Rentenreform bringt wohl massive Einschnitte – diese Modelle werden jetzt verhandelt

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Die Rente in Deutschland steht vor einer Reform – so plant es die Merz-Regierung. Verschiedene Reformvorschläge stehen aktuell zur Debatte.

Berlin – Im deutschen Rentensystem knarzt es gewaltig: Wegen der demografischen Entwicklung in Deutschland werden immer weniger Beitragszahlern eine steigende Zahl von Rentnern gegenüberstehen. Die Merz-Regierung will das System reformieren: Ab nächster Woche soll eine Rentenkommission Reformvorschläge erarbeiten. Im Koalitionsausschuss am Mittwoch (10. Dezember) will die schwarz-rote Koalition über die Besetzung der Kommission beraten.

CSU-Chef Markus Söder, Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) bei einer Pressekonferenz nach Koalitionsausschuss.
Die Merz-Regierung soll ab 17. Dezember eine Rentenkommission einsetzen, die Eckpunkte für eine große Reform erarbeitet. © IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Die Debatte über verschiedene Modelle hat längst begonnen. Und zeigt: SPD und Union sind sich nicht einig und äußern sich bereits jetzt kritisch zu manchen denkbaren Lösungen. Dabei sollte die Kommission eigentlich „ohne Tabus und Denkverbote“ ihre Arbeit beginnen. Um das System zukunftsfähig zu machen, werden verschiedene Reformvorschläge diskutiert. Ein Überblick über die wichtigsten Ideen und ihre möglichen Auswirkungen:

Reformideen für Rente Details
Kopplung des Renteneintritts an Beitragsjahre In Rente gehen könnte, wer zum Beispiel 45 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt hat
Einbeziehung von Beamten in die gesetzliche Rente Änderungen am dualen System: Pensionen und Renten werden zusammengeführt
Erhöhung des Renteneintrittsalters Der Renteneintritt könnte an die Lebenserwartung gekoppelt werden, Stichwort: Rente mit 70
Weitere Reformvorschläge zur Rente Mehr-Säulen-Modell mit Elementen der kapitalgedeckten Altersvorsorge, Renteneintrittsalter nach Berufsgruppen differenzieren

Reformvorschlag 1: Kopplung des Renteneintritts an Beitragsjahre

Aktuell kontrovers diskutiert wird ein Vorschlag von Wirtschaftswissenschaftler Jens Südekum, der auch Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) berät: Der Renteneintritt soll nicht mehr an ein festes Alter, sondern an die Anzahl der Beitragsjahre gekoppelt werden. Konkret stellt der Ökonom 45 Beitragsjahre zur Diskussion. Menschen, die später in den Beruf starten, müssten dann länger arbeiten, als zum Beispiel solche, die mit 16 schon eine Lehre beginnen.

Der Ansatz findet derzeit recht breite Unterstützung in der Politik: Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) beurteilte dies als „gerechter“ als ein einheitlich höheres Renteneintrittsalter. Auch CSU-Chef Markus Söder erklärte, er finde den Vorschlag „sympathischer“, als die Rente an ein bestimmtes Alter zu koppeln. Und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) findet den Vorschlag immerhin „erwägenswert“.

Auch andere Befürworter sehen das Modell als gerechter an, da es die tatsächliche Lebensarbeitszeit berücksichtigt. Zudem würde es einen früheren Renteneintritt für Menschen ermöglichen, die bereits jung ins Berufsleben eingetreten sind.

Früher arbeiten, früher in Rente: Frauen und Akademiker könnten benachteiligt sein

Kritiker sehen jedoch auch Nachteile. Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) warnt, dass „Menschen und vor allem Frauen, die viele Jahre ehrenamtlich tätig waren oder sich um die Familie gekümmert haben, schlechter gestellt“ würden. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber (BDA) befürchtet sogar eine „Neuauflage der Rente mit 63 durch die Hintertür“.

Auch die Ökonomin Silke Übelmesser sieht den Vorschlag kritisch: Es bleibe dabei „offen, wie dadurch das Rentensystem tragfähiger werden soll“, so Übelmesser zum Münchner Merkur von Ippen.Media. Und: Wer durch Krankheit oder Pflege seine Arbeit unterbrechen müsse, werde benachteiligt. Denn solche Menschen kommen schwerer auf die geforderte Lebensarbeitszeit. „Besonders Frauen könnten schlechter gestellt werden“, warnt die Volkswirtin. Zudem sieht sie es kritisch, wenn Akademiker durch ihre lange Ausbildung bei der Rente Nachteile haben: „Wenn wir eine Wissensgesellschaft bleiben wollen, müssen wir Anreize für Bildung stärken, nicht schwächen.“

Reformvorschlag 2: Einbeziehung von Beamten in die gesetzliche Rente

Ein weiterer Reformvorschlag zielt darauf ab, den Kreis der Beitragszahler zu erweitern. Dabei würde das duale System bei der Rente in Deutschland zusammengeführt werden: die Pension für Beamte und die Rente. SPD-Vorsitzende Bas hat dies bereits mehrfach gefordert. Beamte, Selbstständige und Abgeordnete würden dann ebenfalls in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Bas argumentiert, dass dies die Einnahmen verbessern und das System gerechter machen würde. Die Rentenkasse hätte jedenfalls mehr Einnahmen, wenn auch alle Beamte einzahlten.

Dieser Vorschlag stößt jedoch auch auf Widerstand. Der Beamtenbund kritisiert laut WDR eine „Zwangs-Einheitsversicherung“ und warnt vor zusätzlichen Kosten. „Das löst kein einziges Problem der Deutschen Rentenversicherung“, sagte Vorsitzender Volker Gayer dem Nachrichtensender Welt TV. Diese Diskussion sei „eine Neiddebatte gegen Beamtinnen und Beamte, gegen die Menschen, die jeden Tag diesen Staat am Laufen halten als Polizistin, als Lehrerin, als Feuerwehrmann“.

Beamte ins Rentensystem? Kritiker warnen vor Kosten – Befürworter finden es gerechter

Auch Experten sehen Probleme: Martin Werding vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung warnt: „Wenn wir zwei Alterssicherungssysteme zusammenführen, die beide nicht ordentlich vorfinanziert sind, dann kommt da nirgendwo zusätzliches Geld ins Spiel.“ Bund, Länder und Kommunen müssten als Arbeitgeber der Beamtinnen und Beamten plötzlich den Arbeitgeberanteil der Rentenversicherung übernehmen, es kämen gewaltige Mehrkosten auf sie zu. Sprich: Bund, Länder und Kommunen müssten gewaltig draufzahlen.

Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland SoVD, hält diese Warnungen für „überzogen“, wie sie gegenüber Ippen.Media betonte. „Natürlich wird eine Systemumstellung kurzfristig Kosten verursachen – etwa durch die Anpassung von Besoldungssystemen. Doch diese Kosten sind Investitionen in ein gerechteres Rentensystem. Langfristig überwiegen ganz klar die Vorteile.“

CSU-Chef Söder äußerte sich kritisch zur Ausweitung der Einzahler in die Rente, zum Beispiel auch auf Selbstständige: Es bestehe die Gefahr einer „Enteignung der Mittelschicht“. 

Reformvorschlag 3: Erhöhung des Renteneintrittsalters – Rente mit 70

Die Deutschen werden immer älter und verbringen einen immer höheren Anteil ihrer Lebenszeit in der Rente. Deswegen klingt es logisch, das Renteneintrittsalter zu erhören, zum Beispiel die Rente ab 70 einzuführen. Das einst bei 65 Jahren liegende Renteneintrittsalter wird seit 2012 schrittweise erhöht; aktuell liegt es für alle nach 1964 Geborenen bei 67 Jahren. Ein früherer Rentenstart ist möglich, wenn Abschläge hingenommen werden. Zudem gibt es Ausnahmen, etwa für langjährig Versicherte – die Rente mit 63 – und für Schwerbehinderte.

Wenn wir immer länger leben, werden wir ein Teil dieser längeren Lebenszeit auch arbeiten müssen.

CDU-Wirtschaftsministerin Katherina Reiche plädierte in der Rentendiskussion für eine Rente mit 70. Ein von ihr eingesetzter wissenschaftlicher Beraterkreis schlug in einem Gutachten eine deutliche Anhebung des Renteneintrittsalters vor: Das Renteneintrittsalter solle an die Lebenserwartung gekoppelt werden. Die Rente mit 63, die aktuell nach 45 Beitragsjahren möglich ist, gehöre abgeschafft. „Wir werden mehr arbeiten müssen, wenn wir den Umfang der Sozialversicherungen bewahren wollen, ohne zeitgleich den nachfolgenden Generationen noch mehr Lasten zu hinterlassen“, zitiert der BR aus dem Gutachten. Vorbild sei Dänemark, wo kürzlich die Rente mit 70 ab 2040 beschlossen worden ist.

Rentenreform: Spahn brachte Rente mit 70 ins Spiel – Merz setzt auf Aktivrente

Auch Unions-Fraktionschef Jens Spahn (CDU) erwartet einen Anstieg des Renteneintrittsalters. „Wenn wir immer länger leben, werden wir einen Teil dieser längeren Lebenszeit auch arbeiten müssen“, sagte er im Oktober in der ARD-Sendung „Maischberger“. Kanzler Friedrich Merz setzt derzeit eher auf die Aktivrente, die Anreizte für ein längeres Arbeiten schaffen soll, da manche Rentner damit 2000 Euro steuerfrei hinzuverdienen können.

Kritiker sagen, dass ein pauschales höheres Renteneintrittsalter für alle ungerecht sei, da es die Arbeitsbedingungen in unterschiedlichen Berufsgruppen nicht berücksichtige: Ein Bauarbeiter könne nicht bis ins hohe Alter arbeiten, jemand mit Bürojob dagegen schon eher.

Weitere Reformvorschläge zur Rente

Neben diesen Hauptvorschlägen werden auch andere Ideen diskutiert. Es gibt etwa Vorschläge für ein Mehr-Säulen-Modell, das Elemente der kapitalgedeckten Altersvorsorge einbezieht, ähnlich wie in den Niederlanden oder Dänemark. Dies könnte eine zusätzliche Einnahmequelle für das Rentensystem schaffen und Rentner am Wirtschaftswachstum über den Aktienmarkt beteiligen.

Allerdings birgt dieser Ansatz auch Risiken durch Schwankungen am Aktienmarkt. Eine erste Grundlage schaffte die Merz-Regierung mit der Frühstart-Rente, die allerdings zunächst nur für Sechsjährige gilt: Sie sollen zehn Euro monatlich vom Staat erhalten für einen Aktienfond für ihre Rente.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Nicklas Kappe, Mitglied der Jungen Gruppe in der Unionsfraktion, hat sich dafür ausgesprochen, bei der Rente zwischen verschiedenen Berufen zu unterscheiden. „Wir müssen schauen, welche Berufsgruppen aus welchen Gründen länger arbeiten können als andere“, sagte Kappe der Welt.

Rentenreform: Vorschläge bergen Streitpotenzial für Merz-Koalition

Die Rentenkommission der Bundesregierung soll bis zum Sommer Vorschläge zur langfristigen Sicherung der Rente machen. Danach haben die Fraktionen im Bundestag das letzte Wort: Sie müssen die Reformvorhaben zur Altersvorsorge im Bundestag beschließen. Merz strebt einen Parlamentsbeschluss noch im Jahr 2026 an. Davor gibt es voraussichtlich noch viele Streitpunkte zwischen SPD und Union zu klären. (Quellen: ARD, BR, Welt, dpa) (smu)