Acht Jahre lang hat Linda Zervakis die Nachrichten in der ARD-„Tagesschau“ verlesen. Kein Spielraum also für eigene Recherchen. Seit 2021 ist die Journalistin für den Privatsender Pro7 tätig. Für ihre Reportage „Under attack – wer Deutschland bedroht und wie wir uns wehren“ hat Zervakis sechs Monate recherchiert. Sie ist mit diesem Format an der deutschen Ostsee, in Litauen und in Finnland unterwegs gewesen.
„Boah!“, sagt die Reporterin Linda Zervakis etwas zu häufig
Oftmals gerät ihr Ton etwas zu flapsig. Ein paar Mal zu viel „Boah“. Und dass die Piloten der Bundeswehr „wie in einer Jugendherberge leben“, ist jetzt auch nicht gerade überraschend und vor allem nicht erwähnenswert. Aber ihre Recherche zeigt zurecht: „Wir stecken ganz schön in der Klemme.“ Im Fliegerhorst Laage müssen die Mitglieder der Luftabwehr 24 Stunden bereit sein, um russische Kampfjets und Drohnen im deutschen Lauftraum über der Ostsee abzuwehren. Das geschieht in jüngster Zeit viel zu oft.
Wir sind dabei, wenn bei der Bundeswehr in Laage die Alarmglocke schrillt. Reporterin Zervakis erschrickt: „Jetzt passiert wirklich was?“ Der Oberst bleibt gelassen: „Ja, jetzt passiert was!“ Die Journalistin ist immer noch erschrocken: „Das kann man sich nicht ausdenken!“ Zwei Eurofighter heben ab, um ein russisches Flugzeug über der Ostsee wegzuscheuchen, Polen hilft dabei mit. 100 Millionen Euro kostet ein Kampfflugzeug. 200 Eurofighter hat die deutsche Luftwaffe. Klingt viel? Ist es aber nicht.
Experte kritisiert: Deutschland lebte in einer "Pippi-Langstrumpf-Welt"
Der renommierte Militär-Historiker Sönke Neitzel klagt: „Die Ukraine ist wesentlich besser geschützt als Deutschland.“ Er sagt: „Wir haben von allem zu wenig.“ Und er resümiert: „Wir zahlen jetzt den Preis, dass wir 30 Jahre geglaubt haben, wir können uns die Welt rosarot machen.“ Er wird noch deutlicher: „Wir haben in einer Pippi-Langstrumpf-Welt gelebt!“
Linda Zervakis fragt zum Thema Sicherheitslage in Deutschland 25 Menschen im Studio. Ist Putin eine Gefahr auch für uns? Die meisten - logischerweise - stimmen mit Ja.
Aber eine Frau sagt: „Von den Medien wird uns immer gesagt, man kann nicht mit Putin sprechen. Man kann aber immer miteinander sprechen.“ Dass man immer miteinander sprechen könne, mag vielleicht bei Konflikten in ihrem Gemeindehaus funktionieren. Vom russischen Aggressor scheint die Frau indes nicht viel Ahnung zu haben.
In Finnland, die Menschen gelten als das glücklichste Volk der Welt, erstreckt sich eine 1300 Kilometer lange Grenze zu Russland. Ein Sicherheitsexperte sagt: „Putin hat die Absicht, Europa zu zerschlagen.“ Er wolle Europa destabilisieren. Die Finnen haben daher hunderte Kilometer lange neue Zäune gebaut, auch um eingeschleuste Flüchtlinge aus Russland abzuwehren. Und Finnland hat eine Wehrpflicht und kann im Ernstfall auch viele Reservisten mobilisieren. In Deutschland sind wir von all dem leider sehr weit entfernt.
Zervakis schießt und kritisiert sich für ihre „Scheiß-Einstellung“
Die Reporterin lernt in Finnland den Dienst an der Waffe. Angenehm ist ihr das augenscheinlich nicht. „Ganz ehrlich: Ich habe ein mulmiges Gefühl.“ Es sind übrigens viele Frauen auf dem Schießstand. Mit einem automatischen Gewehr übt sich Zervakis. „Oh Gott!“, sagt die Journalistin nach ihrem ersten Schuss. Sie hoffe, dass es genügend Menschen gebe, die das im Ernstfall machen würden. „Was ist das für eine Scheiß-Einstellung, oder?“, kritisiert sich Zervakis selbst. „Aber es bleibt für mich eine suspekte Sache.“
Mein Fazit nach dieser Pro7-Reportage von Linda Zervakis. Zum einen: Deutschland ist nicht kriegstüchtig – oder, weniger martialisch formuliert, nur bedingt abwehrbereit. Zum zweiten, und wir aus der Generation X kennen das noch als ganz normale Sache: Um unsere Sicherheit zu garantieren, sollte es sofort wieder eine Wehrpflicht geben. Übrigens auch für Frauen. Warum bitte ausgerechnet bei diesem Thema nicht auch auf Gleichberechtigung pochen?