Schulbegleiter gehören in vielen Klassenzimmern im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen längst zum Alltag. Der Bedarf steigt ständig.
Bad Tölz-Wolfratshausen – Ein Vormittag an einer Grundschule im Tölzer Landkreis. Die Lehrerin teilt Rechenblätter aus. Die meisten Schüler stürzen sich sofort auf die Aufgaben. Ein Kind schaut gedankenverloren durch das Klassenzimmer und spielt mit dem Stift. Das ist kein Problem, denn Hans Müller ist mit dabei. Er ist Schulbegleiter und heißt eigentlich anders. Aber in diesem Artikel sind alle Namen zum Schutz der Beteiligten verfremdet.
Warmwerden vor Schulbeginn
Müller hat schon einige Erfahrung gesammelt mit wechselnden Kindern. „Je nach Kind fange ich manchmal auch schon vor Schulbeginn an“, berichtet er. Denn manche benötigen eine gewisse Zeit zum „Warmwerden“ für den Unterricht. Da hilft er dann auch schon in der Garderobe oder beschäftigt sich einfach ein bisschen mit dem Kind.
Die Gründe, warum Kinder eine Begleitung benötigen, sind ganz unterschiedlich. Es kann sein, dass Autismus diagnostiziert wurde. Es kann aber auch sein, dass soziale Schwierigkeiten vorliegen oder ganz andere Defizite: „Es gibt ein breites Spektrum“, sagt Müller.
Unterricht soll ungestört ablaufen
Auf jeden Fall helfen die Schulbegleiter, dass die Kinder an der Grundschule nicht benachteiligt sind. Im Unterricht hilft Müller seinen Schützlingen zum Beispiel, bei der Sache zu bleiben oder sich gut zu organisieren. „Die Kunst ist es, eine Verbindung zu dem Kind herzustellen“, so Müller. Damit alles gut funktioniert, müsse aber auch das Zusammenspiel mit den Eltern und vor allem der Lehrkraft klappen.
„Es ist schön, einem jungen Menschen die Basis für sein Schulleben geben zu können.
Müller arbeitet seit einiger Zeit mit derselben Klassleiterin zusammen, für diesen Artikel heißt sie Silvia Graf. „Für uns Lehrer ist es immer wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nicht, wen man als Schulbegleitung bekommt“, berichtet sie. Am Anfang gebe es ein Kennenlerngespräch. „Wichtig ist, dass die Schulbegleitung ihr Kind so unterstützt, dass der Unterricht für alle Beteiligten relativ ungestört abläuft.“ Mit Müller habe sie einen Jackpot gewonnen. Er unterstütze sie sehr. Es sei aber ganz wichtig, sich viel auszutauschen.
Routine und Rituale für den Schulalltag
Wenn Müller nicht dabei wäre, würde sein Schützling vermutlich so manchen Hefteintrag nicht mitschreiben oder vergessen, dass nun schon die nächste Unterrichtsstunde ist und dass andere Materialien auf den Tisch gehören. Wie sich die Kinder weiterentwickeln, sei ganz unterschiedlich. Manche machen schnell enorme Fortschritte, bei anderen geht es eher langsam. „Wir versuchen, durch Routine und Rituale Struktur in den Schultag zu bringen“, berichtet Müller. Jedes der Kinder, die er und die anderen Schulbegleiter im Landkreis betreuen, trage ein unsichtbares Päckchen mit sich. Jeder kleine Erfolg ist ein großer Schritt. „Wir wollen die Kinder motivieren und ihnen helfen, stark zu werden“, sagt Müller. Ziel sei es, Stärken zu fördern und bei Schwächen zu helfen.
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Für die anderen Schüler in der Klasse ist es ganz normal, dass Müller mit dabei ist. Vielen ist auch gar nicht klar, dass er wegen eines bestimmten Kindes dabei ist. Sie habe den Schulbegleiter ganz bewusst als Lehrkraft vorgestellt, sagt Silvia Graf. So soll verhindert werden, dass es zu sozialen Konflikten für das Kind kommt.
Kinder haben sich verändert
Kinder hätten sich in den vergangenen 20, 25 Jahren verändert, sagt Lehrerin Graf. „Viele bringen heute von zu Hause nicht mehr so viele soziale und arbeitstechnische Grundlagen mit.“ Auch sei die Konzentrationsfähigkeit, vermutlich bedingt durch Smartphone und Co., nicht mehr so hoch. „Die Entwicklung ist anders“, hat sie beobachtet. Dass es Schulbegleiter gibt, sei für die Kinder eine Chance. „Ohne sie wären viele verloren.“
Ein Schulbegleiter müsse vor allem Sensibilität und Empathie mitbringen, sagt Müller. Auf der anderen Seite dürfe man aber auch nicht alles zu sehr an sich heranlassen. Eine gewisse Distanz müsse gewahrt werden. Denn nach einer bestimmten Zeit, oft ist das vor dem Übertritt in die fünfte Klasse, soll das Kind so selbstständig sein, dass es keine Begleitung mehr benötigt. Es gibt aber auch Kinder, die aufgrund ihres Handicaps durch ihr gesamtes Schulleben hindurch bis zum Abschluss begleitet werden. Für Müller ist es eine „sinnstiftende Aufgabe“, die Freude macht. „Es ist schön, einem jungen Menschen die Basis für sein Schulleben geben zu können.“ (mel)