Boris Palmer schlägt Koalition mit AfD vor – „macht einen Vertrag und guckt mal in fünf Jahren“

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Boris Palmer hat sich in einem Interview gegen die Abgrenzung der AfD ausgesprochen. Unter Umständen kann sich der Politiker auch eine Koalition vorstellen.

Tübingen - Bei den Neuwahlen am 23. Februar soll eine neue Bundesregierung gewählt werden, doch wie diese genau aussehen wird, ist aktuell noch Gegenstand von Überlegungen. Die Parteien SPD, CDU/CSU und Grüne haben sich in der jüngeren Vergangenheit deutlich gegen eine eventuelle Koalition mit der AfD ausgesprochen, was allgemein als „Brandmauer“ gegen die zumindest in Teilen rechtsextreme Partei bezeichnet wird. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer erklärte in einem Interview mit der nationalkonservativen Zeitschrift Cato, aus dem auch die Schwäbische zitiert, dass diese Strategie zum Scheitern verdammt sei.

Disclaimer zur Zeitschrift „Cato“

Das politische Magazin Cato mit dem Untertitel „Magazin für neue Sachlichkeit“ erscheint zweimonatig und wird von Politikwissenschaftlern der Neuen Rechten zugeordnet. Historiker und Soziologen sprechen unter anderem von einem „elitären neurechten Projekt“ und von einem „autoritär-nationalradikalen Milieu.“ Eigenen Angaben zufolge sieht sich das Magazin selbst dagegen als konservativ. Cato erscheint im Verlag der Wochenzeitung „Junge Freiheit“, die von Politikwissenschaftlern im Grenzbereich zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus eingeordnet wird.

Die AfD gewinnt seit Monaten sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene immer mehr an Zuspruch, was sich nicht nur, aber besonders in den ostdeutschen Ländern bemerkbar macht. Nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen hatte Boris Palmer die CDU bereits zu Gesprächen mit der AfD aufgefordert. In dem besagten Interview erklärte der OB der Universitätsstadt Tübingen, dass er sich in Thüringen eine Koalition aus CDU mit AfD vorstellen könnte, wenngleich er den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke weiterhin sehr kritisch sehe.

Boris Palmer spricht sich für CDU/AfD in Thüringen aus – aber nicht mit Höcke als Ministerpräsident

Dass der schwäbische Politiker sich gerade zu einer möglichen Koalition im Freistaat Thüringen äußert, liegt wohl daran, dass eine Regierungsbildung dort ohne die AfD fast nicht mehr möglich erscheint. Palmer erklärte allerdings, dass die CDU in diesem Fall sowohl den Ministerpräsidenten, als auch den Innenminister stellen sollte. „Ansonsten macht man einen Koalitionsvertrag und guckt mal in fünf Jahren, ob die vielleicht eine Läuterung erfahren, wie Kretschmann vor fünfzig Jahren und sich einigermaßen in unsere Demokratie einfügen“, zitiert die Schwäbische aus dem Cato-Interview.

Boris Palmer spielt offenbar darauf an, dass der amtierende Ministerpräsident Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann (Grüne), in seiner Jugend als Links-Rebell, Maoist und sogar als Verfassungsfeind galt und sich dann zum ersten grünen Landesvater eines deutschen Bundeslandes mauserte. Eine solche Entwicklung traut Palmer offenbar auch Teilen der AfD zu; Björn Höcke aber wohl kaum. „Ich will nicht ständig jemanden vor mir haben, der Hitler zitiert“, erklärte er. „Da ist bei mir halt Schluss. Und der wird dann auch nicht Ministerpräsident.“

Palmer vermutet, dass AfD-Politiker ohnehin „untaugliche Dilettanten“ sind

Statt einer generellen Brandmauer gegen Rechtsaußen bringt Boris Palmer demnach eine Art politische Partnerschaft auf Zeit ins Spiel, bei der die AfD aber eher den kleineren Teil spielen sollte. Ganz davon überzeugt scheint der ehemalige Grünen-Politiker aber selbst nicht zu sein. Sollte sich nach einiger Zeit herausstellen, dass die AfD „wirklich Nazis sind, dann muss man sie halt verbieten“, sagte er und erklärte, dass die Mitglieder der umstrittenen Partei aber vermutlich ohnehin „untaugliche Dilettanten“ seien, die dann wieder abgewählt werden würden.

Boris Palmer (parteilos), Oberbürgermeister von Tübingen, spricht bei einer Informationsveranstaltung in der Universitätsstadt in Baden-Württemberg.
Boris Palmer schlägt in Thüringen eine Koalition von CDU und AfD vor, scheint aber selbst nicht an einen Erfolg zu glauben. © IMAGO/mulmer

Boris Palmer hatte bereits zu Jahresbeginn drei Gründe genannt, warum die AfD trotz der Kontroversen keine Stimmen verliert, sondern im Gegenteil noch weitere hinzugewinnt. In einem Facebook-Beitrag erklärte er unter anderem, dass Begriffe wie Rassismus, Faschismus oder Nazi nicht mehr funktionieren, da sie „inflationär“ eingesetzt werden würden. In dem besagten Interview warnte er zudem, dass eine Ausgrenzung der Partei bei der Wahl noch mehr Stimmen einbringen könnte.

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