“
Innerhalb der Koalition schießt derweil die FDP gegen die Reformpläne. „Die bisherigen Entwürfe zur Apothekenreform aus dem Bundesgesundheitsministerium können die Probleme nicht lösen, weil sie die Versorgung auf Kosten der Qualität stabilisieren wollen“, sagt Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Entscheidende Hebel seien eine neue Leistungsvergütung sowie pharmazeutische Leistungsausweitung und Leistungsumschichtung. „Die Vergütung darf nicht nur neu verteilt werden. In diesem Bereich ist zu lange nichts geschehen“, so Ullmann. „Da muss sich Substantielles ändern, damit sich die Versorgung verbessert.“ Konkret könne er sich eine Gebührenordnung für Apotheken mit einem Zuschlag für die pharmazeutische Leistung und die Daseinsvorsorge vorstellen – „ähnlich der Gebührenordnung für Ärzte“.